Dr. Peter Scheibl* widmete sich bei der diesjährigen Tierschutztagung dem „schwebenden Verfahren“ in Sachen Anbindehaltung. Bislang gibt es nur einen Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes, das Thema wird aber schon lange öffentlich diskutiert.
Fachlich unstrittig sei, dass in der Anbindehaltung letztlich alle natürlichen Verhaltensweisen von Rindern widersprechen, sagte Scheibl. Bewegungsmöglichkeiten, Körperpflege- und Sozialverhalten würden eingeschränkt.
Die Bewertung jedes Einzelfalls hänge jedoch maßgeblich davon ab, ob es Zeiten ohne Fixierung gebe, wie etwa saisonale Anbindung, täglichen Auslauf, Weidegang an mehreren Tagen pro Woche. Auch bauliche Gegebenheiten und Bodenbeschaffenheit des Stalls seien zu berücksichtigen, eine dauerhafte Anbindung im Stall jedoch unstrittig tierschutzwidrig.
Gegen ein Verbot dieser Haltungsform würde immer wieder argumentiert, dass sie ohnehin auslaufe und von einem Verbot vor allem kleine Betriebe betroffen wären. Zieht man aber die Statistik zu Rate, zeigt sich der lange Zeithorizont des „automatischen“ Auslaufens. 2010 gab es 3,0 Mio., 2020 immer noch 1,1 Mio. Betriebe.
In Bayern ist der Neubau von Ställen mit ganzjähriger Anbindung seit 2022 verboten, die Umstellung auf Laufställe wird zudem finanziell gefördert. Erhaltung der Kulturlandschaft und Förderung der Biodiversität dürften hier eine wichtige Rolle spielen.
Zwar seien tierschutzrechtliche Anordnungen bereits gerichtlich bestätigt worden, das Verwaltungsgericht Münster etwa schrieb 2022 einen Betrieb vor, seinen Tieren mindestens vom 1.6. bis zum 30.9. täglich mindestens zwei Stunden Auslauf auf einer Weide zu gewähren. Für Amtstierärzte bleibe die Bewertung einzelner Ställe so lange schwierig, bis eine konkrete gesetzliche Regelung vorliege, führte Scheibl aus. Und auch danach würde sich die Frage der Vollziehbarkeit stellen: wie soll die Einhaltung von Zeitfenstern ohne Fixierung tatsächlich überwacht werden?
* Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)