Tierschutz in der Nutztierhaltung: kleine Wiederkäuer – 30. Deutscher Tierärztetag in Dortmund

Beim 30. Deutschen Tierärztetag in Dortmund befasste sich ein Arbeitskreis mit dem Thema „Tierschutz in der Nutztierhaltung“ und hier speziell mit den kleinen Wiederkäuern. Dr. Henrik Wagner (JLU Gießen) fasste im Anschluss eine ganze Reihe von Forderungen Schafe, Ziegen und Neuweltkameliden (NWK) betreffend zusammen.

Zuallererst forderten die Tierärzte den Gesetzgeber auf, bürokratische Hürden für die Zulassung von Medikamenten abzubauen und dem Therapienotstand bei den kleinen Wiederkäuern entgegenzuwirken.

Es komme etwa bei Geburten häufig zu gestörten Verläufen, sog. Dystokien. Dann bräuchten Tierärzte eigentlich ein Präparat, das die Gebärmutter zum Erschlaffen bringt, um Lämmer sicher ans Licht der Welt zu bringen. Clenbuterol aber sei nur für Rinder und Pferde zugelassen.

Ein Lamm zu extrahieren ginge meist noch, berichtete Dr. Wagner aus eigener Praxis. Aber bei Neuwelt-Crias, mit ihren sehr langen Hälsen und sehr langen Extremitäten, sei es höchst schwierig Verletzungen bei der Geburtshilfe zu vermeiden.

Ähnliches gelte für NSAIDs (nichtsteroidale Antirheumatika) bei der Schmerzbehandlung. Hier gebe es für die kleinen Wiederkäuer kaum zugelassene Präparate. Deshalb müssten Tierärzte Medikamente, die eigentlich nur für andere Tierarten zugelassen sind, umwidmen.

In solchen Fällen verhielten sich jedoch Tierhalter oft zögerlich, weil dann eine entsprechende Wartezeit einzuhalten sei. Insbesondere
Bio-Tierhalter überlegten oft zweimal, ob sie solche Medikamente anwenden wollen oder nicht, weil sich nach den Richtlinien ihrer Verbände die vorgeschriebenen Wartezeiten verdoppeln.

Auch seien in den letzten Jahren immer wieder gewisse Impfstoffe, etwa gegen Clostridien, gar nicht lieferbar gewesen. Sehe ein Impfplan diese aber in bestimmten Intervallen vor, könne es zu einer „Impflücke“ und damit zu vermeidbaren Verlusten kommen. Und das obwohl es innerhalb der EU andere vergleichbare Impfstoffe gibt, die in Deutschland aber aus gesetzlichen Gründen nicht verwendet werden dürfen.

Des Weiteren fordere die Tierärzteschaft einen Sachkundenachweis, bevor die Haltung von kleinen Wiederkäuern überhaupt aufgenommen wird, sowie verpflichtende jährliche Fortbildungen und dies auch für nicht gewerbsmäßige Haltungen. Auch gebe es gar keine Leitlinien oder Haltungsempfehlungen für Neuweltkameliden. Hier solle schnellstens Abhilfe geschaffen werden.

Weiter führte Dr. Wagner aus, es existiere zwar eine gesetzliche Vorgabe zur Einzeltierkennzeichnung von NWK, diese werde aber noch nicht umgesetzt. Auch sollten die Tiere in der HIT-Datenbank erfasst und in die Tierseuchenkasse aufgenommen werden. Ein NWK-Pass analog zum Equidenpass sei ebenfalls wünschenswert. Schließich fehlten Forschungsgelder für Schaf, Ziege und NWK um, einheitliche Zucht-Programme auf Gesundheitsmerkmale etablieren zu können.

Bundesländer in denen es noch keinen Tiergesundheitsdienst gibt, werden aufgefordert solche Stellen zu schaffen und mit qualifiziertem Personal – auch für kleine Wiederkäuer – auszustatten.

Es bräuchte darüber hinaus einen „Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer“ und Weiterbildungsangebote nach einheitlichen Leitlinien. Hier seien die Tierärztekammern gefordert.

“Last but not least“ müssten die Organisationen der Tierärzteschafft zur Bedrohung von Nutztieren durch Wölfe und Luchse Stellung beziehen, um Nutztierhaltung in Deutschland auch für die Zukunft zu sichern.