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DLG-Wintertagung 2022: Transformation in der Landwirtschaft

Transformationsprozesse in der Landwirtschaft sind das ureigene Thema von Prof. Alfons Balmann, dem Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO).

In seinem Vortrag anlässlich der DLG-Wintertagung nannte er als Beispiel für Transformations-Treiber Länder wie Brasilien und die Ukraine, die weniger auf Preis-Dumping setzten, sondern mehr und mehr auf High-Tech-Landwirtschaft. Dort, und in anderen Ländern, würden nicht nur neue Maschinen und Sorten eingesetzt, sondern auch der Anschluss an internationale Zertifizierungssysteme angestrebt. Weitere Treiber des Wandels seien Klima und sich verändernde Konsumgewohnheiten, z. B. beim Fleischkonsum.

Aber auch regionale Treiber spielten eine Rolle und an erster Stelle nannte der IAMO-Direktor hier die geringe Rentabilität der allermeisten Betriebe in Deutschland. Nach Daten des Thünen Instituts erwirtschafte die Hälfte aller Betriebe einen Pro-Kopf-Überschuss von nur € 30.000.

Dazu kämen demografischer Wandel und intersektoraler Wettbewerb um Arbeitskräfte. In vielen Regionen Deutschlands, etwa im Osten, würden in den kommenden 10 bis 15 Jahren doppelt so viele Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden, wie Jüngere hinzukämen Die Landwirtschaft konkurriere dann dort mit allen anderen Wirtschaftszweigen um diese wenigen Arbeitskräfte – mit eher mäßigen Erfolgsaussichten.

Als weiterer Treiber erweise sich die fehlende Akzeptanz von Anpassungen. Würde einerseits gefordert, viehreiche Regionen – etwa im Nordwesten – sollten ihre Tierbestände verringern, sei gerade in vieharmen Gegenden wie Brandenburg der Widerstand selbst gegen kleine Neubauten enorm groß.

Wird der Landwirtschaft die gleiche Entwicklung zugestanden, wie anderen Teilen der Wirtschaft? Bei Wachstum, Globalisierung, Gentechnik und Digitalisierung? Wird deutschen Landwirten das Streben nach Wachstum erlaubt, wie es Schwellen- und Entwicklungsländer ganz selbstverständlich tun? Erhält die Landwirtschaft Zugang zu modernen, gentechnischen Züchtungsmethoden und wird sie weiterhin noch staatlich subventioniert, auch wenn in Zukunft Roboter die Feldarbeit erledigen? Auf die „gesellschaftliche Debatte“ hierzu darf man sehr gespannt sein.

Wie aber kann Akzeptanz für eine Transformation der heimischen Landwirtschaft erreicht werden, fragte Balmann? Bisher jedenfalls sei ein Diskursversagen auf ganzer Linie zu konstatieren: zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft, innerhalb der Landwirtschaft selbst und ebenso innerhalb der Gesellschaft. Zielkonflikte würden gar nicht erst angesprochen, genauso wenig wie anfallende Kosten einer – wie auch immer gearteten – Neu-Ausrichtung.

Lösungsansätze böten bisher der Staat mit seinen Reglementierungen, einzelne Verbände (auch in Zusammenarbeit mit NGOs), der LEH und verschiedene Markenhersteller (etwa mit Labels oder Auslistung von Produkten niedriger Haltungsstufen) und selbst einzelne Betriebe, die sich ein regionales Renommee erarbeiteten.

Idealerweise sollten Aktionen jedoch konzertiert stattfinden, wie es die Zukunftskommission Landwirtschaft oder die Borchert-Kommission vorgemacht hätten. Aber auch wenn immer Kompromisse nötig sein werden, dürften sich keine Widersprüche oder problematische Behauptungen in Vereinbarungen einschleichen. Die Zukunftskommission etwa beziffere die externen Kosten der deutschen Landwirtschaft auf € 90 Mrd., ohne diese Zahl wirklich zu belegen. Auch das Ziel, die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten oder gar zu erhöhen, sei angesichts der geschilderten demografischen Wirklichkeit und Einkommenssituation nicht realistisch.

Die Borchertkommission wiederum setze auf staatliche Tierwohl-Förderung statt auf eine Marktlösung. Die Märkte aber reagierten längst mit ITW und Auslistungen. Passen die beiden Ansätze zusammen oder konkurrieren sie am Ende fragte Prof. Balmann?

Auf Seiten der Landwirte sei die Frage, ob und wie die Kompensation von Mehrkosten langfristig gesichert werden könne. Gibt es Anschubfinanzierung für die Produktionsumstellung oder dauerhafte Subventionen? Wird der Wettbewerb zugunsten von „Subventionsmaximierern“ verzerrt und eigentlich unrentable Maßnahmen finanziert und am Ende gar Anspruchsdenken befördert? Bei etlichen Themen müsse die Diskussion sicher noch mal ganz von vorn begonnen werden, so der Transformations-Forscher.

Und: Der Landwirt als Unternehmer müsse sich heute ganz prinzipielle Fragen stellen: wird mein Betrieb überhaupt gebraucht? Was kann ich, das andere nicht (bieten) können? Will ich das dann auch? Habe ich eine Alternative, eine Exit-Strategie?

Am Ende seines Vortrags stellte Prof. Balmann damit die unbequemsten aller Fragen.

