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Planwirtschaft statt ökologisch-soziale Markwirtschaft

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Kritische Auseinandersetzung mit den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung

Gastbeitrag von
Prof. Dr. Albert Sundrum, Ökologische Agrarwissenschaften, Universität Kassel

Zusammenfassung
Im Auftrag der Bundeslandwirtschaftsministerin Frau Klöckner hat sich im April letzten Jahres eine Kommission aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen konstituiert, um ein Konzept zur Weiterentwicklung der deutschen Nutztierhaltung zu erarbeiten. Die nunmehr vorliegenden Vorschläge des Kompetenznetzwerkes sind geleitet von dem Versuch, die Kluft zwischen der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe auf den globalen Märkten und gesellschaftlichen Anforderungen an die Nutztierhaltung vor Ort zu überbrücken. Der Spagat zwischen den ökonomischen und gesellschaftlichen Anforderungen, der die Existenzfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe bedroht, soll mit dem Geld der Bundesbürger abgefedert werden. Allerdings fällt die Antwort auf die Kernfrage, was denn die Bundesbürger für das viele Geld, das hier transferiert werden soll, bekommen werden, und welche Vorteile sich für die Nutztiere ergeben, fällt sehr ernüchternd aus.

Das Papier der Kommission enthält weder eine sachgerechte Problemanalyse noch Vorschläge, wie mit den diversen Interessenskonflikten, welche für die Probleme ursächlich sind, künftig umgegangen werden soll. Während der Wettbewerb nur auf der internationalen Ebene verortet wird, werden die unfairen Wettbewerbspraktiken auf der nationalen Ebene komplett ausgeblendet. Anstatt wie in einer Planwirtschaft noch mehr Geld mit der Gießkanne über die Betriebe zu verteilen, sollte es an den Nachweis tierschutzrelevanter Leistungen der einzelnen Betriebe geknüpft werden. Gleichzeitig ließe sich ein Wettbewerb zwischen den Betrieben auf nationaler Ebene etablieren, welche den Betrieben mit den effizientesten Strategien zur Erbringung von Tierschutzleistungen zum Vorteil gereichen. In gleicher Weise sollte über eine Internalisierung externer Effekte mit gemeinwohl-orientierten Umweltschutzleistungen verfahren werden. Entgegen der allgemeinen Verbraucherwahrnehmung sind erhöhte Haltungsstandards aus wissenschaftlicher Perspektive für die Realisierung verbesserter Tierschutzleistungen von untergeordneter Bedeutung. Relevant sind dagegen in erster Linie die mit Schmerzen, Leiden und Schäden einhergehenden Produktionskrankheiten. Statt über die Etablierung fairer Wettbewerbsbedingungen die Möglichkeiten des Marktes zu nutzen, enthält das Papier lediglich einen Masterplan zur Generierung zusätzlicher Finanzmittel für die Nutztierhalter, damit diese – wenn auch unter veränderten Haltungsbedingungen – im Wesentlichen so weiter machen können wie bisher. Damit gleichen die Empfehlungen den Vorschlägen für die Fassadenerneuerung eines baufälligen Wirtschaftsgebäudes.

Einleitung
Die seit vielen Jahren anhaltende Kritik an den Zuständen in der Nutztierhaltung in Deutschland hat dem Image der Agrarbranche und der allgemeinen Akzeptanz von Seiten weiter Bevölkerungskreise erheblich geschadet. Die Kritik zeigt ihre Wirkung nicht nur in Form eines Rückgangs der Verzehrsmengen an tierischen Produkten in Deutschland, sondern auch in der Gegenreaktion der Landwirte, welche die Kritik als überzogen zurückweisen und ihrerseits mit Nachdruck eine höhere Wertschätzung ihrer Arbeit einfordern. Das von der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eingerichtete Kompetenznetzwerk hat nun Empfehlungen vorgelegt, wie aus ihrer Sicht die Gesamtproblematik entschärft werden könnte. Danach bestehen die großen Herausforderungen der Nutztierhaltung in Deutschland vor allem in der regionalen Verdichtung, dem Ressourcenanspruch sowie den Treibhausgasemissionen einer Ernährung mit einem hohen Anteil tierischer Produkte, sowie in einer veränderten Einstellung der Gesellschaft und die damit verbundene Kritik an den Bedingungen der intensiven Nutztierhaltung vor allem in Bezug auf die Haltungsverfahren wie auch die Züchtung.

Unsachgerechte Problembeschreibung
Vielen Bundesbürgern kann das Interesse an einer nachhaltigen Lösung von Problemen in der Landwirtschaft unterstellt werden. Sie fühlen sich nicht nur von einer unzureichenden Produktqualität betroffen, sondern fordern zu Recht einen verbesserten Schutz der Lebensräume wildlebender Tiere, des Klimas und der Nutztiere vor negativen Beeinträchtigungen und Schadwirkungen.

Für die Mitglieder des Kompetenznetzwerkes stand jedoch eine andere Aufgabe im Fokus: „Die Nutztierhaltung in Deutschland muss in die Lage versetzt werden, den fachlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an den Tier- und Umweltschutz zu entsprechen und trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür ist insbesondere ein starker Ausbau der zielorientierten staatlichen Förderpolitik erforderlich, denn Tierschutz kostet Geld.“ Angesichts der unterschiedlichen Perspektiven und daraus abgeleiteten Priorisierungen stellt sich die Kernfrage, ob und inwieweit die Vorschläge der Kommission geeignet sind, einen Interessensausgleich zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen herbeizuführen? Die klare Antwort lautet: nein!

Unstrittig ist, dass eine über Jahrzehnte staatlicherseits beförderte bzw. nicht verhinderte „starke regionale Verdichtung“ maßgeblich zu einer von der Nutztierhaltung ausgehenden Verschärfung der Umweltproblematik beigetragen hat. Allerdings können die daraus erwachsenen Probleme nur eingedämmt werden, wenn auch die Ursachen der regionalen Verdichtung in den Fokus genommen und einer Lösung zugeführt werden. Die Verdichtung ist Folge von Vorteilen im Wettbewerb, welche sich für die Landwirte in den viehstarken Regionen aus diversen Gründen ergeben haben. Die Vorteile konnten sich jedoch nur deshalb entfalten, weil gleichzeitig die negativen Folgewirkungen der Konzentrationsprozesse externalisiert wurden. Als externe Effekte werden in der Volkswirtschaftslehre die unkompensierten Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf Unbeteiligte bezeichnet, also negative Auswirkungen, für die niemand aufkommt und die nicht in den Produktionskosten eingepreist werden. Sie werden daher nicht in das Entscheidungskalkül der Verursacher einbezogen. Anstatt jedoch das Verursacherprinzip, das für die Durchsetzung der staatlichen Umweltpolitik in Deutschland gesetzlich verankert ist, auch in der Landwirtschaft anzuwenden, sollen Bürger und Verbraucher nun für die Eindämmung negativer Folgewirkungen bezahlen, und zwar ohne dass sich an den Produktionsprozessen, welche diese hervorbringen, etwas Grundlegendes ändert. Um die weiter anhaltenden Fehlentwicklungen zu korrigieren, müsste die Internalisierung der externen Effekte zum vorrangigen Ziel politischer Maßnahmen erklärt werden. Davon ist in den Empfehlungen jedoch keine Rede.

Die pauschal geäußerte Annahme, dass mit der Nutztierhaltung per se ein Problem des Ressourcenverbrauches und der Treibhausgasemissionen einhergeht, ist so nicht haltbar. Landwirtschaftliche Betriebe weisen diesbezüglich sehr große Unterschiede auf. Ein hoher Ressourcenverbrauch und ein hohes Emissionspotential liegen vor allem dort vor, wo die Ressourcennutzung in den vor- und nachgelagerten Bereichen teils aufgrund von Flächenknappheit teils aus fehlenden oder gegenläufigen Anreizen nicht effizient organisiert ist. Gleiches gilt, wenn die Nährstoffe in den tierischen Exkrementen nicht durch gezielte Allokations-, Rezyklierungs- und Bindungsprozesse in die innerbetrieblichen Stoffkreisläufen integriert und an der Emission in die Umwelt gehindert werden. Die Organisation einer effizienten Nutzung betrieblicher Ressourcen und die Verringerung von Emissionen bedingt Mehraufwendungen und erhöht die Produktionskosten. Ohne einen monetären Ausgleich resultiert daraus ein eklatanter Wettbewerbsnachteil gegenüber jenen, die ihr Geschäftsmodel auf das Streben nach Kostenführerschaft durch die Externalisierung negativer Effekte ausgerichtet haben. Auch davon ist im Papier der Kommission keine Rede.

