Die wichtigsten Problembereiche in der konventionellen Rindermast versprach Prof. Dr. Christoph Winckler* in seinem Vortrag anlässlich der Tierschutztagung 2024 zu beleuchten. Die hauptsächlichen Schwachstellen sieht der Wissenschaftler in Platzangebot, Bodenbeschaffenheit, Reizarmut und intensiver Fütterung.
Platzangebot
Zwar hätten einzelne Mitgliedsstaaten Mindestflächenangebote für die Rinderhaltung definiert, für die EU insgesamt existierten jedoch keine einheitlichen Vorgaben. In Österreich seien etwa für die Haltung auf vollperforierten Böden pro Tier 2,7 qm (500-600 kg Lebendgewicht) bzw. 3,0 qm (über 600 kg) vorgeschrieben. Bei Stallneubauten in Niedersachsen müssten 3,0 qm je Rind mit 450-650 kg eingeplant werden, respektive 3,5 qm je Tier bei höheren Lebendgewichten.
Die Ergebnisse verschiedener Studien zeigten, dass mit sinkender Besatzdichte die Zahl der Liegeperioden mit abnormalem Liege- und Aufsteh-Verhalten zurückgehe, die Rinder „raumgreifende“ Positionen einnähmen und größeren Abstand zueinander hielten. Auch vermindere ein höheres Platzangebot die Gefahr von Schwanzspitzenveränderungen, die vor allem durch Tritte anderer Tiere verursacht würden. Der in verschiedenen Ländern noch zulässige Aufsprungschutz mit Querstangen über der Bucht, schränke das natürliche Verhalten von Rindern ebenso ein.
Bodenbeschaffenheit
Auch Mastrinder bevorzugten verformbare, am besten tief eingestreute Liegeflächen. Auf harten Böden ginge die Zahl der Liegeperioden zurück und die Probleme beim Aufstehen nähmen zu. Dies zeige sich in längeren Liegezeiten und häufigeren abgebrochenen Abliegeversuchen (mehrmaliges Abknicken im Gelenk und sofortiges Wiederaufstehen). Gummimatten könnten hier zu Verbessrungen führen, eingestreute Systeme seine jedoch vorzuziehen. Bei auf Betonspalten gehaltenen Mastbullen käme es außerdem häufiger zu höhergradigen Veränderungen in den Karpal- und Tarsalgelenken und, verglichen mit Tieren die auf Gummimatten oder Einstreu gehalten werden, vermehrt zu Schwanzspitzenveränderungen.
Reizarmut
Intensive Haltungssysteme seien häufig sehr reizarm. Auch wenn es erst wenige Studien zum Thema Reizarmut gäbe, deuteten die bislang vorliegenden Untersuchungen darauf hin, dass etwa häufiges Zungenschlagen und andere Formen oralen Fehlverhaltens bei Rindern mit einer reizarmen Umgebung zusammenhingen. Laut einer deutschen Studie aus dem Jahr 2020 (Schneider et al.) zeigten sogar in eingestreuten Ställen 80% der Rinder orale Stereotypien.
Zwar gäbe es noch keine speziellen Kenntnisse zur Langeweile bei Nutztieren, vom Menschen sei jedoch bekannt, dass eine reizarme Umgebung Langeweile fördert. Zwei an der Wiener Universität erstellte Masterarbeiten untersuchten 2023 und 2024 das Unruheverhalten von Mastbullen, um erste Einblicke zu gewinnen. Beide Untersuchungen dokumentierten sehr häufige Verhaltenswechsel der Tiere innerhalb kurzer Zeiträume, die auf Langeweile deuten könnten. Vollspaltenbuchten unterschieden sich hier nicht von eingestreuten Systemen. Die Ursachen und mögliche Konsequenzen daraus müssten jedoch erst noch weiter untersucht werden, so Prof. Winckler.
Intensive Fütterung
In der intensiven Rindermast würden vor allem strukturarme Silagen (etwa Mais) und große Mengen an Kraftfutter verfüttert. Insbesondere in den nochmals intensiver fütternden amerikanischen Feedlots käme es zu Yo-Yo-Effekten bei der Futteraufnahme, deren Ursache in regelmäßiger subklinischer Pansenübersäuerung zu sehen sei. Ein Zusammenhang mit oralen Stereotypien und Unruheverhalten wäre auch hier zumindest denkbar, glaubt Prof. Winckler.
* Institut für Nutztierwissenschaften, Department für Nachhaltige Agrarsysteme. Universität für Bodenkultur, Wien