Aktuelles Interview: Federpicken bei der Legehenne – Hat die „inneren Uhr“ etwas damit zu tun?

Prof. Dr. Werner Bessei

Federpicken ist ein unerwünschtes Verhalten von Legehennen, das sich oft schon in den ersten Lebenswochen einstellt und unbehandelt zu schweren Verletzungen unter den Tieren führen kann. Die Wissenschaft ist sich nach wie vor uneins, welche Faktoren ursächlich Auslöser für dieses Verhalten sind. Prof. Dr. Werner Bessei, Institut für Nutztierwissenschaften der Universität Hohenheim, sowie Senior Vice-President der World Poultry Science Association (WPSA) und Präsident der deutschen Zweigstelle, hat in diesem Zusammenhang den circadianen Rhythmus einmal genauer betrachtet.

Herr Prof. Bessei, hat die Wissenschaft schon eine Erklärung für das Federpicken?
Die Forschung nach den Ursachen des Federpickens beim Geflügel hat bisher nicht zu einem entscheidenden Durchbruch geführt. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Faktoren mit Federpicken in Zusammenhang gebracht, wie z. B. die Ernährung, Haltung (Einstreu, Besatzdichte, Gruppengröße), Genetik, Klima und Licht. Basierend auf diesen Kenntnissen wurden Management-Maßnahmen zur Verhinderung dieses schadensträchtigen Verhaltens entwickelt. Das Resultat war jedoch in den meisten Fällen nicht überzeugend. Von allen Maßnahmen hat sich das Absenken der Lichtintensität als wirksamste Methode zur Kontrolle des Federpickens herausgestellt. Da nach der Tierschutznutztierverordnung jedoch eine Lichtintensität von mindesten 20 Lux vorgeschrieben ist, kann diese Maßnahme nur bedingt eingesetzt werden.

Inwiefern beeinflusst Licht das Federpicken?
In der Praxis werden häufig Ausbrüche von Federpicken beobachtet, wenn im Frühjahr Sonnenlicht durch Fenster oder Lichtbänder in den Stall fällt. Die Lichtintensität steigt dann in den von der Sonne angestrahlten Bereichen von etwa 20 auf mehrere Tausend Lux an. Zur Verhinderung von Federpicken wurden deshalb früher die Fenster in Hühnerställen mit roter Farbe angestrichen. In einer fand man heraus, dass durch hohe Lichtintensität besonders das starke und schädigende Picken anstieg. Das leichte Federpicken, das keine oder nur unbedeutende Gefiederschäden erzeugt, stieg dagegen bei niedriger Lichtintensität an. Trotz der seit langer Zeit bekannten Wirkung des Lichts auf Federpicken wurden bisher nur wenige Versuche dazu durchgeführt. Die Wirkungsweise des Lichts auf Federpicken ist nicht bekannt. Es wurde spekuliert, dass die Hennen bei sehr niedriger Lichtintensität nicht in der Lage sind, zielgenau zu picken, um die Federn zu fassen und heraus zu ziehen. Diese Erklärung ist jedoch nicht zutreffend, denn Hennen können auch bei sehr geringer Lichtintensität noch kleine Unterschiede in der Größe von Futterpartikeln erkennen. Auch Untersuchungen zur Wirkung verschiedener Lichtquellen und -farben auf Federpicken haben bisher keine eindeutigen Ergebnisse erbracht.

Neuere genomische Studien an Legehennen, die auf hohes und niedriges Federpicken selektiert worden waren, zeigten, dass die Expression verschiedener Gene unterschiedlich auf die Lichtintensität reagiert. Unter anderen waren hiervon auch Gene betroffen, die mit der zentralen inneren Uhr und somit mit dem circadianen Rhythmus zusammenhängen. Dies ist insofern interessant, als dass Störungen des circadianen Rhythmus bei Menschen und Versuchstieren zu schwerwiegenden Verhaltensstörungen wie Hyperaktivität, Hyperaggression, extremer Furcht und Schizophrenie führen können. Es stellte sich somit die Frage, ob nicht auch das Federpicken beim Huhn als Verhaltensstörung im Zusammenhang mit einer Störung des circadianen Rhythmus steht. Dieser Aspekt wurde bisher nicht in Betracht gezogen.

Was versteht man unter dem circadianen Rhythmus?
Die innere Uhr ist genetisch veranlagt und erzeugt einen autonomen unabhängigen Tagesrhythmus, der im Bereich von etwa 24 Stunden liegt. Er wird deshalb circadianer Rhythmus genannt.


Zuerst erschienen im zweimonatlichen Hoftierarzt E-Magazin. Zum kostenfreien Abo bitte einfach hier anmelden und dann den Link in der Bestätigungs-Mail anklicken. Anschließend den ganzen Artikel in der letzten Ausgabe weiterlesen: