Von Dr. Ariane von Mallinckrodt, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
Die zweite Veranstaltung der Seminarreihe „Magen-Darmgesundheit beim Schwein“ im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp hatte zum Ziel, dieses Thema mehr in den Fokus der Schweinehaltung zu stellen. Verantwortlich dafür zeichnete die Arbeitsgruppe „Schwein“ des Runden Tisches Tierschutz. Organisiert und finanziert wurde dieser Veranstaltungstag durch das Verbundprojekt Netzwerk Fokus Tierwohl und der Schweinespezialberatung Schleswig-Holstein.
Einfluss der Sau auf die Magen-Darmgesundheit der Saugferkel
Die Magen-Darmgesundheit von Saugferkeln wird maßgeblich durch die Fütterung und den Gesundheitsstatus der Sau beeinflusst. Tierärztin Patricia Beckers (Provimi-Cargill), seit 25 Jahren in der Schweinefütterung tätig, fasste die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen und gab spannende Hinweise für die Betriebe.
Beckers erklärte, dass in der Sau um die Abferkelung herum bedeutende Stoffwechselveränderungen stattfinden. Beispielsweise verbleibt Glucose nach dem Fressen deutlich länger im Blutkreislauf als außerhalb dieser Produktionsphase. Dies deutet darauf hin, dass Sauen rund um die Geburtsphase eine Insulinresistenz aufweisen können. Zudem verändert sich die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm der Sau – es wird weniger Buttersäure gebildet, die aber für die Darmzotten essentiell für die Aufnahme der Nährstoffe in den Blutkreislauf ist. Als Folge verändert sich die Darmintegrität und das Risiko für Darmleckagen sowie eine Anflutung von Endotoxinen rund um die Abferkelung steigt. Diese Stoffwechselveränderungen können abhängig von der Kondition der Sau stärker oder schwächer ausgeprägt sein.
Eine Studie zeigte, dass Ferkel von Sauen mit deutlicher Insulinresistenz zwar ein normales Geburtsgewicht aufwiesen, dass der Magen aber deutlich leichter und die Darmzotten kürzer waren als in der Vergleichsgruppe. Durch die verkürzten Darmzotten war auch die Laktaseproduktion stark reduziert. Die Tierärztin betonte, dass eine Überkonditionierung der Sau zur Abferkelung hin vermieden werden muss, um den erhöhten Blutzuckerspiegel der Sau so gering wie möglich zu halten. Fütterungskonzepte mit fermentierter Rohfaser in der Transitphase (ab Tag 80) zeigten positive Effekte auf das Mikrobiom der Sau. Die Tierärztin erklärte nachfolgend die Unterschiede sowie Vor- und Nachteile einer Sauenfütterung mit fermentierbarer und rein struktureller Rohfaser auf die Darmgesundheit von Saugferkeln.
Warum haben Saugferkel oft Darmprobleme?
Saugferkel sind besonders anfällig für Magen-Darm-Erkrankungen, die gravierende Folgen für ihre Entwicklung haben können. Tierarzt Fabio Bagó (Vet-Team Schleswig-Holstein) erklärte in seinem Vortrag die häufigsten Magen-Darm-Probleme in den ersten vier Lebenswochen eines Saugferkels, deren Ursachen und zeigte praktikable Präventions- und Therapiemaßnahmen auf.
Anders als beim Menschen erfolgt die Übertragung von Antikörpern über die Plazenta beim Schwein nicht. Dies führt dazu, dass Saugferkel in den ersten Lebensstunden besonders anfällig sind. Vor allem Rotavirus A+C, E. coli und Clostridien Durchfälle sind laut Begó in deutschen Ferkelerzeugerbetrieben keine Seltenheit mehr. Für immunschwache Ferkel steigt außerdem das Risiko für PCV2 und PRRS. Hier ist die Kolostrumaufnahme entscheidend für die Gesundheit der Ferkel. Laut Literatur benötigen Saugferkel etwa 200 g Kolostrum in den ersten 6-12 Stunden nach der Geburt, was allerdings häufig eine Herausforderung darstellt, da nicht jede Sau diese Menge bereitstellen kann.
Während der zweiten Lebenswoche bleibt das Spektrum potentieller Erreger ähnlich, wobei Kokzidien mehr in den Fokus rücken. Ferkel können sich bereits in der ersten Woche damit anstecken. Die einzelligen Parasiten befallen den Magen-Darmtrakt und durchlaufen zuerst eine Entwicklungsphase, ehe das infektiöse Stadium beginnt. Eine Metaphylaxe gegen Kokzidien (Toltrazuril + Eisen per Injektion oder Toltrazuril als Drench) zahlt sich nur aus, wenn sie innerhalb der ersten 3-4 Lebenstage durchgeführt wird.