Umgang mit kranken und verletzten Rindern #Netzwerk Fokus Tierwohl

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Im Online-Seminar der Landwirtschaftskammer NRW fragte Dr. Peter Heimberg: wieviel Krankheit ist zumutbar?

Als wichtigste Parameter zur Beurteilung des Gesundheitszustands nannte der Fachtierarzt für Rinder vom Rindergesundheitsdienst NRW: Haltung – Verhalten – Ernährungszustand.

Gesunde Rinder stehen mit erhobenem Kopf, bei gerader Rückenlinie, belasten alle vier Beine gleichmäßig, die Beine stehen senkrecht zum Boden, die Ohren stehen waagerecht ab. Liegende Rinder befinden sich üblicherweise in Brust- oder Brustseitenlage.

Ganz wichtig ist die Lahmheitsbeurteilung. Ist die Rückenlinie nicht absolut gerade und der Bewegungsablauf verhalten, liegt bereits eine gesundheitliche Beeinträchtigung vor. Wölbt sich der Rücken stärker und ist eine deutliche Entlastung bereits im Stand zu erkennen, besteht dringender Handlungs-(Klauenpflege)bedarf. Um die Herde gesund zu erhalten, muss bereits der „Locomotion Score“ 2 sicher erkannt und als Signal für weiteres Handeln verstanden werden. Rinder mit Scores von 3, 4 oder gar 5 dürfen zusammen nicht mehr als 5% der Herde ausmachen.

Gesunde Rinder sind aufmerksam und neugierig, lassen sich leicht auftreiben bzw. stehen von selbst auf, wenn ein Mensch den Stall betritt. In Ruhephasen käut das Tier wieder, beim Absetzen von Kot und Harn wird der Schwanz vom Körper abgehalten, Fliegen mit Schwanz, Ohren und Unterhautmuskulatur abgewehrt.

Der Ernährungszustand lässt sich anhand folgender Punkte beurteilen:

+ hervorstehende Knochenpunkte wie Hüfte oder Schulter sollten ausreichend mit Muskulatur bedeckt sein,
+ die Augäpfel müssen den Lidern bündig anliegen,
+ das Haarkleid muss glatt anliegen und leicht glänzen,
+ besonders wichtig ist der Verlauf über die Laktation!

Die Futteraufnahme lässt sich zwar meist über das Ansehen der Hungergrube beurteilen, aber durchmischte oder aufgeblähte Pansen können ausreichende Füllung auch vortäuschen. Gleiches gilt bei hochtragenden Kühen – bei ihnen hilft nur das Befühlen! Bei laktierenden Tieren sollten 2/3 des Pansens festen Inhalt vorweisen, bei Trockenstehern mindestens 50% (wenn diese zu wenig Volumen aufnehmen, findet sich oft nur ein freischwimmender Futterkloß).

Mittel- bis hochgradig kranke Tiere müssen grundsätzlich dem Tierarzt vorgestellt werden, aber auch geringgradig erkrankte Tiere, deren Zustand sich über einen längeren Zeitraum nicht verbessert.

Laut Tierschutzgesetz muss jeder Tierhalter unnötige Leiden, Schmerzen, Schäden vermeiden. Ausreichend häufige Beobachtung der Herde ist deshalb unverzichtbar. Bei jeglicher Gesundheits-Störung muss unverzüglich Abhilfe geschaffen werden und, bei schlechter Prognose (durch den Tierarzt), müssen Tierleid und -leben beendet werden. Hier ist zu entscheiden, ob eine Notschlachtung möglich oder eine Nottötung angebracht ist. Bei Rindern empfiehlt Dr. Heimberg auf jeden Fall die intravenöse Euthanasie, weil für den Bolzenschuss eine absolut sichere Fixierung des Rinderkopfes nötig, aber selten gewährleistet, sei.

Zur Beurteilung von Transport- und Schlachtfähigkeit schließlich bietet die Kammer einen umfangreichen und sehr empfehlenswerten Leitfaden zum Download an.

Umgang mit kranken und verletzten Schweinen #Netzwerk Fokus Tierwohl

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Am 22. Februar veranstaltete die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, gefördert vom Netzwerk Fokus Tierwohl, ein Online-Seminar zum Thema „Umgang mit kranken und verletzten Schweinen“. Über 180 Teilnehmer hörten die Online-Vorträge von Prof. Dr. Wilfried Hopp (Veterinäramt Kreis Soest) und Dr. Jürgen Harlizius (Fachtierarzt für Schweine, Schweinegesundheitsdienst LWK NRW).

Der Link am Ende des Textes führt zu ausführlichen Ratgebern für die Praxis: Hier aber Kernpunkte, die beide Referenten besonders betonten:

1. Tierbeobachtung ist das A und O in der Schweinehaltung. Zwei Kontrollgänge pro Tag sind in der Mast das Minimum. Bei den ersten Anzeichen einer möglichen Erkrankung sollte das betroffene Tier in kürzeren Abständen in Augenschein genommen werden.

2. Liegt eine Erkrankung oder Verletzung vor, können Fristen für weitere Entscheidungen hilfreich sein: 3 Stunden/3 Tage/3 Wochen schlug Dr. Harlizius vor, um Behandlungserfolge zu beurteilen und bei Erfolglosigkeit ggf. für eine Nottötung zu entscheiden. Das „Prinzip Hoffnung“, so Prof. Hopp, dürfe bei der Beurteilung kein Maßstab sein und, „weil der Krankenstall kein Hospiz ist“, sollte der Landwirt täglich den Zustand kranker Tiere überprüfen und über das weitere Vorgehen entscheiden.

