Kälberflechte – Ein unterschätztes Alarmsignal

Von Dr. Joachim Lübbo Kleen, Dip. ECBHM, Fachtierarzt für Rinder, CowConsult

Die Trichophytie kommt auch heute noch in vielen Beständen regelmäßig vor und wird nicht selten als ein unvermeidliches, aber nicht besonders dramatisches Übel betrachtet. Trotzdem sollte diese Hauterkrankung nicht nur wahrgenommen, sondern auch ernst genommen werden, denn sie deutet auf Probleme in Haltung und Management hin. Maßnahmen gegen die Trichophytie kommen hierbei regelmäßig der allgemeinen Tiergesundheit zugute.

Die Trichophytie ist allgemein als Flechte bekannt und wird, je nach Vorkommen, auch als Glatz-, Brillen-, Rinder- oder einfach Kälberflechte bezeichnet. Das Erscheinungsbild ist typisch und zeichnet sich durch krustenartige Hautveränderungen aus, die je nach Schwere der Erkrankung lokal, vor allem am Kopf oder auch generalisiert am gesamten Tierkörper auftreten können. Erreger der Erkrankung beim Rind ist hauptsächlich der Hautpilz Trichophytie verrucosum, daneben werden andere Arten beim Rind, aber auch bei anderen Tierarten berichtet. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass Trichophytie nicht nur Rinder, sondern praktisch alle Haustiere und auch die Schadnager befällt. Eine Infektion von Rindern durch andere Säugetiere ist so ebenfalls möglich. Allgemein bekannt ist auch, dass Trichophytie eine Zoonose ist, also auch der Mensch daran erkranken kann. Zudem können Menschen und Tiere im Leben mehrfach an Flechte erkranken und die Immunität nach überstandener Erkrankung gilt als nicht stabil. Die Erkrankung beginnt mit dem Eintritt des Erregers in die Haut durch oberflächliche Hautläsionen. Insbesondere bei Tieren mit geschwächtem Immunsystem kann sich Trichophytie dann in der Haut etablieren und befällt deren obere Schichten. Die sich ringförmig ausbreitende Entzündung führt innerhalb von einigen Wochen dann zu den charakteristischen grauen Krankheitsherden, die sich je nach Abwehrlage des Tieres weiter ausbreiten. Unbehandelt dauert die Krankheit bis zu einem halben Jahr an, wobei die Hautveränderungen noch bis zu einem Jahr sichtbar sein können. In Deutschland gelten ungefähr die Hälfte der Bestände als von Trichophytie betroffen, in den Beständen können bis zu 60 % der Tiere, vor allem Jungtiere, erkranken. Regelmäßig werden aber auch adulte Tiere mit klinisch manifester Trichophytie angetroffen. Der Erreger wird von jedem erkrankten Tier in die Umgebung verteilt und kann sich an Oberflächen ablagern. Dort ist er bis zu sieben Jahre aktiv und kann zu Neuerkrankungen führen.

Immungeschwächte Tiere erkranken häufiger
Eine oft zu hörende Einschätzung ist, dass Flechte nicht behandlungswürdig sei, da sie insbesondere von Kälbern einmal „durchgemacht“ werden müsse. Trichophytie wird also häufig als unvermeidliche Beeinträchtigung betrachtet. Behandlungen werden häufig auch nur dann in Betracht gezogen, wenn ein Tier übermäßig befallen ist oder im Rahmen von Tierschauen oder Auktionen präsentiert werden soll. Tatsächlich ist über die direkten Folgen der Infektion relativ wenig bekannt. Es gilt als gesichert, dass Tiere mit Flechte geringere Gewichtszunahmen erreichen und häufiger von Erkrankungen der Atemwege oder Durchfallerkrankungen betroffen sind. Es wäre zu viel gesagt, der Trichophytie hier eine ursächliche Wirkung zuzuschreiben, aber im Gesamtbild wird die Bedeutung der Erkrankung deutlich: Tiere mit geschwächter Abwehrlage sind sowohl gegen die Erreger der Flechte als auch andere Krankheitserreger empfindlich. So können die Erkrankungen zusammen auftreten und sich jeweils begünstigen. Tiere mit Allgemeinerkrankungen zeigen ein schwereres klinisches Bild bei der Trichophytie, während Trichophytie durch den Entzündungsprozess und dessen Folgen andere Erkrankungen begünstigen kann. Die Erkrankungen verstärken sich so gegenseitig. Trichophytie sollte also nicht als leidiges Übel, sondern vielmehr als Alarmsignal verstanden werden, das auf tieferliegende Probleme in der Tiergesundheit hinweist. Eine umfassende Kontrolle der Flechte trägt somit auch maßgeblich zur Verbesserung der allgemeinen Tiergesundheit bei.

Auch der Mensch kann erkranken


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