Gemäß des Kommissionspapiers ist die Kritik an der Nutztierhaltung vor allem gegen die platz- und damit kostensparenden Haltungsbedingungen gerichtet. Die Tatsache, dass sich Bilder von desaströsen Haltungsbedingungen besonders in den Köpfen der Bevölkerung einprägen und die öffentliche Debatte dominieren, macht dies nachvollziehbar. Bedeutsamer für die fachliche Bewertung ist jedoch, dass die negativen Folgewirkungen nicht unmittelbar sicht- und nachvollziehbar sind. Dies mag einer der Gründe dafür sein, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung so wenig präsent sind. Nutztiere haben nicht nur offensichtliche Probleme damit, dass sie sich nur eingeschränkt bewegen und ihr Verhaltensrepertoire nicht voll ausleben können. Vor allem aber leiden sich an den Erkrankungen, die mit Schmerzen, Leiden und Schäden einher gehen, die jedoch den Verbrauchern verborgen bleiben. Die hohen Raten von Produktionskrankheiten in den Nutztierbeständen sind in deutlich höherem Maße tierschutzrelevant als unzureichende Haltungsbedingungen. So wie verlorene Schlüssel nicht zwingend im Lichtkegel einer vorhandenen Laterne liegen, so werden die Probleme nicht dadurch gelöst, dass man nur die Bereiche adressiert, die sich über Bilder in der öffentlichen Wahrnehmung eingeprägt haben. Der Großteil der negativen Folgewirkungen der dominierenden Kostensenkungsstrategie in der Nutztierhaltung spielt sich nicht in sichtbaren Bereichen ab. Entsprechend erschließen sich die komplexen und auf der einzelbetrieblichen Ebene in sehr unterschiedlichem Ausmaß wirkmächtigen Zusammenhänge nicht durch simplifizierende, auf Teilaspekte reduzierende Ansätze.

Die Beschreibung der Ausgangslage entspricht nicht den Anforderungen, die an eine fundierte Analyse der heutigen Problemlage gestellt werden müssen. Um Probleme lösen zu können, müssen diese hinsichtlich der betrieblichen und überbetrieblichen Hintergründe für ihre Entstehung und ihres jeweiligen Ausmaßes angeschaut und ihr Vorhandensein akzeptiert statt negiert werden. Die Probleme im Zusammenhang mit der Nutztierhaltung entstehen im Kontext der jeweiligen gesamtbetrieblichen Situation. Entsprechend fallen sie einzelbetrieblich sehr unterschiedlich aus. Folgerichtig müssen sie im jeweiligen Betriebssystem einer Lösung in Form eines Abgleiches zwischen den berechtigten ökonomischen Interessen der Landwirte und den gemeinwohl-orientierten Interessen bezüglich Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz zugeführt werden.

Ausblenden der Zielkonflikte
Das Streben nach Kostenführerschaft stellt den maßgeblichen Treiber für die Entscheidungen im Betriebsmanagement dar. Solange die konventionellen Betriebe dem Preisverfall auf den globalen Märkten ausgesetzt sind, können sie nicht umsteuern. Die Zahlen zu den Betriebsaufgaben in den zurückliegenden Jahrzehnten zeigen deutlich, dass die Mehrzahl der Betriebe bei dem Versuch, die wirtschaftliche Existenzfähigkeit im globalen Wettbewerb zu behaupten, gescheitert ist. Dies hält jedoch die Allianz aus Agrarpolitik, -wirtschaft, -lobby und -ökonomie nicht davon ab, weiter fest an diese Strategie zu glauben. Entsprechend ist man nicht bereit, überhaupt darüber nachzudenken oder gar zu debattieren, ob nicht der wirtschaftliche Druck auf die Senkung der Produktionskosten und die damit einhergehende Verknappung an Ressourcen in Form von Kapital, Arbeitszeit und Know how, die für die Eindämmung von unerwünschten Nebenwirkungen erforderlich sind, als die primäre Ursache für die Externalisierung unerwünschter Folgewirkungen anzusehen sind.

Landwirte müssen sehr viele unterschiedliche und gegenläufige Anforderungen gleichzeitig in den Griff bekommen. Dies gelingt ihnen in recht unterschiedlichem Maße. Vor allem gelingt dies nicht durch den Fokus auf Haltungsbedingungen, technische Entwicklungen oder Zucht bei gleichzeitigem Bestreben, die Produktionskosten zu senken und / oder die Leistung zu steigern. Solange sich am Streben nach Kostenführerschaft nichts ändert und solange die Externalisierung von unerwünschten Nebenwirkungen den Betrieben einen Wettbewerbsvorteil verschafft, ändert sich auch nichts an den bestehenden Zielkonflikten. Auch die geplanten Transferleistungen für die Finanzierung verbesserter Haltungsbedingungen ändern nichts daran. Verbesserte Haltungsbedingungen lösen nicht die Probleme, die aufgrund fehlender qualitativer Zielvorgaben fortdauern. Am deutlichsten zeigt dies der großangelegte Feldversuch der ökologischen Landwirtschaft. Die deutlich erhöhten Mindestanforderungen bezüglich der Haltungsbedingungen und auch die höheren Marktpreise haben nichts Grundlegendes daran geändert, dass die Betriebe um Kostenminimierung bemüht sind, und dass diese Bemühungen auf Kosten der Realisierung hoher Tierschutzleistungen gehen. Die ökologische Landwirtschaft ist bislang den Nachweis schuldig geblieben, dass mit verbesserten Haltungsbedingungen Verbesserungen bei den tierschutzrelevanten Produktionskrankheiten erzielt wurden. Die Ergebnisse umfassender wissenschaftlicher Studien, die hierzu sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene durchgeführt und auch vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert wurden, passen nicht ins Bild und werden wohl deshalb weitgehend ignoriert.

Das ungebrochene Streben nach Kostenführerschaft ist die maßgebliche Ursache für die negativen Folgewirkungen der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Es geht zum Vorteil weniger, aber zu Lasten vieler, einschließlich der Landwirte selbst. Es wäre erforderlich, nicht nur die Produktionsleistungen, sondern auch die Folgewirkungen in Form von Produktionskrankheiten und Nähstoffausträgen in die Umwelt einzelbetrieblich zu quantifizieren. Nur so können Landwirte, welche ein hohes Maß an qualitativen Leistungen für das Gemeinwohl erbringen, sowohl durch Zahlungen aus öffentlichen Mitteln als auch über die Instrumente des Marktes honoriert werden. Gleichzeitig eröffnet nur dies die Möglichkeit, diejenigen, welche durch ihr Geschäftsmodell den Interessen des Gemeinwohles schaden, künftig daran zu hindern. Dies schließt keineswegs aus, dass der Staat auch den landwirtschaftlichen Betrieben hilft, die erhebliche Probleme bei der Erzeugung hoher Umwelt- und Tierschutzleistungen haben.

Festgefahrende Denkmuster
Die Empfehlung, sich bei der „Entwicklung von Zielbildern an den 3 Stufen der geplanten Tierwohlkennzeichnung des BMEL bzw. an den Stufen 2 bis 4 der Haltungsform-Kennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels zu orientieren“, offenbart die gedankliche Engführung. Hier wird mit wissenschaftlicher Unterstützung weiter so getan, als ob die Haltungsform eine belastbare Aussage über die damit einhergehenden Tierschutzleistungen ermöglichen würde. Haltungsstandards repräsentieren die Simplifizierung komplexer Sachverhalte in kommunizierbare Denkkategorien. Was bei technischen Geräten durchaus Sinn macht, verbietet sich bei der Unüberschaubarkeit und der Unvorhersagbarkeit komplexer biologischer Prozesse, auf denen die Haltung von Nutztieren und die Erzeugung tierischer Produkte basiert. Standards werden von einigen wenigen, leicht zugänglichen Indikatoren abgeleitet. Diese weisen lediglich auf Teilaspekte hin, ohne dass damit eine belastbare Aussage über die Gesamtwirkung der Einflussfaktoren, d.h. über das Niveau an Produkt- bzw. Prozessqualitäten abgeleitet werden kann.

Maßgeblich für die Anliegen des Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzes sind nicht die unmittelbar ersichtlichen Teilaspekte, welche in handliche Begriffskategorien wie Haltungsformen eingestuft werden können. Die Wirkungen der Nutztierhaltung auf Güter des Gemeinwohles und deren Ausmaße können nur am Ende von Prozessketten durch fortlaufende Erhebungen und Bilanzierungen festgestellt werden. Zwar wird von den Autoren des Berichtes eingestanden, dass „die Einhaltung von vorgeschriebenen Maßen und Ausgestaltungen der Haltungsanlagen nicht automatisch ein ausreichendes Tierwohl sicherstellt“. Sie schlagen deshalb vor, dass „Tierwohl- und Tiergesundheitsindikatoren Teil der Zielbilddefinition und der Definition der Tierwohlstufen sein“ sollten. Deren Umsetzung verschieben sie jedoch auf unbestimmte Zeit. Offensichtlich gibt es erhebliche Widerstände von Seiten der Agrarlobby, sich dem wahren Ausmaß der Produktionskrankheiten zuzuwenden. Zudem liegt ein Denkfehler vor, wenn von ausgewählten „Tierwohlindikatoren“ erwartet wird, dass damit „der Status des Tierwohls“ valide beurteilt werden kann. Indikatoren sind lediglich Hinweisgeber. Sie erfüllen weder die wissenschaftlichen Kriterien der Objektivität und der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse; noch weisen sie einen hinreichenden Erklärungsgehalt hinsichtlich der Bedeutung der Merkmalsausprägung für die einzelnen Tiere und für den Schutz der Tiere vor Beeinträchtigungen im spezifischen Kontext eines Betriebes auf. Folgerichtig sind Indikatoren auch nicht justiziabel, um daran die Zuwendung oder die Ablehnung finanzieller Mittel oder behördliche Anweisungen zur Beseitigung von Missständen zu knüpfen. Hierzu bedarf es anderer, durchaus verfügbarer Differenzierungsvariablen, mit denen die einzelbetrieblichen Leistungen erfasst und die Betriebe untereinander rangiert werden können. Beispiele aus dem Ausland zeigen, wie dies justiziabel abgesichert und leicht operationalisiert werden kann. Auch in Deutschland wird diese Vorgehensweise bereits erfolgreich praktiziert. So schreibt sich das Bundeslandwirtschaftsministerium gern die Erfolge bei der Senkung der Verbrauchsmengen an Antibiotika in der Schweinehaltung auf die eigenen Fahnen. Erreicht wurde dieser Teilerfolg dadurch, dass die Betriebe seit einer gegen den expliziten Willen der Agrarlobby vorgenommenen Novellierung des Arzneimittelgesetzes die Einsatzmengen an Antibiotika angeben müssen. Anhand dieser Angaben können die Betriebe rangiert und diejenigen mit den höchsten Verbrauchsmengen in Relation zu den Produktionsmengen identifiziert und reguliert werden.

Anstatt Haltungsformen zu Zielbildern des Tierschutzes hochzustilisieren, sollte als ein Zielbild für die höchste Qualitätsstufe die nachweisliche Freiheit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Nutztiere zum Zeitpunkt der Produktwerdung etabliert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Landwirte den Tieren sowohl hinreichende Ressourcen in Form von Nährstoffen und von Bewegungsräumen anbieten als auch hygienische und verhaltensrelevante Maßnahmen treffen, welche die Tiere vor Beeinträchtigungen schützen, die mit Schmerzen, Leiden und Schäden einhergehen. Daraus folgt auch, dass Produkte aus der ökologischen Nutztierhaltung nur dann die höchste Qualitätsstufe beanspruchen können, wenn die produktliefernden Betriebe eine gegenüber dem Durchschnitt deutlich geringere Prävalenz an Mortalitäts- und Merzungsraten sowie Produktionskrankheiten und Verhaltensstörungen nachweisen können.

Ohne dass die Hintergründe für die Entstehung der gemeinwohlrelevanten Probleme analysiert, reflektiert und abgestellt werden, und ohne dass Erfolgskontrollen hinsichtlich der Problemlösungen implementiert werden, bleiben diese bestehen. Transferleistungen ohne eine Verifizierung des Erfolges von Maßnahmen sind kontraproduktiv. Eine effiziente Verringerung der überbetrieblichen Problemlage ist am ehesten dadurch zu erreichen, dass man sich vorrangig den Betrieben zuwendet, von denen die größten Probleme zu Lasten der Gemeinwohlinteressen ausgehen. Dies beinhaltet nichts weniger als die Anwendung des Verursacherprinzips in der Landwirtschaft. Zu den Prinzipien der Umweltpolitik in Deutschland wird ausgeführt: „Der entscheidende ökonomische Grund für die Verfolgung des Verursacherprinzips ist die Erhöhung der volkswirtschaftlichen Effizienz, d.h. der gesamtwirtschaftlich sparsame Einsatz der Ressourcen.“ Dies gilt in analoger Weise auf für die Unterstützung derjenigen Verbraucher, welche aufgrund eines unzureichenden Einkommens, Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln für einen verbesserten Zugang zu Lebensmitteln erhalten sollten. Dies macht volkswirtschaftlich deutlich mehr Sinn, als die Lebensmittelpreise auch für die Wohlhabenden in diesem Land durch ein Überangebot auf ein Niedrigpreisniveau zu drücken, dadurch die Wertschätzung der Lebensmittel zu senken, die Wegwerfmentalität von Lebensmitteln zu erhöhen, das Qualitätsniveau hinsichtlich Produkt- und Prozessqualitäten nach unten zu nivellieren und die landwirtschaftlichen Betriebe zu einer verstärkten Externalisierung der negativen Folgewirkungen von Produktionsprozessen zu treiben.

Marktwirtschaft und Landwirtschaft
Bei der Marktwirtschaft geht es im Kern um nichts anderes, als um die effiziente Verteilung von Ressourcen und die Vermeidung von Verschwendung. Gemäß der Theorie wird im marktwirtschaftlichen Wettbewerb der Anbieter gewinnen, der die Kundenwünsche nicht nur treffend vorhersieht, sondern sie auch preisgünstig erfüllen kann. Unstrittig ist, dass das marktwirtschaftliche System in der Landwirtschaft bezogen auf das Angebot preisgünstiger Rohwaren ausgezeichnet funktioniert. Der Wettbewerb um die Kostenführerschaft hat dazu geführt, dass die Marktpreise in Relation zum Einkommen der Bürger nie niedriger waren als heute. Gemäß der Theorie haben die Gewinner des Wettbewerbs diejenigen Waren im Sortiment, die sich die Kunden wünschen. Gleichzeitig benötigen sie zur Herstellung dieser Waren weniger Ressourcen, wodurch sie die Produktionskosten senken können. Die Theorie besagt auch, dass man in der Marktwirtschaft nur dauerhaft erfolgreich bleibt, wenn man sein Angebot ständig an die sich verändernden Bedingungen anpasst, also fortlaufend auf veränderte Kundenwünsche, Produktionsmöglichkeiten und Ressourcenknappheiten reagiert.

Nun, da sich die Wünsche der Kunden und die Bedingungen der Produktion gleichzeitig verändern, haben viele Landwirte in Deutschland ein ernstes Problem. Dies gilt insbesondere für solche Landwirte, welche die Entwicklungen nicht vorhergesehen haben oder sehen wollten und sich unter anderem durch in Beton gegossene Haltungssysteme, welche weder den Anforderungen der Nutztiere noch den Vorstellungen vieler Verbraucher entsprechen, einseitig festgelegt haben. Sie sind folglich nur sehr bedingt in der Lage, sich den veränderten Erfordernissen anzupassen. Gleichzeitig werden für die deutschen Produzenten die Produktionsmittel in Form von Boden- und Pachtpreisen, Dünge-, Futter- und Pflanzenschutzmitteln immer teurer. Und nun soll auch noch durch eine verschärfte Dünge-Verordnung die Möglichkeiten, die überschüssigen Reststoffe in die Umwelt zu entsorgen, eingeschränkt und damit die Entsorgung der Reststoffe verteuert werden. Kein Wunder, dass viele Landwirte auf die Barrikaden gehen, droht doch ihr Geschäftsmodell – das schon seit längerer Zeit nicht mehr so richtig funktioniert – endgültig zu scheitern.
Das Versagen des Marktes bei der Bereitstellung gemeinwohlrelevanter Zielgrößen wird mittlerweile selbst von Agrarökonomen eingestanden. Allerdings wird von dieser Seite bislang keine Antwort auf die Frage gegeben, was hier schiefgelaufen ist, warum die Gesetze der Marktwirtschaft in der Landwirtschaft nicht funktionieren und wer dafür vorrangig die Verantwortung trägt? Die Theorie der Marktwirtschaft sagt dazu Folgendes: „Ebenso wie im Sport obliegt es den Organisatoren des Wettbewerbs – den Politikern –, die Spielregeln so zu bestimmen, dass sie unerwünschte Strategien und unfaire Praktiken wirksam unterbinden. Werden die Spielregeln unzureichend festgelegt oder wird ihre Einhaltung nicht sichergestellt, ist das kein Manko der Wettbewerbsidee, sondern ihre mangelhafte Umsetzung.“ Ein anderer ökonomischer Lehrsatz lautet: „Das Recht an einem Objekt wandert zu demjenigen, der damit den höchsten wirtschaftlichen Erfolg erzielen kann. Die Wanderung der Faktoren zum besten ökonomischen Wirt bedarf keiner staatlicher Umleitungsanstalt. Der Markt stellt für die Lenkung der Produktionsmittel das weit überlegene Instrument dar.“ Hier tut sich ein scheinbar unauflösbarer Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern regulativer Eingriffe des Staates auf. Dieser Konflikt lässt sich allerdings leicht auflösen.

Anders als sich dies aus Sicht der Agrarökonomie darstellt, sind Land- und Tierwirte nicht nur ökonomische Wirte. Sie sind sehr eng eingebettet in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext und in Lebensräume und -verhältnisse, die nicht ausschließlich der landwirtschaftlichen Nutzbarmachung unterliegen. Diese Einbettung spielt bislang offensichtlich für die ökonomischen Entscheidungen nur eine untergeordnete Rolle. Mit der Fokussierung auf die eigenen ökonomischen Interessen unter Ausblendung der negativen Folgewirkungen laufen die Landwirte jedoch Gefahr, sich aus der Gemeinschaft der am Gemeinwohl interessierten Bundesbürger zu verabschieden. Hier könnten Landwirte zu Recht einwenden, dass sie vom Preisdiktat des Verarbeitungsgewerbes und des Lebensmitteleinzelhandels dazu genötigt werden. Auf der anderen Seite fordern sie jedoch vom Staat keine Regulierungen ein, welche faire und gemeinwohl-orientierte Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Stattdessen protestieren sie gegen jegliche Regulierungsabsichten, die ihnen staatlicherseits zugemutet werden. Eine Debatte über die besten Möglichkeiten der Regulierung zum Vorteil der Landwirte und der Gemeinwohlinteressen kommt so erst gar nicht zustande.

Wenn sich die Agrarpolitik nicht nur als Interessensvertreter der Agrarwirtschaft und ökonomischer Interessen versteht, sondern auch als Vertreter der Interessen des Gemeinwohles, kommt sie entgegen den Ratschlägen der Agrarökonomie nicht umhin, sich den Herausforderungen regulativer Eingriffe zu stellen. Die Bereitschaft, darüber nachzudenken und darüber zu debattieren, ist bislang nicht erkennbar. Aus der Perspektive einer sozio-ökologischen Marktwirtschaft sind diejenigen die besseren Land und Tierwirte, denen es gelingt, ihre eigenen ökonomischen Interessen mit denen des Gemeinwohls zu verknüpfen, d.h. die externen Effekte zu internalisieren. Um hier erfolgreich zu sein, müssen die Betriebe die ökonomischen, für die Existenzfähigkeit des Betriebes relevanten Kenngrößen mit den Anforderungen des Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzes in Form einer gesamtbetrieblichen Leistung des Betriebes in Einklang bringen. Bislang fehlt es von Seiten der Agrarpolitik an entsprechenden Rahmenbedingungen, um die Versöhnung von ökonomischen und ökologischen Anforderungen in einer Weise zu operationalisieren, die sowohl den Landwirten und dem Gemeinwohl zum Vorteil und nicht zum Nachteil gereicht.

Wer sich noch näher mit den Vorschlägen von Prof. Sundrum auseinandersetzen möchte, findet hier seinen Text „Allgemeine Desorientierung im Kontext der Landwirtschaft oder die verweigerte Suche nach dem besseren (Land-)Wirt“

Schlupf im Stall: NestBorn® jetzt Bestandteil vom Label „Red Tractor“ in Großbritannien

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Seit Mitte Dezember 2019 wendet der in Ostengland ansässige Geflügelintegrator Crown Chicken das NestBorn®-System für die gesamte Produktion von Eintagsküken in Großbritannien an. NestBorn® ist ein belgisch-niederländisches innovatives Konzept für das „Schlüpfen auf dem Bauernhof“, bei dem vorinkubierte Eier von Setzschalen direkt auf ein natürliches Streubett in einem Geflügelstall übertragen werden. Dies führt zu robusten Küken, die unter natürlichen und stressfreien Bedingungen geboren wurden und direkten Zugang zu Futter, Wasser und Licht haben.

„Nach dem ersten Kontakt mit NestBorn im September 2018 fand unser erster Versuch mit diesem Konzept bereits im November dieses Jahres statt“, erklärt Matthew Ward, Landwirtschaftsdirektor von Crown Chicken. „Mehrmals im Laufe eines Jahres hat eine speziell entwickelte NestBorn-Legemaschine an zwei Teststandorten in Norfolk Eier unter dem Label von Red Tractor gelegt.“

Daniel Bush, Senior Broiler Production Manager bei Crown Chicken, gibt an, dass diese Tests frühere positive Erfahrungen des Unternehmens mit dem Schlüpfen auf dem Bauernhof bestätigt haben. „Was beim NestBorn-System besonders attraktiv ist, ist, dass wir alle Vorteile der frühen Fütterung und des Schlüpfens auf dem Bauernhof beobachten, aber dass keine spezifischen Installationen oder Investitionen in den Geflügelstall erforderlich sind.“

NestBorn bietet eine großartige Gelegenheit, ein höheres Tierschutzniveau mit Gewinn zu verbinden. Ein höheres Tierschutzniveau wird erreicht, da der Umgang mit Küken und der Transport von Eintagsküken vollständig aus dem Produktionsprozess ausgeschlossen sind. Darüber hinaus haben Eintagsküken direkten und ununterbrochenen Zugang zu Futter und Wasser. „Dies führt zu einer hervorragenden Leistung, einer geringeren Mortalität und Morbidität sowie einem geringeren Einsatz von Antibiotika“, so Matthew Ward. „Die Ergebnisse waren sehr klar und überzeugend und haben zu einer Aktualisierung des Red Tractor Poultry Standard geführt, der das Schlüpfen auf dem Bauernhof ab dem 1. Oktober 2019 auf Broiler-Hühnerfarmen ermöglicht.“

Mitte Dezember ist in Crown Chicken eine erste NestBorn-Eiablage-Maschine in Betrieb. Im Januar2020 wurde eine zweite Maschine aktiviert. Daniel Bush: „Alle 600.000 Küken pro Woche, die aus der Brüterei in Kenninghall kamen, sind jetzt auf dem Bauernhof geschlüpft.“ Um diesen Übergang zu ermöglichen, wurden die zuletzt entwickelten NestBorn-Maschinen permanent bei Crown Chicken stationiert. „Diese Maschinen sind batteriebetrieben und jede Maschine kann bis zu 200.000 Eier pro Tag legen. Außerdem sind sie leicht zu reinigen und zu desinfizieren“, fährt Daniel Bush fort. „Unser Ziel ist es, in naher Zukunft sicherzustellen, dass alle für unsere Verarbeitungsanlage bestimmten Eintagsküken auf dem Bauernhof schlüpfen werden.“

Kees van Oers, CEO des Unternehmens NestBorn, ist sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Crown Chicken: „Nach einer erfolgreichen Einführung von NestBorn in Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Dänemark sind wir voll und ganz zuversichtlich, dass dies auch in Großbritannien der Fall ist.“

Quelle: NestBorn

Biosicherheit als Schlüssel für zukunftsfähige Schweinehaltung

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Sechste Landwirte-Akademie an der Universität Vechta / Risikoampel erreicht mehr als 4000 Menschen

Mehr als 120 Gäste haben sich bei der sechsten Landwirte-Akademie an der Universität Vechta zum Thema „Schweinehaltung im Wandel – Perspektiven für die Branche“ informiert. Unter anderem „Magen-Darm-Gesundheit beim Schwein“, „Schweinehaltung am Scheideweg?“, „Außenklimastall – Der Stall der Zukunft?“ oder „ASP-Eintrag vorbeugen: Risikobereiche in der landwirtschaftlichen Praxis“ standen auf dem Programm.