3. Kranke Tiere müssen, nach tierärztlicher Diagnose und Maßgabe, unverzüglich behandelt werden. Eine Krankenbucht ausreichender Größe (2-3% der Tierzahl) und Absperrungen im Abteil müssen vorgehalten werden. Das kann z. B. im Fall einer Streptokokken-Infektion bedeuten, dass einem Schwein alle 2-3 Stunden Wasser eingegeben wird, weil es selbstständig nicht schlucken kann und deshalb zu verdursten droht.

4. Nottötungen durchzuführen ist formal allen Personen mit landwirtschaftlicher Ausbildung erlaubt. Ob jeder dazu psychisch und fachlich in der Lage ist, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Im Zweifel einen Tierarzt zu rufen, ist immer eine gute Entscheidung, wenn er oder sie denn auch innerhalb eines vertretbaren Zeitraums auf den Hof kommen kann. Andererseits bietet gerade die LWK entsprechende Fortbildungen an. Auch kann man, nach einer Euthanasie durch den Tierarzt, den richtigen Einsatz von Bolzenschussapparat und Entblutungsmesser am toten Tier üben.

5. Weitere Themen sind Transportfähigkeit und ggf. Notschlachtung von Schweinen. Lahme Tiere, die nicht sicher auf dem Anhänger stehen können, sind nicht transportfähig, aber u. U. schlachtfähig Erreicht der Umfang eines Nabelbruchs mehr als 50% des Abstands zwischen Bauchdecke und Stallboden, ist das Tier nicht transportfähig. Dies gilt auch für große Wunden, blutende Verletzungen, schwere Organvorfälle oder trächtige Tiere mit mehr als 90% Trächtigkeitsdauer. Bei kleineren Mastdarmvorfällen ist der Einzel-Transport, nach Rücksprache mit dem Tierarzt, möglich, bei großen, blutenden Vorfällen gilt dies nicht.

Notschlachtungen auf dem Hof sind erlaubt, wenn eigentlich gesunde Tiere plötzlich einen Schaden, etwa einen Knochenbruch oder Blutungen erleiden. Voraussetzung ist aber die Lebenduntersuchung durch einen Tierarzt, Veterinärbescheinigen, Lebensmittelketteninformation, dass die Schlachtung von einer qualifizierten Person vorgenommen wird und vor allem der Schlachthof überhaupt gewillt ist, das Tier auch anzunehmen. Die Ausweidung sollte innerhalb von 45 Minuten nach der Betäubung beendet und, bei mehr als zwei Stunden Transport, ausreichende Kühlung gewährleistet sein.

Umfangreiche Leitfäden zu Transport- und Schlachtfähigkeit von Schweinen sowie zur Nottötung stehen auf der Website der LWK zum Download zur Verfügung.

DLG-Wintertagung 2022: Blockierte Diskurse um die Landwirtschaft lösen

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Prof. Dr. Ingo Pies, Wirtschaftsethiker von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, eröffnete gestern das DLG-Impulsforum „Konflikte überwinden im ländlichen Raum“, mit einem fulminanten Vortrag zur öffentlichen Diskussion über Landwirtschaft von heute und von morgen.

Ausgehend von der Unzufriedenheit mit dem Status quo auf allen Seiten fragte er, ob wir es mit einem Markt- oder Politikversagen zu tun haben? Trafen sich früher Agrarlobbyisten mit Ministerialen gerne mal zum Essen, um über zukünftige politische Ausrichtungen zu plaudern, so der Professor aus Halle, fänden sich die Vertreter des Bauernverbandes in Diskussionsrunden heute nur noch als Minderheit unter zahlreichen Interessenvertretern der „Zivilgesellschaft“ wieder.

NGOs gäben heute Takt und Themen vor und lebten dabei eine „rationale Irrationalität“ aus. Dieser, von Bryan Caplan, eingeführte Begriff beschreibt Menschen, die umso fester an ihren Vorurteilen festhalten, je weniger sie persönlich die Kosten für deren Umsetzung tragen müssen. Beim Eigenheimkauf werden sämtliche Kosten genauestens abgewogen, in der Gemeindepolitik schon eher weniger und auf Bundes- oder gar Europa-Ebene wächst die Bedeutung der „sozialen Erwünschtheit“ in immer größere Höhen.

Gegen das Festhalten an liebgewonnenen Meinungen helfe auch keine Wissenschaft, wie Pies am Beispiel der Grünen Gentechnik erläuterte. Auch wenn unter Wissenschaftlern international weitestgehender Konsens bestünde, dass diese mindestens ebenso sicher sei, wie andere Züchtungsverfahren, lehnten doch 70% der Deutschen Gentechnik aus Sicherheitsgründen ab. Der Moralabsolutismus gelte aber auf beiden Seiten des Meinungsspektrums. So sagten 71% der Gentechnik-Gegner in einer Umfrage: „egal wie groß die Risiken und wie klein die Risiken sind, Gentechnik sollte verboten werden“ und 61% der Befürworter „egal wie groß die Risiken und wie klein die Risiken sind, Gentechnik sollte erlaubt werden“. Verbot und Erlaubnis seien für beide Gruppen zum Selbstzweck geworden.

