Tierärzteverband startet Unterschriftenkampagne gegen weitreichendes Antibiotikaverbot

Bild © bpt

Mit einem Aufruf an seine Mitgliedspraxen startet der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) morgen eine Kampagne, um bei Tierhaltern aller Tierarten bis zum 8. September Unterschriften gegen das vom EU-Parlament geplante weitreichende Antibiotikaverbot zu sammeln. Im Vorfeld der finalen Abstimmung in Brüssel Mitte September sollen die gesammelten Unterschriften an die deutschen Abgeordneten im EU-Parlament übergeben werden. Damit will der Verband ein starkes politisches Zeichen setzen und deutlich machen, dass er das geplante Anwendungsverbot bestimmter Antibiotika bei Tieren für tierschutzwidrig hält, weil viele Krankheiten dann nicht mehr oder nicht mehr adäquat behandelt werden könnten.

„Tierhalter müssen erfahren, was in Brüssel weitgehend im Verborgenen vor sich geht und welche Konsequenzen die zu befürchtende Entscheidung für ihre Tiere haben wird. Fakt ist, dass das Europäische Parlament wissenschaftliche Fakten ignoriert und nicht nur, wie vorgegaukelt wird, Nutztiere von einem Anwendungsverbot betroffen wären, sondern alle Tierarten“, erläutert bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder die Kampagne. „Zum Wohl aller Tiere müssen wir uns deshalb dafür einsetzen, dass alle für die Tiermedizin zugelassenen Antibiotika auch in Zukunft weiter zur Behandlung zur Verfügung stehen. Anderenfalls würde es schlimmstenfalls den Tod vieler Tiere bedeuten.“

Der Ruf nach Einschränkungen von Antibiotika in der Tierhaltung wegen zunehmender Resistenzen ist populär, doch kaum einer kennt Details oder Zusammenhänge. Nachgewiesenermaßen stammen nur etwa fünf Prozent der Antibiotikaresistenzen aus der Tierhaltung. „Deshalb macht es wenig Sinn, den Antibiotikaeinsatz bei Tieren immer weiter zu reglementieren, anstatt dort genauer hinzuschauen, wo Antibiotika inflationär eingesetzt werden und Resistenzen in der Masse wirklich entstehen“, betont Moder. Schließlich sind auch Tierärzte Menschen und wollen bei bakteriellen Infektionskrankheiten ebenso gut behandelt werden können wie jeder andere auch.“

Parallel zur Unterschriftenkampagne wurde auch eine Online-Petition gestartet, die inhaltlich auf die bpt-Kampagne Bezug nimmt, aber nicht vom Verband initiiert ist. Die Online-Petition zielt primär auf Social Media-Nutzer und soll auch die Tierhalter/innen mitnehmen, die im Aktionszeitraum nicht in die Tierarztpraxen kommen und sich deshalb nicht direkt an der Unterschriftenkampagne beteiligen können.

Hintergrund
Im Jahr 2019 wurde die (neue) EU-Tierarzneimittelverordnung 2019/6 verabschiedet. In einem Nachfolgerechtsakt müssen EU-Kommission, Mitgliedsstaaten und EU-Parlament bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im Januar 2022 festlegen, welche Antibiotika künftig für den Menschen vorbehalten und damit für die Tiermedizin verboten werden sollen.

Im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments (ENVI) wurde Mitte Juli über einen von der Kommission dazu vorgelegten Entwurf für die Verordnung über „Kriterien für die Einstufung antimikrobieller Mittel, die für die Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind“ abgestimmt. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen hat der ENVI den auf wissenschaftlicher Expertise basierenden Kommissionsvorschlag abgelehnt, obwohl er mit der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) sowie EFSA, ECDC, OIE und WHO abgestimmt war, mithin also ein echter One-Health-Vorschlag ist.

Sollte der im ENVI beschlossene Entschließungsantrag auch im Europäischen Parlament eine Mehrheit finden, wäre ein komplettes Anwendungsverbot von Fluorchinolonen, Cephalosporinen der 3.und 4. Generation, Polymyxinen und Makroliden in der Tiermedizin kaum mehr abzuwenden. Von dem Anwendungsverbot wären entgegen den Aussagen im Entschließungsantrag nicht nur landwirtschaftliche Nutztiere, sondern alle Tierarten betroffen mit dramatischen Auswirkungen für die Therapie von Tieren. Nach Auffassung der EU-Kommission wären auch keine Ausnahmen für Einzeltiere bei schwerwiegenden Infektionen möglich, da die EU-Verordnung 2019/6 eine Reservierung von Wirkstoffen für die Humanmedizin vorsieht und dies über ein Ruhen bzw. Einziehen der Arzneimittelzulassung(en) erfolgen soll.

Quelle: bpt

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein