Judith L. Capper, unabhängige Beraterin für Nachhaltigkeit bei Nutztieren, hat einen bemerkenswerten Artikel in der Fachzeitschrift „Animal Frontiers“ veröffentlicht, in dem sie sich mit zukünftigen Chancen und Herausforderungen für die tierische Produktion auseinandersetzt.
Die Autorin definiert dabei Nachhaltigkeit als „Gleichgewicht zwischen Wirtschaftlichkeit, Umweltverantwortung und sozialer Akzeptanz“ und setzt damit bereits den weiten Rahmen für ihre Überlegungen, die sie am Beispiel der US-amerikanischen Landwirtschaft darlegt.
Grundsätzlich schreibt sie in der Einleitung: „Die künftige Nachhaltigkeit wird davon abhängen, dass die Tierhalter Produktivität und Effizienz verbessern, damit mehr Fleisch und Milch mit weniger Ressourcen hergestellt werden können. Die Verbraucher stellen jedoch zunehmend die Methoden in Frage, mit denen Lebensmittel hergestellt werden. Die Zukunft der globalen tierischen Produktion hängt daher davon ab, dass die Erzeuger ihr Engagement für die Umwelt unter Beweis stellen und gleichzeitig ein positives Verbraucherbild der Tierhaltung bewahren.“
Dass in den letzten Jahren der Fokus auf die Treibhausgas-Emissionen gelegt wurde, habe die Branche einigermaßen unvorbereitet getroffen. Zwar habe es schon in der Vergangenheit beträchtliche Fortschritte gegeben, die aber eher Nebeneffekte verbesserter Produktivität und Effizienz gewesen seien, als absichtliche Strategie.
Von 1977 bis 2007 etwa, habe die US-Rindfleischproduktion pro Kilo Fleisch 19% weniger Futter, 33% weniger Land und 12% weniger Wasser genutzt. Bessere Ernteerträge, Wachstumsraten und höhere Schlachtgewichte beim Rind seien dafür verantwortlich gewesen. Die vierfach gestiegene Milchleistung pro US-Kuh zwischen 1944 und 2007 ging mit Verringerungen beim Futterverbrauch um 77%, bei Land- und Wassernutzung um 90, respektive 65% einher, wobei gleichzeitig die THG-Emissionen pro Kilo Milch um 63% sanken. In den Jahren 2007 bis 2017 hätten weitere Produktivitätssteigerungen Land- und Wassernutzung um 20,8% und 30,5 %, den Kraftstoffverbrauch um 20,2% verringert, was unterm Strich zu einem Rückgang der THG-Emissionen um 19,2% pro Kilogramm geführt habe.
Die heute erreichten Werte für Futterverwertungseffizienz, Reproduktionsleistung und Wachstumsraten ließen vermuten, dass bei Schweinen und Geflügel ein Maximum in Sichtweite sein könnte. Bei Wiederkäuern sähe es allerdings ganz anders aus: die Weltrekord-Milchkuh aus Wisconsin lieferte sagenhafte 35.457 kg Milch in einer einzigen Laktation, was einen weiteren linearen Anstieg des (möglichen) durchschnittlichen Milchertrags erwarten ließe. Ein Hinweis auf Zielkonflikte zwischen Produktivität und Tierwohl. Ebenso wie die Ergebnisse zweier Studien zur weidebasierten Rinderhaltung, die eine um 302% höhere Wassernutzung und eine 68%-ige Zunahme der THG-Emissionen gegenüber Feedlots zeigten.
Für Capper hängt deshalb „die zukünftige Nachhaltigkeit der Viehwirtschaft davon ab, dass die relative Bedeutung der Umweltverantwortung erfolgreich kommuniziert und die Nachhaltigkeitsmerkmale unterschiedlicher Produktionssysteme sowohl quantifiziert als auch qualifiziert werden.“
Die Engländerin definiert ferner drei Probleme, die sofort angegangen werden müssten: (1) Änderung der Berechnung für THG-Emissionen, (2) Einbeziehung von nicht vom Menschen essbaren Futtermitteln und (3) Priorisierung der Tiergesundheit und des Tierschutzes.
Bei Punkt 1, den THG-Emissionen, bezieht sich Capper auf die Forschungsergebnisse von Allen et al. zum Abbau von Methan in der Atmosphäre (Link).
Um Getreide und Ölsaaten in der Tierernährung zu ersetzen, sei 2. eine nachhaltige Intensivierung bei den Kuppelprodukten notwendig, vom Biertreber über Zitrusfruchtpulpe bis zum Insektenprotein.
3. gelte es die Tiergesundheit zu verbessern, schon allein, weil laut FAO jährlich 20% des tierischen Proteins aufgrund von Tierseuchen verloren gingen.
„Zukünftige Tierhaltungssysteme müssen entweder nachweisen, dass eine Intensivierung der Produktion ein Synonym für Gesundheit und Wohlbefinden sein kann, oder die Systeme entsprechend ändern, sodass ein akzeptabler Mittelweg gefunden werden kann“ schreibt Capper – nicht zuletzt im Hinblick auf den Antibiotikaeinsatz.
Für die Zukunft hält die Autorin den Ansatz tierische Produkte über Steuern zu verteuern für denkbar, wenn eine Verbrauchssenkung gesellschaftlich erwünscht wäre. Gleichzeitig müssten dann aber auch Vermarktungsmöglichkeiten geschaffen werden für Produkte, die auf verbesserten Tierschutz, Umweltauswirkungen oder Ernährungsqualität beruhen.
Um zukunftsfähig zu sein, müsse die Branche heute Kommunikationskanäle öffnen, welche die jüngere Generation, die in 10 Jahren Kaufentscheidungen treffen wird, aufklären und begeistern. Die Herausforderung bestehe darin, „eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung einzuführen, um eine nachhaltige Intensivierung voranzutreiben, die eine verbesserte Gesundheit für Tiere, Menschen und den Planeten umfasst.“
Link zum Originalartikel: Judith L. Capper
Animal Frontiers, Vol. 10, Issue 4, October 2020,