„So kommt es zu Denkblockaden, die einer rationalen Urteilsfindung im Wege stehen und die Gefahr heraufbeschwören, dass gesellschaftliche Lernprozesse im Wege demokratischer Politikentscheidungen entgleisen können“ führte der Wirtschaftsethiker aus. In der Gentechnik-Diskussion z. B. folge die Argumentation der Kritiker generell moralischen Kategorien, enthalten viele empirisch fragwürdige Tatsachenbehauptungen und kritisierte häufig nicht die Gentechnik an sich, sondern vielmehr die Marktwirtschaft im Allgemeinen.

Weder sachliche noch emotionale Argumente von Seiten der Gentechnik-Befürworter könnten hier viel ausrichten. Spräche sich etwa die Leopoldina für eine EU-Rechts-Reform zu GVOs aus, würde sie öffentlich als Lobby-Organisation geschmäht. Kritisieren 158 Nobelpreisträger Greenpeace und werfen der bekannten NGO gar „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor, fände man kaum Medienberichte darüber.

Der Diskurs leide unter „Dichoto(ma)nie“ diagnostiziert Prof. Pies. Wenn es aber gelänge aus dem Denken in extremen Kategorien auszubrechen, würde der Blick frei für gemeinsame Interessen. Das Verhältnis von konventioneller zu alternativer Landwirtschaft dürfe nicht als reiner Interessenkonflikt wahrgenommen und Pro oder Contra Gentechnik jeweils einer Seite zugewiesen werden. Weil konventionelle Landwirtschaft ökologischer und alternative Landwirtschaft effizienter werden müsse, eröffne gerade die Grüne Gentechnik für beide Probleme neue Optionen.

Derzeit zeige sich aber eher, dass der Agrarsektor zum Gegenstand allgemein unrealistischer Erwartungen geworden sei. Denn: Würden Mittel als Ziele aufgefasst, als moralischer Selbstzweck, würden Sach- zu Identitätsfragen (gerade auch für Gruppen) und der gesellschaftliche Diskurs durch Schwarz-Weiß-Denken in reinen „Freund/Feind“ und „Gut/Böse“ Kategorien blockiert.

Das Fazit des Referenten lautete denn auch: „Wir müssen die institutionelle Verfassung unserer Diskurse neu ordnen, um das Seriositätsniveau und den Informationsgehalt der Auseinandersetzung anzuheben und verlorengegangenes Systemvertrauen herzustellen.“

Die gälte aber nicht nur für die Landwirtschaft, sondern sei vielmehr ein allgemeines Problem, ergänzte Pies in der anschließenden Diskussion. Das Niveau praktisch aller Diskurse in den westlichen Ländern bewege sich seit Jahrzehnten stetig nach unten (wahrscheinlich auch wegen des Einsatzes von „Social Media“). Gleichzeitig sinke das Vertrauen in Eliten, wie etwa Wissenschaftlern und auch die Standards an Wahrhaftigkeit seien im Verfall begriffen. Viele Organisationen nähmen am öffentlichen Diskurs teil, ohne sanktioniert zu werden, selbst wenn sie nachweislich die Unwahrheit sagten.

Erstens könnten hier Fakten Checker von Renommee für Abhilfe sorgen, zweitens NGOs – genau wie Unternehmen – für Wahrhaftigkeit in Haftung genommen und drittens dürfe die „Zivilgesellschaft“ nicht weiter als monolithischer Block wahrgenommen werden. Die Meinungsvielfalt aller Diskursteilnehmer müsse stärker hervorgehoben werden und eben dies verstehe er unter der genannten neu zu ordnenden institutionellen Verfassung.

Reine Grasfütterung für Milchkühe?

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Die Agrarforschung Schweiz verglich für eine aktuelle Studie eine reine Grasfütterung mit einer durch Kraftfutter ergänzten Ration. Im Laufe von drei Jahren wurden insgesamt 138 Laktationen von 92, schweizerischen (HCH) und neuseeländischen (HNZ), Holstein-Kühen ausgewertet.

„Ziel der Studie war es, die Auswirkungen einer reinen Grasration mit null Kilogramm Kraftfutter mit der gleichen Grasration mit 750 kg Kraftfutterzusatz pro Kuh und Jahr zu vergleichen“, schreiben die Schweizer. Und weiter: „Untersucht wurden die Auswirkungen auf die Milchleistung und -zusammensetzung, die Zellzahl, die Körperkondition, das Körpergewicht, die Behandlungen und die Fruchtbarkeit bei zwei Holstein-Kuhtypen.“

Die Ergebnisse fasst das Agroscope-Team so zusammen:
„Im Durchschnitt produzierten die Milchkühe mit der reinen Grasration 5376 kg Milch pro Standardlaktation. Pro Kilogramm zusätzliches Kraftfutter erhöhte sich die Milchleistung um ein Kilogramm. Die Milchgehalte wie Fett, Eiweiß und Laktose wurden durch die Kraftfutterergänzung nicht beeinflusst. Die Kraftfutterergänzung beeinflusst die Körperkondition und das Körpergewicht zwar signifikant, das Ausmaß war jedoch moderat.“

Und – besonders interessant: „Es scheint, dass der Kuhtyp für die notwendigen medizinischen Behandlungen und bezüglich Fruchtbarkeit die größere Rolle spielt als die Kraftfutterergänzung. Bei geeigneten, an die Fütterungssysteme angepassten Milchkuhtypen ist heutzutage eine reine Grasfütterung ohne Kraftfutterergänzung möglich.“

Die Original-Meldung finden Sie hier (inklusive Link zur Studie).

