Auf der Tierschutztagung 2025 hielt Dr. Henrik Wagner einen – um es vorwegzunehmen – einigermaßen erschütternden Vortrag über Neuweltkameliden (NWK). Vor allem Lamas und Alpakas erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit und werden nicht nur aus Liebhaberei oder wegen der Wolle gehalten, sondern auch bei den verschiedensten Veranstaltungen eingesetzt. Etwa bei:
Alpaka Yoga, Blind Dating mit Alpakas, Dinner auf der Weide, Wasser- oder Mondschein-Wanderungen und sogar Videomeetings.
Jedoch sind die Tiere nicht nur für die meisten dieser Aktivitäten nicht wirklich geeignet, ihre Halter haben auch häufig keine Ahnung von deren Bedürfnissen und einer tiergerechten Haltung. Speziell bei den Alpakas steigen die Tierzahlen in Deutschland stetig, aber die Neu-Halter eigneten sich „Fachwissen“ oft über Social Media oder von anderen Haltern an, führte Dr. Wagner aus.
Alpakas und Lamas sind keine Kuscheltiere, sondern Flucht- und Distanztiere, die zwar neugierig, aber gleichzeitig vorsichtig sind. Wasserwanderungen sind einfach nicht tiergerecht und Nachtwanderungen mit brennenden Fackeln für die ziemlich nachtblinden Tiere schon gar nicht. Das Reiten auf Lamas und Alpakas ist gleich ganz verboten (auch für Kinder), kommt aber immer wieder vor.
Für die Haltung und Nutzung gibt es derzeit nur wenige fachliche Leitlinien. Natürlich das Tierschutzgesetz und ein allgemeines Säugetiergutachten, aber auch TVT-Leitlinien und die Empfehlungen des NWK-Vereins.
Das Säugetiergutachten fordert z. B. mindestens 300 qm für bis zu 6 erwachsene Tiere und für jedes weitere Tier jeweils 25 qm zusätzlich. Danach stünden 394 Tiere auf einem Hektar. TVT und NWK-Verein hingegen empfehlen mindestens 1.000 qm für die ersten beiden (mehr als 6 Monate alten) Tiere und 100 qm für jedes weitere Tier. Dann wären es allerdings nur noch 92 Tiere pro Hektar!
Nach den Erfahrungen des Referenten erkennen viele Tierhalter auch gesundheitliche Probleme nicht. Diverse Untersuchungen zeigten häufig Entzündungen im Maulbereich, Zahn- und Fußprobleme, Magen- und Darmentzündungen sowie Ektoparasiten (Milben, Zecken). Bis hin zu einem „plötzlich“ verendeten Tier, bei dem der Befund einer pathologischen Untersuchung Kachexie und Anämie lautete. Extreme Abmagerung und Blutarmut hatte der Tierhalter nicht erkannt.
Welche – teils extreme – gesundheitlichen Probleme und Missbildungen bei Lamas und Alpakas Dr. Wagner selbst als Tierarzt schon behandelt hat, zeigte er eindrücklich anhand zahlreicher Fotos, die wir allerdings lieber nicht im Internet veröffentlichen möchten.

Dr. Wagners Lösungsvorschläge für die Nutzung von NWK lauten z. B., dass Tierhalter Stress-Reaktionen und -Signale der Tiere interpretieren können müssen; dass bei Wanderungen Ruhephasen eingeplant und Rückzugsbereiche angeboten werden und, dass die Kunden vorab eine fachliche Einweisung erhalten.
Auch müsse schon bei der Planung von Wanderungen über Streckenlänge und deren Beschaffenheit nachgedacht werden, ebenso wie häufig NWK (etwa pro Woche) eingesetzt werden sollen und welche äußeren Umstände herrschen können (Hitze, Regen, Untergrund).
Da Lamas und Alpakas im Zukauf teuer sind, wollen viele Halter gerne selber züchten. Wenn dabei allerdings Vliesqualität wichtiger als Tiergesundheit ist, anatomische Fehl- und Missbildungen oder gar genetisch bedingte Erkrankungen nicht erkannt und betroffene Tiere nicht von der Zucht ausgeschlossen werden, bekommt eine solche Zucht Tierschutzrelevanz. Auch hierzu legte der Tierarzt eine ganze Reihe drastischer Fotos vor.
Dr. Henrik Wagner forderte am Ende seines Vortrags Leitlinien für Haltung und Nutzung von Neuweltkameliden, verbindliche Weiterbildungsangebote und die Unterstützung einer nationalen Fachstelle, die bereits an der Uni Gießen gegründet wurde. Sie finanziert sich durch Spenden sowie Einnahmen durch Dienstleistungen und kooperiert mit dem NWK-Verein.
Die „Nationale Fachstelle für Neuweltkameliden“ will Tierschutz und Tierwohl in NWK-Haltungen verbessern und Fachwissen an alle Interessengruppen vermitteln. Sie fordert die Ausweitung der Forschung zu AWK und den Ausbau der Lehre an den Universitäten. Der Kontakt zur Fachstelle ist ganz einfach über ihre Homepage möglich.