Bewertung von Maul-Nasenringen bei Rindern unter dem Aspekt des Tierschutzes #TiHo-Tierschutztagung 2024

Im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurden die Folgen des Einsatzes von Maul-Nasenringen, in engem Austausch mit Juristen, tierschutzfachlich bewertet. Die Einschätzung des Amtes erläuterte Dr. Anne Rößler* auf der diesjährigen Tierschutztagung in Hannover.

Maul-Nasenringe (Oberlippen-Nasenringe) sollen das gegenseitige Besaugen von Färsen und Milchkühen verhindern. Beim entsprechenden Eingriff werden Oberlippe, Nasenhöhle und Nasenscheidewand des Tieres durchstochen und auch wenn dies fachgerecht durchgeführt werde (mit Sedation, Lokalanästhesie und Schmermedikation), käme es in der Abheilungsphase zumindest beim Fressen und Trinken immer wieder zu Schmerzspitzen, sagte die Tierärztin. Ebenso könnten während dieser Zeit  Mikroverletzungen bei Körperpflege, Kontakt mit Stalleinrichtungen und Artgenossen auftreten, weil der frischeingezogene Ring immer wieder bewegt und damit das durchstochene Gewebe weiter traumatisiert würde, auch könnten Entzündungen und Abszesse auftreten.

Zwar gäbe es erst wenige Studien zum Thema, aber nach Einschätzung des LGL behindern die Maul-Nasenringe den Aufbau eines Unterdrucks in der Maulhöhle des Rindes als Saugtrinker. Auch sei davon auszugehen, dass die Beweglichkeit von Oberlippe, Flotzmaul und Nase eingeschränkt würden und natürliche Verhaltensweisen der Tiere behinderten. Etwa das Flehmen und Belecken von Nasenlöchern, Eutern und dem Zwischenschenkelbereich. Schließlich bestehe auch ein Risiko, dass sich Kühe am Maul verletzen, wenn sie mit dem Ring etwa an Fütterungs- oder Tränkeinrichtungen hängenblieben.

Dabei gäbe es zur Prävention des Euterbesaugens Alternativen. Dieses Fehlverhalten zeige vor allem Defizite in Management der Tiere, denn es bestünde ein enger Zusammenhang zwischen Besaugen im Kälberalter und bei erwachsenen Kühen. Gegenseitiges Besaugen ließe sich bei Kälbern durch verbessertes Absetzmanagement und Optimierung von Haltung und Fütterung in den ersten Lebenswochen erheblich reduzieren.

Träte das Besaugen bei einzelnen Kühen doch auf, sollten sie schnellstmöglich von der Gruppe getrennt werden. Weil sich das Fehlverhalten auch durch Nachahmung verbreite, sei auch die frühzeitige Schlachtung eines Einzeltieres in Betracht zu ziehen. Ebenso sollten Kühe die eine Prädisposition fürs Besaugen vererben, möglichst von der Zucht ausgeschlossen werden, auch wenn die Heritabilität nur bei 3,7% läge.

Offtmals ließen sich nur bestimmte Tiere in der Herde besaugen. Bei festen Tierkonstellationen könne z. B. der Einsatz von Euternetzten das besaugte Tier schützen.

Ferner könnten sog. Saugschutzhalfter am besaugenden Tier zielführend sein. Wenn sich andere Mittel als unwirksam erwiesen hätten, sei der Gebrauch von Saugstoppringen („Klemmringen“) möglich. Dabei sei darauf zu achten, dass Halfter und Klemmringe regelmäßig kontrolliert werden und nicht dauerhaft am Tier verbleiben, da bei ersteren Scheuerstellen, bei letzteren Läsionen der Nasenscheidewand, entstehen können. Anders als bei Maul-Nasenringen, die, obwohl oftmals nicht erforderlich, darauf abzielen, durch dauerhaften Verbleib am Tier ein Besaugen mechanisch unmöglich zu machen, bestehe das Ziel dieser Methoden darin, den Tieren das unerwünschte Verhalten abzugewöhnen. Der Erfolg der Maßnahme müsse überprüft werden, indem Halfter oder Ring abgenommen und darauf geachtet wird, ob das Tier gelernt hat, das Besaugen zu unterlassen. Bei der Verwendung von Saugstoppringen müsse eine sachgerechte Anbringung gesichert sein. Insbesondere dürfe der Ring nicht so fest angebracht werden, dass er Drucknekrosen der Nasenscheidewand verursacht.

* Landesinstitut Tiergesundheit I, Sachgebiet Tierschutz