Interview: Kuhgebundene Kälberaufzucht: Gewinn für Kuh, Kalb und Landwirt?

Dr. Kerstin Barth, Thünen-Institut für Ökologischen Landbau

Es gibt in Deutschland etwa 150 bis 200 Milchviehbetriebe, in denen Kälber mit ihren Müttern oder Ammenkühen aufgezogen werden, schätzt Dr. Kerstin Barth vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau. Im Thünen-Institut selbst wird diese Haltungsform bereits seit 2003 praktiziert und beforscht. Wir haben die Wissenschaftlerin gefragt, was hierbei besonders zu beachten ist.

Frau Dr. Barth, Mutterkuhhaltung kennen wir schon lange von den Fleischrindern. Aber eignet sich auch jede Milchkuh(-rasse) für eine kuhgebundene Kälberaufzucht?
Bisher ist nicht bekannt, dass es Rassen gäbe, die nicht geeignet wären. Da es sich ja um die natürliche Aufzuchtform handelt, halte ich es auch für unwahrscheinlich.
Die Variabilität bei Kühen ist natürlich groß und auch das Interesse am eigenen Kalb ist unterschiedlich stark ausgeprägt, aber in unserem Versuchsbetrieb mit Deutschen Holstein-Kühen haben wir ganz, ganz selten mal eine Kuh, die sich ihrem Kalb nicht zuwendet. Auf der anderen Seite gibt es auch einige wenige Kühe, die so aggressiv auf den Menschen reagieren, dass wir ihnen das Kalb wegnehmen müssen. Da hängt aber auch viel von der Tier-Mensch-Beziehung ab.

Eignet sich denn auch jeder Betrieb für kuhgebundene Kälberaufzucht oder welche (baulichen) Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Das hängt tatsächlich auch von den baulichen Gegebenheiten, der Lage der Gebäude und deren Ausgestaltung ab. Kälber sollten beispielsweise immer einen Rückzugsraum haben, d. h. es muss eine bauliche Anbindung geben, wenn Kuh und Kalb miteinander in Kontakt kommen sollen. Alternativ könnte man die Kühe während der Kälberaufzucht nicht melken und Kühe und Kälber in einem extra Gebäude halten. Ein Laufstall mit Spaltenboden, der für Kühe angepasst wurde, ist für Kälber natürlich nicht geeignet. Schon aufgrund der baulichen Gegebenheiten könnten Betriebe nicht so ohne weiteres ihre Aufzucht umstellen.

Üblicherweise kommen die Kälber nach der Geburt ja zunächst in eine Einzelbox. Wie sieht das bei der mutter- oder kuhgebundenen Haltung aus?
Wir halten z. B. Kuh und Kalb länger im Abkalbebereich. Entweder in der Einzel-Abkalbebox, damit auch die Bindung richtig aufgebaut werden kann oder man hat eine kleinere Gruppenabkalbung, in der die Kälber spätere Ammenkühe schon kennenlernen und umgekehrt.

Ab wann kann man eigentlich von „muttergebunden“ sprechen? Reichen zwei Stunden Kontakt am Tag oder sollte es schon echter Dauerkontakt sein?


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