Quelle: Agrarforschung Schweiz Agroscope

Die Alleskönnerin: Schwarze Soldatenfliege macht nachhaltige Ressourcenkreisläufe möglich

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Für einen Modellstandort der blauen Bioökonomie wird am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf ein optimales und nachhaltiges Futter für die Schwarze Soldatenfliege designt

Auf Rügen entsteht ein Modellstandort der blauen Bioökonomie. Das Projekt „RüBio“ des „Innovationsraums Bioökonomie auf Marinen Standorten“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bringt sechs Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, um regionale Ressourcenkreisläufe effizient und erlebbar zu machen. Ein entscheidender Bestandteil: Die Schwarze Soldatenfliege, die am FBN in Dummerstorf erforscht wird.

Schwarze Soldatenfliegen sind Alleskönnerinnen: Ihre Larven verwandeln so gut wie jedes Futter in hochwertiges Eiweiß. Das macht sie zur idealen, nährstoffreichen Futterquelle. Am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) werden sie von Prof. Cornelia C. Metges und ihren Mitarbeitern Dr. Gürbüz Daş und Dr. Manfred Mielenz erforscht. „Die Larven sind ausgesprochen vielseitig in der Wahl ihres Futters, anders als beispielsweise Mehlwürmer“, erläutert Dr. Manfred Mielenz. Als prozessiertes Futtermittel seit letztem Jahr nun auch für Schweine und Hühner zugelassen, bietet die schwarze Soldatenfliegenlarve eine ressourcenschonende Alternative zu importiertem eiweißreichem Zusatzfutter, wie etwa Soja. Für das Projekt „RüBio“ bilden die Schwarzen Soldatenfliegen einen wichtigen Baustein. Für die Forschung zur nachhaltigen Fütterung der Larven auf der Basis von Reststoffen haben Prof. Cornelia C. Metges und ihre Mitarbeiter nun eine Projektförderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erhalten.

Traditionsmolkerei wird Modellstandort für regionale Ressourcenkreisläufe
In der ehemaligen Molkerei des „Rügener Badejungen“ in Bergen auf Rügen entsteht nun eine einzigartige Kreislaufanlage im neuen „Bioökonomischen Forschungszentrum Rügen (BFZR)“. Im Zentrum steht eine Aquakultur mit Speisefischen. Deren Wasser wird mittels eines Algenreaktors zur Produktion von Algenbiomasse geklärt und für die Bewässerung von Heilkräutern und Obstkulturen verwendet. Eine essenzielle Komponente des Ressourcenkreislaufs wird die Anlage für die Schwarze Soldatenfliege sein: Die anfallenden Rest- und Nebenstoffe, beispielsweise aus dem Obstanbau, dienen der Schwarzen Soldatenfliege als Nahrung, deren Larven wiederum an die Speisefische verfüttert werden. Damit kann auf den Einsatz von Fischmehl in der Aquakultur verzichtet werden. Der Modellstandort „Bioökonomisches Forschungszentrum Rügen“ soll später aber auch Wissenschaft für Besucher erlebbar machen.

Dr. Gürbüz Daş mit den eiweißreichen Larven der Soldatenfliegen. Damit sollen künftig Fische in Aquakultur ernährt werden.

Futterdesign für die Schwarze Soldatenfliege am FBN
Was genau die Larven der Schwarzen Soldatenfliege brauchen, um möglichst viel hochwertiges Eiweiß zu produzieren, wird nun in der Anlage für die Schwarze Soldatenfliege des FBN als Teil des Projektes „RüBio“ im Labormaßstab erforscht. Um ressourcenschonend und nachhaltig zu produzieren, sollen ausschließlich organische Rest- oder Nebenstoffe aus der Anlage selbst und der Region, wie z.B. Obstreste, Heureste, Reste aus der Bäckerei oder Bierbrauerei, verwendet werden.

„Wir analysieren die verschiedensten Reststoffe und finden heraus, wie sie kombiniert werden müssen, damit ihre Nährstoffe optimal für das Wachstum der eiweißreichen Larven genutzt werden können“, erklärt Dr. Gürbüz Daş. Aber auch die Klimafreundlichkeit der verschiedenen Reststoffkombinationen wird in den Respirationskammern für die schwarze Soldatenfliegen am FBN überprüft. „Je nach Zusammensetzung des Futters werden unterschiedliche Mengen klimarelevanter Gase freigesetzt“, führt Dr. Manfred Mielenz aus. Die Ergebnisse der Versuche werden dann in der neuen Insektenanlage im „BFZR“ umgesetzt, wobei die Forschenden aus dem FBN beratend zur Seite stehen.

Bis 2024 soll der Modellstandort auf Rügen etabliert sein. Dort wird auch über die Produktion hochwertiger Kosmetika nachgedacht – das Öl der Schwarzen Soldatenfliegenlarve ist dem von Palmkernöl und Kokosöl sehr ähnlich aber wesentlich klimafreundlicher. Eine echte Alleskönnerin eben.

Quelle: FBN Dummerstorf

Ministerin Heinen-Esser stellt Gesetzentwurf zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung im Bundesrat vor

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Ursula Heinen-Esser: Wenn wir den Transformationsprozess hin zu einer tierwohlgerechten Nutztierhaltung unterstützen und begleiten wollen, müssen wir jetzt die erforderlichen Weichen stellen.

Zur Förderung des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung bringt Nordrhein-Westfalen an diesem Freitag (11. Februar 2022) den Entwurf für ein neues Bundesgesetz in den Bundesrat ein. „Wenn wir den Transformationsprozess unterstützen und begleiten wollen, müssen wir jetzt die erforderlichen Weichen stellen. Nur mit der notwendigen Planungssicherheit für die tierhaltenden Betriebe wird die große gesellschaftliche Herausforderung, das Tierwohl zu verbessern, zu erreichen sein. Genehmigungsrechtliche Hürden bremsen derzeit die Neuausrichtung“, sagt Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser im Vorfeld der Plenarsitzung des Bundesrates.

Das Gesetz ist Teil der nordrhein-westfälischen Offensive zur Stärkung und Unterstützung einer nachhaltigen Nutztierhaltung. Es besteht eine große Bereitschaft in den Betrieben, sich auf höhere Umwelt- und Tierschutzanforderungen, etwa durch Außenklimareize oder Auslauf, einzustellen. Hierzu sind in vielen Fällen Um- oder Neubauten erforderlich, denen oftmals bestehende rechtliche Rahmenbedingungen im Wege stehen. Mit dem eigebrachten Tierwohl-Artikelgesetz sollen Stallumbauten erleichtert, Regelungslücken geschlossen oder baurechtliche Hürden abgebaut werden.

„Die Betriebe stehen in den Startlöchern, ihr Engagement wird heute oftmals noch durch Vorgaben ausgebremst. Dies müssen wir vereinfachen und Landwirtinnen und Landwirte in die Lage versetzen, den Umbau zu mehr Tierwohl einfacher zu realisieren. Mit der Bundesratsinitiative wollen wir die Stallbaubremse lösen und genehmigungsrechtlich Türen öffnen, damit die tierwohlgerechte Umstellung unserer Nutztierhaltung in der Fläche vorankommt“, erklärt Heinen-Esser.

Zugleich fordert Heinen-Esser den Bund auf, die Länder weiterhin zu unterstützen und den Weg einer nachhaltigen Nutztierhaltung aktiv voranzutreiben: „Im Rahmen der „Borchert-Kommission“ wurden in der vergangenen Legislaturperiode wegweisende Ergebnisse zum Umbau der Nutztierhaltung erzielt, deren Maßnahmen nunmehr rasch umzusetzen sind. Der Bund muss die vom Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung vorgeschlagenen Maßnahmen jetzt umsetzen, um den tierhaltenden Betrieben Zukunftsperspektiven und die notwendige Planungssicherheit zu geben.

Nordrhein-Westfalen hat den Weg hin zu einer nachhaltigen Nutztierhaltung in verschiedenen Praxistests unter Beteiligung von Wirtschaft, Verbänden und Behörden aufgearbeitet. Dabei wurden Herausforderungen und Spannungsfelder, etwa zwischen den Zielen des Umwelt- und des Tierschutzes, identifiziert. Aufgabe ist es, diese Schutzgüter angemessen miteinander abzuwägen. Mit dem Gesetz zur Beförderung des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sollen, rein formalrechtlich, „Tierwohlbegünstigungsklauseln“ in verschiedenen Fachgesetzen geschaffen werden.

Das Tierwohl-Artikelgesetz besteht aus drei Paketen:
• Ein eigenständiges Tierwohlgesetz legt fest, was unter dem Tierwohl-Begriff zu verstehen ist. Es enthält außerdem eine umfassende Verordnungs-Ermächtigung für tierartspezifische Konkretisierungen, damit der Begriff rechtsübergreifend klargestellt und einheitlich ausgelegt wird.
• Im Naturschutzrecht ist vorgesehen, bei behördlichen Ermessensentscheidungen ein stärkeres Gewicht auf das Tierwohl zu legen.
• Im Baurecht wird eine Öffnungsklausel für Tierwohlställe geschaffen. Außerdem verlieren Altställe, die mindestens sieben Jahre nicht zur Tierhaltung genutzt wurden, qua Gesetz ihre Betriebserlaubnis. Damit können diese Betriebe aus der behördlich zu ermittelnden immissionsschutzrechtlichen Vorlastberechnung gestrichen werden. Dies schafft wichtiges Entwicklungspotenzial für die Tierhalter.

Heinen-Esser: „Dieses Gesetz ist ein zentraler Baustein für den Transformationsprozess, vor dem die Tierhaltungsbetriebe stehen. Es soll Planungssicherheit für Tierhaltungsbetriebe, gleichzeitig aber auch Rechtssicherheit für die Genehmigungsbehörden schaffen. Auch die Gesellschaft will mehr Tierwohl und eine regionale Landwirtschaft. Dafür müssen wir auch rechtlich die Voraussetzungen schaffen. Alle anderen Rahmenbedingungen, vor allem hinsichtlich der Finanzierung, würden ins Leere laufen, wenn wir die Betriebe nicht in die Lage versetzen, notwendige Baumaßnahmen vornehmen zu können.“

Nordrhein-Westfalen setzt sich im Rahmen seiner nachhaltigen Nutztierhaltungsstrategie dafür ein, dass Betriebe, die besonders umwelt- und tiergerechte Haltungsverfahren umsetzen, langfristige Perspektiven für Investitionen erhalten. Faire Preise und die Einführung eines staatlichen Tierwohlkennzeichens sind entscheidende Grundlagen, damit Verbraucher sich bewusst und verantwortungsbewusst entscheiden können. Im vergangenen Jahr startete in mehreren Kommunen die neue Tiergesundheitsdatenbank des Landes.

Weitere Informationen

Quelle: Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

Aus der Forschung: Milchsäurebakterien in der Putenaufzucht

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Von Dr. Heike Engels

Kürzlich stellte Christoph Tigges an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest am Fachbereich Agrarwirtschaft seine Bachelorarbeit mit dem Thema „Möglicher Einfluss von Kompetitivbakterien (Kanne Bio Brottrunk®) in der Putenaufzucht/-mast auf das Keimniveau und die biologischen Leistungen“ fertig. Ziel seiner Bachelorarbeit war es, auf einem Versuchsbetrieb zu testen, wie Kanne Bio Brottrunk® auf die Keime in der Umgebung und die Tiere selbst wirkt.

Die Einhaltung von hygienischen Grundsätzen ist dabei gerade in der Putenhaltung ein sehr wichtiges Instrument, um gesunde Puten zu halten. Für den landwirtschaftlichen Betrieb sind die biologischen Leistungen wichtig für den ökonomischen Erfolg. Dieser hängt jedoch explizit mit dem Keimniveau und der Gabe von Antibiotika zusammen, weshalb diese Punkte Gegenstand der Untersuchung waren.

Der praktische Teil zu dieser Bachelorarbeit fand auf einem Putenaufzucht- und mastbetrieb
im Kreis Soest statt. Die 6.900 Puten werden nach Geschlecht getrennt in zwei nebeneinanderstehenden Ställen gehalten. Es handelt sich bei den Puten um die Rasse Kartzfehn Premium BUT 6 Hähne und Hennen. Der Betrieb arbeitet mit einem 18-Wochen-Rhythmus, das bedeutet, dass alle 18 Wochen im Aufzuchtstall neue Küken eingestallt werden. Im unmittelbaren Umkreis von drei Kilometern befinden sich zwei weitere Putenmastbetriebe.

Probiotika statt Antibiotika
Der Versuchsbetrieb ermittelte aus langjährigen Daten, dass in bestimmten Lebenswochen Antibiotikagaben notwendig sind. Um diesen Einsatz von Antibiotika und das generelle Keimniveau im Bereich der Aufzucht von Truthähnen und Puten jedoch zu reduzieren sowie die biologischen Leistungen zu verbessern, können sich auch Probiotika eignen. Diese etablieren sich im Magen-Darm-Trakt, stabilisieren damit das Geflügel und machen es widerstandsfähiger gegen krankmachende Mikroorganismen. Den größten Einfluss bewirken Probiotika darin, dass sie ein Gleichgewicht in der Darmflora bilden, ohne untereinander einen Selektionsvorteil erreichen zu wollen. In der vorliegenden Arbeit wurde zu bestimmten im Leben der Küken als kritisch zu sehenden Zeitpunkten Kanne Bio Brottrunk® verabreicht. Warum nun gerade das Produkt von Kanne Brottrunk? Der Kanne Bio Brottrunk® wird in einem speziellen Verfahren aus fermentiertem Bio-Vollkornbrot hergestellt. Während des aufwendigen Herstellungsverfahrens werden die Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau in mehreren Prozessschritten aufgeschlossen und wertvolle Inhaltsstoffe gebildet. Es ist ein milchsäurehaltiges Einzelfuttermittel mit dem pH-Wert von ca. 3, bestehend aus Quellwasser, Roggenvollkornmehl, Weizenvollkornmehl, Hafervollkornmehl und Salz. Des Weiteren enthält es Vitamine, Mineralstoffe und Laktobazillen. Es gilt als Probiotikum.

Häufiges Versprühen von Kanne Bio Brottrunk®
Zum Anfang wurde der Kanne Bio Brottrunk® über eine Gloria Spritze auf Futter, Hobelspäne und die Tiere versprüht. Im späteren Mastverlauf wurde das Mittel über die Wasserleitung verabreicht. Am Tag der Kükenanlieferung wurden die einzelnen Ringe mit 10 ml/m2 Kanne Bio Brottrunk® besprüht, am 2. und 3. Lebenstag ebenso. Dann wurde das Mittel erst kurz vor dem Ausringen verwendet. Hierzu wurden die frischen Hobelspänen zwischen den Ringen wieder mit 10 ml/m2 besprüht. In den folgenden Wochen bis zur Umstallung wurde jeweils zweimal die Woche 5 ml/m2 Kanne Bio Brottrunk® auf die gesamte Stallfläche versprüht. Gleichzeitig wurde das Mittel ab der 3. Lebenswoche zusätzlich über die Wasserleitung angeboten.

Die unterschiedlichen Keimniveaus wurden zu den kritischen Zeitpunkten während der Putenaufzucht und -mast mittels Wasser-, Futter-, Einstreu- und Oberflächenproben sowie Proben aus der Luft ermittelt. Probennahmetermine:


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In der Schweinehaltung droht Zusammenbruch der Strukturen

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WLV-Präsident Beringmeier: „Politik und LEH sind gefordert!“

Die deutsche Schweinehaltung steckt in einer nie dagewesenen Krise. Angesichts hoher Futterkosten, desaströser Erzeugererlöse und fehlender Absatzmöglichkeiten im Bereich Schweinefleisch sind viele Betriebe in eine extreme wirtschaftliche Notlage geraten. Vor diesem Hintergrund veranstaltete der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) am Freitag einen digitalen Krisengipfel mit annähernd 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Treffen endete mit eindeutigen Forderungen an die Adresse von Politik und Lebensmitteleinzelhandel.

Hubertus Beringmeier, Präsident des WLV und Sprecher für den Bereich der Schweinehaltung im Deutschen Bauernverband, fand in seiner Analyse klare Worte: „Durch die Folgen der Corona-Pandemie, z. B. die vielen ausgefallenen Volksfeste, ist unser inländischer Absatz in weiten Teilen weggebrochen. In Kombination mit extrem hohen Futterkosten stehen wir vor einer dramatischen Situation, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht hatten. Es droht ein flächendeckender Zusammenbruch der Strukturen – sowohl in der Landwirtschaft, als auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen. Wir fordern die Bundesregierung auf, unseren Tierhaltern weiterhin den Zugang zu Corona-Hilfen zu ermöglichen, wie er auch anderen Wirtschaftsbereichen gewährt wird. Außerdem brauchen wir umgehend Klarheit, wie der angestrebte Umbau der deutschen Tierhaltung finanziert werden soll. Der Worte sind genug gewechselt. Was es braucht, sind Taten und zwar jetzt! Die hierzu erarbeiteten Vorschläge des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung liegen schon lange auf dem Tisch.“

Carsten Spieker, Sprecher des Arbeitskreises Ferkelerzeugung im WLV, sieht neben der Politik auch den Lebensmitteleinzelhandel, die Großverbraucher und die Gastronomie in der Pflicht: „Diese Akteure legen angeblich großen Wert auf regionale Erzeugnisse. Wenn dies tatsächlich ernst gemeint ist, dann haben sie jetzt die Gelegenheit, gemeinsam mit uns zeitnah Preismodelle zu entwickeln und in den Markt einzuführen, die unseren Schweinehaltern angemessene Erzeugerpreise ermöglichen.“

Quelle: Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V.

Virtuelle Stallbesichtigungen machen Schweinehaltung transparent: Göttinger Team untersucht Einsatz von VR und Tablets

Viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehr Tierwohl und Transparenz in der Nutztierhaltung. In den vergangenen Jahren hat die Landwirtschaft zunehmend versucht, zum Beispiel durch Hofführungen transparenter zu werden. Auch wenn Stallbesichtigungen in der Bevölkerung gut ankommen, sind sie für die breite Masse aus Hygiene- oder Erreichbarkeitsgründen kaum realisierbar und stoßen in der Praxis schnell an ihre Grenzen. Als innovativen Lösungsansatz haben Forscherinnen der Universität Göttingen nun erstmals die Wirkung und das Potenzial virtueller Stallbesichtigungen untersucht. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PLOS ONE erschienen.

Ein Team der Abteilung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte hat für ihre qualitative Studie 17 Studierende ohne landwirtschaftlichen Hintergrund rekrutiert. Nachdem sie einen kurzen Fragebogen beantwortet haben, sahen die Teilnehmenden ein 360-Grad-Video von einem konventionellen Mastschweinestall über ein Tablet und eine VR-Brille und berichteten anschließend in einem Interview über ihre Erfahrungen.

Die Testpersonen nahmen den Stall mit Blick auf das Tierwohl eher negativ wahr. Die Wahrnehmung hing sowohl von der Aufnahmeperspektive als auch vom Mediengerät ab. Allerdings hatten sich die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Haltungsbedingungen im Vorfeld noch schlechter vorgestellt. Dennoch bewerteten sie die Möglichkeit einer virtuellen Schweinestallbesichtigung insgesamt als sehr positiv. Sie sahen darin ein geeignetes Instrument, um die Transparenz zu verbessern und Informationen über Haltungsbedingungen zu vermitteln. Besonders schätzten sie die einfache und unterhaltsame Informationsaufnahme über beide Mediengeräte. Vor allem die VR-Brillen vermittelten einen sehr realitätsnahen Eindruck und wurden als besonders unterhaltsam empfunden, während die Vorzüge des Tablets in der einfacheren Handhabung gesehen wurden.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es sich lohnt, das Potenzial solch innovativer Technologien zu nutzen und weiter zu untersuchen. Vor allem für den Einsatz am Einkaufsort könnten virtuelle Stallbesichtigung ein sinnvolles Instrument darstellen, um zum Beispiel verständlich zu kommunizieren, was hinter verschiedenen Haltungsformen steckt“, sagt Aurelia Schütz, Erstautorin der Studie. Da in der Studie jedoch zusätzliche Erläuterungen zum Stall vermisst wurden, sollten virtuellen Stalltouren durch erklärende Informationen ergänzt werden.

Quelle: Georg-August-Universität Göttingen