Interview: Kühe länger melken: Was bedeutet das für die Kälberaufzucht?

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge, Fachhochschule Kiel

In letzter Zeit diskutieren viele Fachleute über eine verlängerte Zwischenkalbezeit bei Kühen, die auch am Ende der Laktation noch eine sehr hohe Milchleistung haben. Was bringt das den Kühen und profitieren davon eventuell auch die Kälber? Das wollten wir von Frau Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge wissen, die an der Fachhochschule Kiel forscht und lehrt.

Frau Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge, eine verlängerte Zwischenkalbezeit – was hat es damit auf sich?
Mein Fokus liegt nicht primär auf der ZKZ, sondern viel „weiter vorne“, nämlich bei der verlängerten freiwilligen Wartezeit. Ob die am Ende eine verlängerte ZKZ zufolge hat, weiß ich im Vorweg noch nicht. Denn wenn der Besamungsindex sich dadurch verbessert, könnte es ja sein, dass die ZKZ sich gar nicht so dramatisch verändert. Ich muss immer durch die Brille der einzelnen Kuh schauen. Wir wissen, dass die Leistung unserer Milchkühe von Generation zu Generation immer ein wenig gesteigert worden ist. Wir haben viele Kühe mit wahnsinnig hohen Milchleistungen und zwar in der Frühlaktation. 90-95 % unserer Milchkühe befinden sich in den ersten Wochen der Laktation in einer sehr stark negativ ausgeprägten Energiebilanz. Und diese Negativ-Bilanz ist immer tiefer geworden, der Nadir, also der Tiefpunkt der negativen Energiebilanz, ist weiter nach unten gerutscht, je höher die Leistung der Milchkühe stieg; zumindest betrifft das einen Großteil der stark auf Umsatz gezüchteten Kühe. Die Kühe gehen sehr stark an ihre Substanz. So haben wir die meisten Mastitiden auch deshalb in der Frühlaktation, weil die Tiere unzureichend Energie für ihre Immunität aufwenden können. Die Kühe investieren wirklich alles in die Milch.

Zweitens gibt es heute sehr viele umsatzstarke Tiere, die in der Spätlaktation gar nicht mehr die Möglichkeit haben richtig aufzufleischen und dann in der folgenden Frühlaktation ggf. sogar unterkonditioniert sind. Deshalb muss ich mich als Tierhalter fragen, wie ich meine Kühe unterstützen kann? Soll ich sie für ihre Leistungsbereitschaft in der Frühlaktation quasi „bestrafen“, indem ich ihr noch mal eine Leistung mehr abverlange durch eine erneute Besamung? Die Fruchtbarkeitsparameter zeigen ja, nicht bei den Jungrindern, aber bei den Kühen, dass sich die Fruchtbarkeit verschlechtert hat. Es wird immer Betriebe mit höchster Herdendurchschnittsleistung und toller Fruchtbarkeit geben, aber bei der Vielzahl der Betriebe schaffen wir das nicht.

Aber ich kann meine Tiere unterstützen, indem ich sie einfach eine Zeitlang „in Ruhe lasse“. Selbstverständlich müssen wir sie im „Repro-Management“ haben. Sie sollen sauber sein und eine Brunst will ich auch schon gesehen und die Kühe im Zyklus haben, aber ich verzichte auf eine schnelle Besamung.

Warum wird diese Methode derzeit immer häufiger vorgestellt?
Auslöser waren u.a. auch die Publikationen der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern vor einiger Zeit. Da denke ich an Jana Harms und Dr. Anke Römer, die aufgezeigt haben: Je höher die Milchleistung ist, umso erfolgreicher, aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel, kann es sein, die Rastzeit (in bestimmten Grenzen) zu verlängern. Aber für gewisse Gedanken muss die Zeit eben erst reif sein.

Für welche Betriebe eignet sich die verlängerte Zwischenkalbezeit?
Hier ist zunächst Mal Vorsicht geboten: Im größeren Stil angewandt, passt die verlängerte ZKZ nur zu einigen, wenigen Betrieben. Egal ob im 150er Stall oder in der 2.000er Anlage: Wenn ich das einzelne Tier nicht mehr sehe, ist diese Herde für mich zu groß, denn ich muss immer tierindividuell entscheiden. Die Kühe in unserem Betrieb haben eine Durchschnitts-Jahresleistung von 11.600 kg und trotzdem gibt es einige Damen in der Herde, die wir deutlich früher besamen, weil sie nicht so stark in die negative Energiebilanz gerutscht sind. Bei anderen Kühen müssen wir 150 Tage und manchmal noch länger die Füße stillhalten, weil jedes Tier zu wertvoll ist, um allzu schnell abgehen zu müssen. Als erste Orientierung für eine betriebsindividuelle Entscheidung kann man sagen: Die Herdendurchschnittsleitung sollte sehr hoch sein und viele Kühe sollten eine ausgeprägt gute Persistenz haben. Wenn dann eventuell mehr als 20 % der Tiere gegen Ende der Laktation ein wenig „schmal auf der Brust“ sind, weil sie sich bis zum Ende verausgabt haben und schlussendlich zum Trockenstelldatum immer noch viel Milch geben, dann kann ich überlegen ihnen etwas mehr Zeit zu geben, um wieder Substanz aufzubauen. Grundsätzlich aber darf eine verlängerte freiwillige Wartezeit kein Freifahrtschein sein, Fruchtbarkeits- und Repro-Management zu vernachlässigen.

Mit wieviel Milchleistung sollte eine Kuh trockengestellt werden und ab welcher Leistung ist das problematisch?


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