In den Lebenswochen drei bis vier nehmen die viralen Infektionen ab, während E. coli, Clostridien und Kokzidien ein Problem bleiben können. In dieser Phase beginnt sich das Immunsystem des Darms auszubilden. Eine schwere Durchfallerkrankung kann diesen Entwicklungsprozess stark verzögern und die Gesundheit des Tieres langfristig beeinträchtigen. Der Tierarzt wies auf zwei Studien hin, welche positive Effekte auf die Ausbildung des Immunsystems durch einer verlängerte Säugezeit bzw. eine verlängerte Tageslichtlänge nachweisen konnten.
Neben den potentiellen Erregern in der Haltungsumwelt können Endotoxine, die bei Mastitis-Metritis-Agalaktie (MMA) produziert werden, über die Milch in die Ferkel gelangen und negative Effekte auf die Darmgesundheit ausüben. Ein effektives MMA-Management und die Optimierung der Geburtshygiene sind entscheidend.
Die Magen-Darmgesundheit der Saugferkel stellt keine isolierte Herausforderung dar, sondern ist oft eng mit dem Management der Sauen und der Hygiene im Stall verbunden. Mutterschutzimpfungen, gezielte Fütterung, optimale Geburtshygiene und bestandsspezifische Impfstrategien sind entscheidende Ansatzpunkte. Die Rolle des Kolostrums für das Immunsystem der Ferkel sollte nicht unterschätzt werden. Der Tierarzt betonte, dass ein Austausch zwischen Bestandstierarzt und Berater auf Betrieben mit Durchfallproblematik häufig die nachhaltigsten Lösungen hervorbringen.
Saugferkelmanagement im Betrieb Hasenkrug
Im ITW-Betrieb Hasenkrug haben sich Jürgen Hammerich und Marcel Langmesser auf ein effektives Saugferkelmanagement spezialisiert. Der Standort Hasenkrug wurde 2005 durch Hammerich übernommen. Der Betrieb hat sich über die Jahre von 280 auf 415 Sauen (PIC) mit Wechselkreuzung entwickelt, inklusive Ferkelaufzucht.
Im Jahr 2006 erfolgte die Umstellung auf einen vierwöchigen Abferkelrhythmus. Der Betrieb verzichtet bewusst auf hormonelle Einsatz zum Rauschemanagement und stellt die Einhaltung des Rhythmus rein durch Tierbeobachtung sicher. Für eine Nachtwache während der Abferkelung fehlt leider das Personal. Die Abferkelrate liegt aktuell bei 85,1 % mit durchschnittlich 14,2 lebend geborenen Ferkeln pro Wurf. Pro Sau und Jahr liegt der Betrieb bei 2,5 Würfen mit 31,8 abgesetzten Ferkeln.
Der Fokus liegt bei einer möglichst effektiven Milchaufnahme aller Ferkel. So setzten die beiden Landwirte auf Tierbeobachtung und Erfahrung. Vor allen an den Jungsauen sollten zeitnah nach der Geburt 14-15 Ferkel liegen, um den Milchfluss anzuregen und stabil zu halten. Dafür setzt der Betrieb bei Bedarf auch Ferkel von Schlachtsauen oder leichte Ferkel aus der Ferkelaufzucht zu. In den ersten 8 Lebenstagen wird sich jedes Ferkel einmal täglich genau angeschaut und gegebenenfalls Managementmaßnahmen durchgeführt. Wer am Tag 4 lebensschwache Ferkel hat, hat in den ersten drei Tagen keine sorgfältige Tierkontrolle gemacht und nicht entsprechend gehandelt, so die Ansicht der beiden Landwirte.
Hammerich und Langmesser führen ein besonderes Management bei leichten und schwachen Ferkeln. Beispielsweise werden ausgekühlte Ferkel in Kunststoffboxen unter Wärmelampen aufgewärmt und anschließend ans Gesäuge gesetzt. Das kann je nach Gegebenheit auch bei einer anderen Sau sein. Ziel ist, die schwachen Tiere dorthin zu setzten, wo sie sich wenig durchkämpfen und leicht trinken können. „Sie dürfen nicht viel Kraft brauchen, um säugen zu können.“, so Hammerich. Auch die Zähne von schwachen Ferkeln werden in dem Betrieb nicht geschliffen.
Für das Saugferkelmanagement im Betrieb Hasenkrug ist eine detaillierte Tierbeobachtung und Betreuung elementar. Für die beiden Landwirte hat jedes Ferkel das Recht auf Leben – ihnen ist bewusst, dass sie dafür sehr individuelle Managementmaßnahmen nutzen, die in anderen Betriebsstrukturen kaum oder nicht umsetzbar sind. Hasenkrug zeigt, wie betriebsspezifisch ein Saugferkelmanagement sein kann und dass es nicht immer Standardwege sind, die zu einer hohen Tiergesundheit und guten Leistung führen.
Zuerst erschienen im E-Magazin „Der Hoftierarzt“ 4-2025





