„ASP hängt wie ein Damoklesschwert über der gesamten Branche“, eröffnete Dr.in Barbara Grabkowsky ihren Vortrag zusammen mit Dr.in Maria Gellermann zum Thema Afrikanische Schweinepest. Die Wissenschaftlerinnen von der Koordinierungsstelle Transformationsforschung Agrar stellten die Risikoampel der Universität Vechta vor.

Das Online-Tool bietet Landwirt*innen die kostenfreie Möglichkeit, die individuelle betriebliche Biosicherheit zum Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) freiwillig und anonym bewerten zu lassen. Seit der Veröffentlichung im Juni 2019 hätten sie mit dem Tool mehr als 4000 Menschen erreicht und somit zur Vorbeugung gegen ASP beigetragen, sagte Grabkowsky. Angesichts der drohenden Seuchengefahr sei jeder Betrieb selbst für seine Bio-Sicherheit verantwortlich. Das Online-Tool könne den Betrieben helfen, einen Biosicherheitsplan zu entwickeln, der auch die betriebsspezifischen Charakteristika berücksichtige. Im ständigen Austausch mit Nutzer*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus landwirtschaftlicher und veterinärmedizinischer Praxis würde der Fragebogen stetig verbessert. Neben der Praktikabilität stünden auch immer inhaltliche Fragen zur Diskussion. Ein Beispiel: „Ich hätte nie gedacht, dass wir die Frage aufnehmen“, sagte Gellermann. Aber es gebe immer noch Betriebe, die Speiseabfälle an die Tiere verfüttern würden, was einen der schwerwiegendsten Risikofaktoren für einen Eintrag von ASP darstelle.

Die weiteren Themen der Landwirte-Akademie an der Universität Vechta:
Nicht nur die Afrikanische Schweinepest war Thema der Landwirte-Akademie. Der international bekannte Fütterungsexperte Prof. Dr. Josef Kamphues von der TiHo Hannover gab ein Update zu optimalen Fütterungsstrategien für den Erhalt der so wichtigen Magen-Darm-Gesundheit beim Schwein.

„PIA“ heißt ein relativ neues Problem, das in der Schweineproduktion in den vergangenen Jahren vermehrt aufgetreten ist. Die PorcineIntestinale Adenomatose kann von dem Bakterium „Lawsonia intracellularis“ hervorgerufen werden, das zu Durchfällen und hohen Verlusten führen kann. Dr. Robert Tabeling, MSD Tiergesundheit, beschrieb, was dieses Stäbchenbaktrium auslösen und wie eine sichere Vorsorge gelingen kann. Steht die Schweinehaltung am Scheideweg? Christoph Hüsing, GF der EG im Oldenburger Münsterland gab einen Einblick in aktuelle Top Themen der Schweineproduktion und eine Einschätzung zu den Zukunftsaussichten der Branche. Fehlende Planungssicherheit, die drei K-Fragen (Kastration, Kastenstand und Kupierverzicht), Düngeverordnung und Co. treiben derzeit viele Landwirte auf die Straße.

Modernes Nährstoffmanagement kann darüber entscheiden, ob man weiter produzieren kann oder ob der Bestand reduziert werden muss. Claus Wellmann und Henning Krämer von der LBD Damme präsentierten ihr dezentrales Konzept für eines der zukunftsentscheidenden Themen für das Oldenburger Münsterland. Sind die derzeitigen Schweine-Haltungsformen noch zeitgemäß? Lars Broer von der LUFA Nordwest verglich anhand von Emissionsmessungen konventionelle und Offenställe. Er konnte zeigen, dass ein gutes Fütterung-, Einstreu- und Güllemanagement für Außenklimaställe von großer Bedeutung sind, um als ein Stall der Zukunft akzeptiert zu werden.

Landwirte-Akademie
Die Landwirte-Akademie ist eine Fortbildungsreihe für Landwirt*innen, Tierärzt*innen und landwirtschaftliche Berater*innen, organisiert von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, MSD Tiergesundheit, der Universität Vechta und dem Verbund Transformationsforschung Agrar. Die Idee hinter der Reihe ist, mit den Teilnehmer*innen zu aktuellen Themen praktische Ansätze für ihre Arbeit zu diskutieren und eine Plattform für einen intensiven Erfahrungsaustausch mit den Beteiligten des regionalen

Veranstaltungstipp: Apisticus-Tag 2020: Bienen brauchen Blüten

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Bienen brauchen Blüten lautet das Motto des 29. Apisticus-Tages der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, der am 29. Februar und 1. März im Messe und Congress Centrum der Halle Münsterland in Münster stattfindet. Die Tagung beginnt am Samstag um 12.30 Uhr mit der Eröffnung, den Grußworten und einem Festakt. Für Besucher ist die Imkermesse bereits ab 10 Uhr geöffnet. Am Sonntag startet die Messe schon um 9 Uhr. Die Bienenkunde der Landwirtschaftskammer erwartet 3 500 Imker und Bienenkundler aus Deutschland und dem benachbarten Ausland in Münster.

Parallel zur Fachtagung findet eine Imkermesse auf etwa 10 000 Quadratmetern mit mehr als 150 Ausstellern aus dem In- und Ausland statt. Dort werden Produkte aus dem Umfeld von Imkerei und Bienenkunde sowie Natur- und Wildbienenschutz angeboten. Die Messe ist am Samstag von 10 bis 18.30 Uhr und am Sonntag von 9 bis 16 Uhr geöffnet.

Im Rahmen des Apisticus-Tages findet am Sonntag um 12 Uhr die Verleihung des Apisticus des Jahres 2020 statt. Mit diesem Ehrenpreis werden Menschen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise um die Imkerei verdient gemacht haben. Den Umweltpreis zur Förderung von bienenkundlichen, imkerlichen und landwirtschaftlichen Projekten des Natur- und Artenschutzes verleiht die Landwirtschaftskammer am Samstag um 13 Uhr.

Zentrales Thema des Apisticus-Tages sind die Fachvorträge. Wegen der enormen Nachfrage finden am Samstagnachmittag und am Sonntag Parallel-Vorträge statt. 14 Referate und Präsentationen zu verschiedenen Gebieten der Imkerei werden an den beiden Tagen angeboten. Eine Tombola und Begleitprogramme an beiden Tagen runden den umfangreichen Apisticus-Tag ab. Weitere Informationen mit den unterschiedlichen Eintrittspreisen für einzelne Tage gibt es im Internet unter www.apisticus-tag.de.

In Nordrhein-Westfalen halten mehr als 15 000 Imker etwa 95 000 Bienenvölker. Auch 2019 nahm die Zahl der Imker weiter zu.

Link zur Veranstaltung

Bundestierärztekammer fordert Tierschutz bei Transporten ein: Qualvolle Tiertransporte in Drittländer endlich stoppen!

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Berichte über eklatante Missstände bei Tiertransporten in Länder außerhalb der EU haben bereits 2017 die Öffentlichkeit erschüttert. „Es müssen unverzüglich durchgreifende Maßnahmen, die nachhaltig für die Abstellung der Mängel sorgen, ergriffen werden“, so Dr. Uwe Tiedemann, Präsident der Bundestierärztekammer (BTK), damals. Er forderte die EU, die Bundesregierung und die Länder auf, unverzüglich die Abfertigung von Tiertransporten in Drittländer bis auf weiteres zu untersagen.

Die aktuelle Reportage „Tiertransport grenzenlos – Leder für Deutschland“ aus der ZDF-Reihe „37°“ thematisiert erneut die Missstände auf den Transportrouten: z.T. tagelange Wartezeiten in sengender Hitze ohne angemessene Versorgung der Tiere an den Außengrenzen der EU und tierschutzwidrige Transport- und Schlachtbedingungen in den Zielländern. An der katastrophalen Situation hat sich seit der Berichterstattung von 2017 trotz zahlreicher Debatten nichts geändert.

Die BTK fordert:

– Die Abfertigung von Tiertransporten nur dann zu erlauben, wenn vor dem ersten Transport auf einer Route durch eine unabhängige Kommission abgesichert ist, dass alle Tierschutzanforderungen lückenlos eingehalten werden,

– die unbedingte Einhaltung der im Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport festgelegten Anforderungen,

– eine zügige Abfertigung von Tiertransporten beim Grenzübertritt und, sofern Warte-zeiten in Einzelfällen unvermeidlich sein sollten, ein zügiges Abladen und eine ordnungsgemäße Versorgung der Tiere während der Wartezeiten in geeigneten und von den zuständigen Behörden zu kontrollierenden Unterbringungen,

– Transportzeiten grundsätzlich so kurz wie möglich zu halten und Schlachttiere so nah wie möglich am Ort der Erzeugung zu schlachten. Der Transport von lebenden Tieren sollte, wo immer möglich, durch den Transport von Schlachtkörpern bzw. tierischen Erzeugnissen ersetzt werden.

Quelle: BTK

HANSA Schweinefachtagung: Haltung, Fütterung, Düngung: Alles sollte auf den Prüfstand – Teil 2: Stickstoffeffizienz im Futter verbessern

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Von Dr. Heike Engels

Dr. Stephan Schneider, BLL

Die NE(R)C-Richtlinie der EU besagt, dass bestimmte Luftschadstoffemissionen bis 2030 zu reduzieren sind und ruft jedes Mitgliedsland dazu auf, entsprechende Maßnahmen zu treffen und diese in nationales Recht umzusetzen. Deutschland hat sich auf eine Reduktion für Ammoniak von 29 % zum Basisjahr 2005 verpflichtet, berichtet Dr. Stephan Schneider von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. „95 % der Ammoniak (NH3)-Emissionen stammen in Deutschland aus der Landwirtschaft. Im Futter steckt Rohprotein, unverdauter Stickstoff (N) wird ausgeschieden und kann zu NH3 umgewandelt werden. Dies belastet die Umwelt, und das ist der Grund, weshalb die Landwirtschaft und speziell die Fütterung jetzt so eine große Rolle spielt“, so der Berater. Langfristig gebe es in der Tierhaltung nur zwei Lösungsstrategien, diesem Problem zu begegnen: Weniger Emissionen pro Tier oder weniger Tiere. Die meisten N-Emissionen, nämlich 66 %, treten bei der Schweinehaltung im Stall auf. Weitere 22 % bei der Güllelagerung und 12 % bei der Ausbringung. Die hohen N-Emissionen im Stall liegen auch an der Art der Schweinehaltung: in der Regel im Warmstall bei höheren Temperaturen, das sind günstige Bedingungen für die Freisetzung von NH3. In der Rinderhaltung treten dagegen über die Hälfte der Emissionen bei der Ausbringung auf.
„Wir müssen die Stickstoffeffizienz verbessern, denn die N-Verwertung beim Schwein ist ineffizient. Nur 30 % des zugeführten N gehen in den Fleischansatz, den Rest scheidet das Tier über Kot und Urin aus. Stickstoff, der über Harn ausgeschieden wird, ist das Problem: Er wird über das Enzym Urease, welches im Kot enthalten ist, in Ammoniak und Kohlendioxid umgewandelt. Stickstoff, der über den Kot aus dem Tier kommt, wird hauptsächlich als Bakterienprotein ausgeschieden und ist dadurch weniger anfällig für den schnellen Abbau“, erklärt Dr. Schneider. Er empfiehlt, die Harn-N-Ausscheidung über die Reduzierung des Rohproteingehaltes in der Ration zu verringern sowie über den Einsatz von Futtermitteln mit hohem Anteil an bakteriell fermentierbarer Faser die Stickstoffausscheidung vom Harn auf den Kot zu verschieben. Die N-/P-reduzierten Fütterungsverfahren werden stark an Bedeutung gewinnen.

Stickstoff-Höchstmenge beachten
Für die ab April anstehende neue und verschärfte Düngeverordnung ist die N-Reduktion über das Futter noch wichtiger, weil der Nährstoffvergleich durch eine Aufzeichnungspflicht der tatsächlich ausgebrachten Düngermengen ersetzt werden soll. Für nitratbelastete sogenannte rote Gebiete sind weitere Maßnahmen einzuhalten, u.a. verlängerte Sperrfristen. „Die Gülleabgabe wird erschwert, da der Staat eine flächengebundene Landwirtschaft will. Aufgrund der hohen Pacht- und Flächenpreise ist eine Erweiterung aber häufig nicht praktikabel. Eine bedarfsgerechte Fütterung und Rationsplanung auf Basis von Versorgungsempfehlung und Futteranalysen ist daher Pflicht für jeden zukunftsfähigen Betrieb“, so Dr. Schneider. Es müssten verstärkt einzelbetriebliche Futteranalysen durchgeführt werden, damit bei der Rationsberechnung überhaupt verlässliche Werte vorhanden sind. Jedes Futtermittel gehöre hinsichtlich der N- und P-Gehalte auf den Prüfstand. „Aller Stickstoff und Phosphor, der über Futtermittel eingekauft wird, fließt in die Stoffstrombilanz ein, die eigentlich eine Fütterungsbilanz ist. 10 g weniger Rohprotein im Futter hört sich wenig an, aber es führt in der Folge auch zu 10 % weniger NH3-Emission. Vor allem in der Endmast kann Protein reduziert werden, hier sind die Effekte groß, weil das meiste Futter in diesem Abschnitt verbraucht wird.“ Dr. Schneider erinnerte auch an Futterverluste am Trog, die teils erheblich seien. Dieses Futter bzw. das enthaltene Protein werde eingekauft, also im Betrieb verrechnet, doch es hat keine Wirkung, sondern es belastet die Bilanzen durch den enthaltenen Stickstoff. Deshalb Futterverluste unbedingt ausspüren und stoppen. „Gesamtbetriebliches Denken ist mehr denn je gefragt. Bei der Eberauswahl auf Tiere mit guter Futterverwertung achten, alle Futterrationen optimieren, Inhaltstoffe prüfen, Futterproben machen, Fruchtfolgen anpassen – überall gibt es Optimierungspotenzial hinsichtlich der NH3-Emissionen“, motiviert der Berater. „Ein gutes Controlling verschafft den Überblick und das Vergleichen mit anderen erfolgreichen Betrieben kann neue Ideen geben.“

Dr. Thomas Glindemann, HANSA

Rohprotein auf Leistung abstimmen
Dr. Thomas Glindemann von HANSA Landhandel betonte, dass sein Unternehmen als Partner der Landwirte durch eine ganzheitliche Futtermittelberatung und Rationsberechnung mithelfen möchte, die neuen Vorgaben einzuhalten. Es gehe dem Unternehmen allerdings nicht nur um die Reduzierung der Rohprotein- und Phosphor-Gehalte im Futter, sondern auch vor allem darum, das Leistungspotential der Tiere voll auszuschöpfen bei gleichzeitiger Verhinderung von Luxuskonsum. Daher stehen bei der Beratung Futteraufwand und -verwertung im Vordergrund. „Das alleinige Ankreuzen von Fütterungsregimen berücksichtigt die biologische Leistung nicht ausreichend“, so Dr. Glindemann. Allerdings sei wichtig zu wissen, dass die biologische Leistung nicht allein vom Futter abhängt. Auch Management, Tiergesundheit und Haltungsbedingungen wirken auf das Tier ein. Alles muss zusammen optimal ineinander greifen, damit es den Tieren bei hoher Leistung und geringeren Emissionen gut geht.

HANSA Schweinefachtagung: Haltung, Fütterung, Düngung: Alles sollte auf den Prüfstand – Teil 1

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Von Dr. Heike Engels

Wie komplex das Zusammenspiel von Haltung, Fütterung und Immunsystem ist, konnten die Zuhörer auf der Schweinefachtagung des HANSA Landhandels in Zeven erfahren. Außerdem informierten sie sich über die Möglichkeiten der Stickstoff-Reduzierung im Futter, was vor allem in den nitratbelasteten roten Gebieten wichtiger ist denn je.

Prof. Dr. Hans-Joachim Schuberth, TiHo

Warum der Darm nicht nur neben dem Magen das wichtigste Verdauungsorgan ist, sondern auch eine große Bedeutung für das Immunsystem hat, erklärte Prof. Dr. Hans-Joachim Schuberth von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Viele Immunzellen des Gesamtorganismus sind im Darm lokalisiert. Die Darmoberfläche ist sehr groß, denn über diese Fläche werden wertvolle Nahrungsbestandteile resorbiert. Doch gleichzeitig bietet der Darm eine großflächige Eintrittspforte für Krankheitserreger. Die Darmoberfläche wird von vielen verschiedenen Bakterien besiedelt. Diese Vielzahl an Mikroorganismen wird Mikrobiom genannt. „Dieses Mikrobiom rückt immer mehr in den Fokus der Wissenschaftler, da es vielfältige Aufgaben hat wie z. B das Futter aufzuschließen und zu verdauen, Energie zu liefern, Stresstoleranz und Wohlbefinden zu steuern sowie das Immunsystem des Organismus zu unterstützen. Daneben dient es als Wächter an der großen Kontaktfläche des Darms zwischen Außenwelt und Organismus und verhindert das Eindringen von Krankheitserregern in den Organismus“, so Prof. Schuberth.

Stress ist Gift fürs Immunsystem
Ein funktionierendes Immunsystem ist wichtig für das Wohlbefinden, es greift mit anderen Körperprozessen ineinander die sich gegenseitig beeinflussen. Es reagiert sehr empfindlich auf Stress, der die Tiere viel schlechter mit Infektionen umgehen lässt. „Ist das Immunsystem durch Stress und entzündliche Prozesse dauerbeschäftigt, zieht es den Tieren Energie ab, die dann für andere Leistungen wie z.B. Wachstum oder Fruchtbarkeit nicht zur Verfügung steht. Hauptenergieverbraucher sind das Gehirn und das Immunsystem, erst wenn diese gut versorgt sind stellt der Körper Energie für Muskelaufbau, Nerven usw. zur Verfügung. Außerdem verändert Stress die Funktion der Immunzellen, in der Folge führt das durch Veränderungen des Blutflusses zu einem durchlässigen Darm, auf neudeutsch „leaky gut“ genannt. Durch die Durchlässigkeit gelangen Endotoxine aus dem Darm ins Blut und führen im Körper zu entzündlichen Reaktionen, welche wiederum das Immunsystem dauerhaft belasten“, so der Professor.

Futter beeinflusst Immunsystem
Die Ernährung ist zentral in der Beeinflussung des Immunsystems, alle Krankheiten beginnen im Darm. Futter und seine Bestandteile haben vielfältige Einflüsse auf das Darm-Immunsystem. Änderungen jeder Art, z.B. Futterzusammensetzung, Futtermenge, Fütterungszeit, wirken also auf das Immunsystem und auf das Mikrobiom. Bestimmte Nahrungsbestandteile ernähren bestimmte Darmkeime, die sich dann aufgrund der guten Bedingungen vermehren können. Andere Darmkeime werden dadurch verdrängt. Je nachdem, ob das Futter gute oder schlechte Darmkeime fördert, wird das Immunsystem geschwächt oder gestärkt. „Eine vielfältige Keimzusammensetzung ist gut für das Immunsystem“, so Prof. Schuberth. Interessant sei der Zusammenhang zwischen Darm und Gehirn. „Es gibt eine Darm-Gehirn-Achse, die in regelmäßigem Austausch steht. Unruhe im Darm wird ans Gehirn gemeldet und beeinflusst dort Fresslust und Verhalten. Äußere Stressoren wiederum meldet das Gehirn über Botenstoffe an den Darm. Es ist alles mit allem im Körper verbunden. Das Immunsystem soll ruhig bleiben und gleichmäßig seine Arbeit tun, dann ist es für den Organismus am besten“, so Prof. Schuberth. Es wäre praktisch, mit einem Schnelltest das Mikrobiom bestimmen zu können, doch bislang ist dies nur aufwändig im Labor möglich. Und auch eine Liste von Futterinhaltsstoffen, die sich positiv auf das Mikrobiom auswirken, ist noch nicht vorhanden. Doch die Forschung sei dran, so Prof. Schuberth, und in einigen Jahren werde man hier sicher schon viel weiter sein.

Veranstaltungstipp 18. 2.: Schweinehaltung im Wandel – Perspektiven für die Branche

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Landwirte-Akademie an der Universität Vechta lädt Praktiker zum Fachaustausch

Von A wie „Afrikanische Schweinepest“ bis Z wie Zukunft – am Dienstag, 18. Februar, findet in Vechta die 6. Landwirte-Akademie statt, in diesem Jahr unter dem Motto: „Schweinehaltung im Wandel – Perspektiven für die Branche“. Die Landwirte-Akademie ist eine Fortbildungsreihe für Landwirt*innen, Tierärzt*innen und landwirtschaftliche Berater*innen, organisiert von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, MSD Tiergesundheit, der Universität Vechta und dem Verbund Transformationsforschung agrar. Die Idee hinter der Reihe ist, mit den Teilnehmer*innen zu aktuellen Themen praktische Ansätze für ihre Arbeit zu diskutieren und eine Plattform für einen intensiven Erfahrungsaustausch mit den Beteiligten des regionalen landwirtschaftlichen Netzwerkes zu bieten.

Dr. Johannes Wilking eröffnen die Veranstaltung der Universität Vechta.
Als erster Referent wird der international bekannte Fütterungsexperte Prof. Dr. Josef Kamphues von der TiHo Hannover ein Update zu optimalen Fütterungsstrategien für den Erhalt der so wichtigen Magen-Darm-Gesundheit beim Schwein geben.

„PIA“ heißt ein relativ neues Problem, das in der Schweineproduktion in den vergangenen Jahren vermehrt aufgetreten ist. Die PorcineIntestinale Adenomatose kann von dem Bakterium „Lawsonia intracellularis“ hervorgerufen werden, das zu Durchfällen und hohen Verlusten führen kann. Dr. Robert Tabeling, MSD Tiergesundheit, wird beschreiben, was dieses Stäbchenbaktrium auslösen und wie eine sichere Vorsorge gelingen kann.

Fehlende Planungssicherheit, die drei K-Fragen (Kastration, Kastenstand und Kupierverzicht), Düngeverordnung und Co. treiben derzeit viele Landwirte auf die Straße. Steht die Schweinehaltung am Scheideweg? Christoph Hüsing, GF der EG im Oldenburger Münsterland wird einen Einblick in aktuelle Top Themen der Schweineproduktion und eine Einschätzung zu den Zukunftsaussichten der Branche geben.

Tiergesundheit ist ein Grundpfeiler um „Schwein zu haben“. In diesem Themenblock widmen sich Dr. Hendrik Nienhoff, Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen, Dr. Barbara Grabkowsky und Dr. Maria Gellermann, Koordinierungsstelle Transformationsforschung Agrar dem gesundheitlichen Geschehen im Stall und geben wichtige Tipps, wie sich Schweinehaltende Betriebe vor der afrikanischen Schweinepest schützen können.

Modernes Nährstoffmanagement kann darüber entscheiden, ob man weiter produzieren kann oder ob der Bestand reduziert werden muss. Claus Wellmann und Henning Krämer von der LBD Damme präsentierten ihr dezentrales Konzept für eines der zukunftsentscheidenden Themen für das Oldenburger Münsterland.

Sind die derzeitigen Schweine-Haltungsformen noch Zeitgemäß? Lars Broer von der LUFA Nordwest klärt über die Frage auf, ob der Außenklimastall vielleicht der Stall der Zukunft ist.

Beginn der Veranstaltung ist um 9 Uhr in der Universität Vechta, Driverstraße 22, im Raum B1. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.

Hier geht es zur Anmeldung

Quelle: Universität Vechta

Schwarzkopfkrankheit – eine gefährliche Allianz aus Parasiten und Bakterien

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Die gefährliche parasitäre Schwarzkopfkrankheit ist bei Puten und Hühnern wegen des Verbots wirksamer Arzneimittel zurückgekehrt. Neue Ansätze zur Prophylaxe und Therapie sind deshalb dringend erforderlich. Ein im Christian Doppler Labor für Innovative Geflügelimpfstoffe (IPOV) entwickelter Impfstoff kann Tiere erfolgreich schützen. Bis zum Einsatz im Feld sind noch einige technische Fragestellungen zu beantworten, dabei ist insbesondere die Interaktion zwischen dem einzelligen Parasiten Histomonas meleagridis und den im Darm vorhandenen Bakterien von grundlegender Bedeutung für den Erfolg einer Impfung oder Infektion, Aspekte die an der Vetmeduni Vienna erforscht werden.

Aufgrund des Verbots von wirksamen Arzneimitteln zur Prophylaxe und zu therapeutischen Zwecken ist die Histomonose – auch Schwarzkopfkrankheit genannt – bei Puten und Hühnern wieder im Vormarsch. Die vom einzelligen Parasiten Histomonas meleagridis hervorgerufene Krankheit befällt Truthühner und hühnerartige Vögel. Insbesondere bei Puten führt diese Parasitose oftmals zu einem schweren Krankheitsverlauf, generell ist die Erkrankungs- und Sterberate bei infizierten Vögeln extrem hoch – die Todesrate bei infizierten Puten kann bis zu 100 Prozent betragen. Allein in Österreich sind in den letzten Jahren ca. 30.000 Puten verendet oder mussten getötet werden. Aufgrund mangelnder Biosicherheit ist die Schwarzkopfkrankheit bei Tieren in Freilandhaltung von besonderer Bedeutung.

Einzigartiges Zusammenspiel von Parasiten und Bakterien
Eine Besonderheit des Parasiten ist seine intensive Interaktion mit Bakterien, sowohl in vitro als auch in vivo. Ein wichtiger Einflussfaktor, der von Michael Hess, Leiter der Universitätsklinik für Geflügel und Fische der Vetmeduni Vienna, und seinen MitarbeiterInnen in zwei aktuellen Studien zusammenfassend dargestellt wird. Aufgrund aktueller Analysen könnte das Zusammenspiel von Parasiten und Bakterien demnach eine Symbiose darstellen, mit tödlicher Konsequenz für den Wirt, mithin eine einzigartige Allianz in der Medizin. Die zugrundeliegenden Funktionsmechanismen müssen laut Michael Hess jedoch in weiteren Studien geklärt werden.

Wichtiger neuer Ansatzpunkt zur Bekämpfung der Krankheit
„Zukünftige Forschungen sollten sich verstärkt auf die Aufklärung der Wechselwirkung zwischen Bakterien und H. meleagridis konzentrieren, insbesondere auch, um herauszufinden, ob eine gezielte Manipulation des Darmmikrobioms klinische Konsequenzen minimieren könnte. In ähnlicher Weise könnte dieses Wissen auch dazu verwendet werden, um die entwickelte Impfstoffstrategie zu optimieren. Detailliertere Untersuchungen sollten außerdem helfen, die enormen Unterschiede in der Mortalität und die Manifestation des Parasiten in bestimmten Betrieben zu erklären“, so Michael Hess.

Weiterer bedeutender Einflussfaktor: Der Fadenwurm Heterakis gallinarum
Besondere Aufmerksamkeit sollte auch dem Parasiten Heterakis gallinarum gewidmet werden, ein im Blinddarm, insbesondere von Haushühnern und Puten, lebender Fadenwurm. Er verursacht zwar nur eine leicht pathogene Infektion, ist jedoch häufig Träger von H. meleagridis der wichtigste Vektor für die Übertragung des einzelligen Parasiten. Die Bedeutung von H. gallinarum ist auch deshalb nicht hoch genug einzuschätzen, da H. meleagridis in den Eiern des Fadenwurms bis zu drei Jahre überleben kann.

Bislang dürftige Forschungslage zum Parasiten und zur Krankheit
Die Kompliziertheit des Erregers, seine Epidemiologie und die verschiedenen Einflüsse auf die Pathogenese der Krankheit erfordern erhebliche Anstrengungen, um eine ausgeklügelte Schutzstrategie zu entwickeln. Doch trotz der – auch wirtschaftlich – großen Schäden der Krankheit sind die aktuellen Forschungsergebnisse zum Parasiten H. meleagridis und zur Schwarzkopfkrankheit sehr begrenzt, was möglicherweise auf verschiedene Faktoren, wie Schwierigkeiten beim Umgang mit dem Parasiten in vitro, zurückzuführen ist, was sich auch in der großen Variation innerhalb der experimentellen Studien widerspiegelt. Auch die Wechselwirkung zwischen H. meleagridis und dem Mikrobiom wurde bislang kaum untersucht, weshalb die wahre Natur des Zusammenhangs zwischen dem Parasiten und bestimmten Bakterien noch nicht geklärt ist.

Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien

Ernährung von Hummeln hat Einfluss auf Fortpflanzungsfähigkeit und Überleben

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Sterben Bienen an falscher Ernährung? Professorin Sara Diana Leonhardt erforscht mit ihrer Arbeitsgruppe am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München (TUM) die Interaktionen von Pflanzen und Insekten. Im Rahmen von Verhaltensversuchen analysiert ihr Team, wie Hummeln die Nahrungsqualität einschätzen und wie Nahrung unterschiedlicher Qualität ihr Wohlergehen beeinflusst.

Bienen sind wichtig für unsere Umwelt und Ernährung. Ohne Bestäubung durch Tiere können sich viele Pflanzen, auch viele Nutzpflanzen, nicht vermehren. „Das Bienensterben hat demnach auch Auswirkungen auf das Nahrungsangebot für den Menschen“, so die Professorin für Pflanze-Insekten Interaktionen Sara Leonhardt. Sämtliche der weltweit über 20.000 Bienenarten seien hier in den Blick zu nehmen. Besonders wichtig sind dabei neben der Honigbiene auch Hummeln.

„Bienen beziehen die meisten Nährstoffe aus ihrer Hauptnahrungsquelle, Nektar und Pollen. Während Nektar hauptsächlich eine Quelle für Kohlenhydrate ist, enthält Pollen die meisten anderen benötigten Nährstoffe: Eiweiß, Fett, Mineralien und Vitamine. Bisher glaubte man, dass sie, wie andere Pflanzenfresser, dabei vor allem auf den Eiweißgehalt ihrer Nahrung achten“, erläutert Leonhardt.

Mit einem zweistufigen mechanistischen Ansatz, der sowohl Lern- als auch Fütterungsversuche beinhaltet, beschreitet die Gruppe einen neuen Weg, um die Ernährungsgewohnheiten von Insekten buchstäblich unter die Lupe zu nehmen.

Lernversuche mit Erdhummeln
Welche Nährstoffe können Hummeln in Pollen schmecken? In Lernversuchen analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst die Vorlieben der Hummeln für bestimmte Nährstoffe – in dem Fall für Fett oder Eiweiß.

Fabian Rüdenauer, Hauptautor der Studie, erklärt: „Wir konzentrierten uns auf Fett- und Aminosäuren, welche die beiden wichtigsten Pollenmakronährstoffe aufbauen und sehr wahrscheinlich von Bienen geschmacklich wahrgenommen werden können.“

Dazu wurden Pollen mit zunächst wenig Fettsäuren versehen und anschließend der Fettgehalt erhöht. Die Forschergruppe fand heraus, dass die Erdhummeln hier gut unterscheiden können und Vorlieben zeigen. Bei den Pollen mit Variationen im Aminosäuregehalt trafen die Hummeln keine Unterscheidungen.

Was schmeckt den Hummeln?
Welche Nährstoffe verwenden Hummeln tatsächlich, um ihr Sammelverhalten anzupassen, und welche Konsequenzen hat das für ihr Überleben und ihren Fortpflanzungserfolg? Das waren die Leitfragen bei den anschließenden Fütterungsversuchen.

„Je mehr Fett im Pollen war, desto weniger haben die Hummeln gefressen“, fasst Leonhardt zusammen. Dabei nahmen die Hummeln sogar in Kauf, eher zu sterben, als fettreiche Pollen zu sich nehmen. Daraus schließt die Arbeitsgruppe, dass Fett in Pollen die Fortpflanzungsfähigkeit und auch das Überleben der Bienen beeinträchtigt und daher gemieden wird.

Eine Variation des Aminosäureanteils in den Pollen hatte auch hier keine Auswirkungen auf das Fressverhalten.

Hilfe für Bienen und Hummeln
„Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung von Fett für pollensuchende Hummeln. Es zeigt sich auch, dass Nährstoffwahrnehmung, Nährstoffregulierung und reproduktive Fitness zusammenhängen“, so Dr. Johannes Spaethe von der Universität Würzburg, ebenfalls Leiter der Studie. „Die Bienen schmecken, was gut für sie ist, und sammeln entsprechend“, fasst Leonhardt die Ergebnisse zusammen.

Die Forschergruppe stellt aktuell einen Datensatz zur Pollenchemie zusammen, um einen Überblick über ein breites Pflanzenspektrum hinweg zu erhalten. Darüber hinaus erforscht sie die Nährstoffbedürfnisse weiterer Bienenarten. „Dadurch könnten künftig auch Blühmischungen und Schutzmaßnahmen wie Blühstreifen verbessert werden“, so der Ausblick der Forschenden.

Quelle: Technische Universität München