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Neues Projekt schafft Datenbasis für Karpfenteichwirtschaft

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Die Landesanstalt für Landwirtschaft mit ihrem Institut für Fischerei (IFI) hat ein zukunftsweisendes Projekt zur Stärkung und Weiterentwicklung der Karpfenteichwirtschaft in Bayern gestartet. Zuständig dafür ist die IFI-Außenstelle in Höchstadt an der Aisch. Ziel des Projekts „TeichTestNetz“ ist es, durch eine jährliche Datenerhebung von bayernweit 100 repräsentativen Karpfenteichen erstmals eine fundierte und objektive Grundlage über die Situation und Entwicklung der Branche zu schaffen. Interessierte Betriebe können sich melden.

Die Karpfenteichwirtschaft in Bayern kann auf eine teils tausendjährige Tradition zurückblicken. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der regionalen Landwirtschaft und Naturlandschaft. Dennoch fehlt es bislang an einer umfassenden, wissenschaftlich abgesicherten Datenbasis, die sowohl den Betrieben selbst als auch der Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit ein realistisches Bild der aktuellen Lage und der Entwicklungsmöglichkeiten vermittelt.

Das neue Projekt „TeichTestNetz“ setzt genau hier an: Über einen Zeitraum von mehreren Jahren werden auf 100 ausgewählten Karpfenteichen in ganz Bayern detaillierte Produktions- und Vermarktungsdaten erhoben. Im Fokus stehen dabei neben den Produktionsmengen und Verlusten vor allem wirtschaftliche Aspekte – also die Frage, wie rentabel und zukunftsfähig die Teichwirtschaft in Bayern ist. Der Leiter der Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft, Dr. Martin Oberle, ist sich sicher: „Mit diesem Projekt schaffen wir eine wichtige Grundlage, um die Entwicklung und Probleme der Karpfenteichwirtschaft in Bayern auch für Branchenfremde nachvollziehbar zu machen. Die gewonnenen Daten helfen uns, gemeinsam Maßnahmen umzusetzen, welche die Teichwirtschaft nachhaltig stärken und zukunftsfähig machen.“

Vorgehen und Methodik
Die Besonderheit des Projekts: Pro Teilnehmer-Betrieb wird während der gesamten Projektlaufzeit – also bis Ende 2029 – nur ein durchschnittlicher Teich erfasst. Dadurch bleiben Rückschlüsse auf den gesamten Betrieb ausgeschlossen und die Anonymität gewahrt. Gleichzeitig ermöglicht diese Herangehensweise eine besonders detaillierte Erfassung der Situation auf Teich-Ebene. Durch eine repräsentative Verteilung der Projekt-Teiche über ganz Bayern ist eine Hochrechnung möglich, sodass die Gesamtheit der Daten ein realistisches Abbild der bayerischen Teichwirtschaft ergibt. Die wissenschaftliche Projektbearbeiterin, Lena Bächer, nennt die Vorteile an diesem Vorgehen: „Kein teichwirtschaftlicher Betrieb muss bei der Teilnahme Sorge haben, dass seine Daten nachverfolgbar in die Öffentlichkeit gelangen. Wir als Institut für Fischerei können gleichzeitig mit der detaillierten und kontinuierliche Datenerhebung langfristige Trends erkennen und diese anonymisiert veröffentlichen. Dies schafft eine wissenschaftlich fundierte Argumentationsbasis.“

Die teilnehmenden Betriebe erhalten jährlich ein einfaches, an bestehende Dokumentationspflichten angelehntes Abfrageblatt – wahlweise in Papierform oder digital. Der Zeitaufwand für die Teichwirte und Teichwirtinnen wird dadurch so gering wie möglich gehalten. Bei erstmaliger Teilnahme sind Betriebsbesuche durch die wissenschaftliche Projektbearbeiterin Lena Bächer geplant, um die Betriebe persönlich kennenzulernen, offene Fragen zu klären und das Ausfüllen der Unterlagen zu unterstützen. Nach Rücksendung der Abfrageblätter erhalten die Betriebe eine Aufwandsentschädigung und auf Wunsch eine individuelle Wirtschaftlichkeits- und Effizienzberechnung.

Das Projekt wird durch Mittel des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF) finanziert, vom IFI geleitet und in enger Zusammenarbeit mit dem Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e.V. (LKV) sowie den Fischereifachberatungen umgesetzt. Die Auswahl der 100 Teiche erfolgt direkt durch das IFI oder über die Ringberater des LKV. Interessierte Karpfenteichwirte können sich jedoch auch selbst beim IFI melden und einen ihrer Teiche für die Teilnahme vorschlagen.

Bedeutung und Ausblick
Die gesammelten und ausgewerteten Daten werden jährlich anonymisiert bzw. in Form von Mittelwerten veröffentlicht und dienen als Grundlage für wissenschaftliche Analysen, gezielte Beratung und die Weiterentwicklung von Fördermaßnahmen sowie für politische Entscheidungsprozesse. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für die Teichwirtschaft in Bayern nachhaltig zu verbessern – etwa durch Anpassungen in der Förderung oder Gesetzgebung. Langfristig ist es wünschenswert, dass die teilnehmenden Betriebe auch nach Ende des Projekts weiterhin jährlich ihre Daten melden. So kann die geschaffene Datenbasis zu einer echten Entwicklungskurve ausgebaut werden, die nicht nur einzelnen Betrieben, sondern der gesamten Branche zugutekommt. Eine möglichst breite Beteiligung stärkt die Aussagekraft der Ergebnisse und hilft, die Zukunft der bayerischen Karpfenteichwirtschaft zu sichern.

Quelle: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)

Amt der Bundestierschutzbeauftragten wird fortgeführt

Bundestierärztekammer betont Relevanz und Bedeutung für den Tierschutz

Die Bundestierärztekammer (BTK) begrüßt die Entscheidung des Bundesministers Alois Rainer das Amt der Bundestierschutzbeauftragten fortzuführen. Die BTK wünscht der vorgeschlagenen Kandidatin, der Parlamentarischen Staatssekretärin Silvia Breher, bei Übernahme des Amtes eine erfolgreiche Hand für die bevorstehenden Entscheidungen und setzt auch künftig auf einen konstruktiven Dialog und einen wertschätzenden fachlichen Austausch. „Notwendige Maßnahmen im Tierschutz – sowohl im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung als auch bei Heim- und Hobbytieren – müssen weiterhin mit Nachdruck benannt und die Tierärzteschaft aktiv in die Gestaltung tierschutzrelevanter Themen eingebunden werden. Die BTK bietet hierfür ihre umfassende Expertise und Unterstützung ausdrücklich an“, betont BTK-Präsident Ltd. VD Dr. Holger Vogel.

So ist eine klare Positionierung der Bundesregierung zur Nutztierhaltung und zu Tiertransporten dringend erforderlich. Landwirt:innen benötigen Planungssicherheit, um mehr Tierschutz in ihren Betrieben umsetzen zu können. Hierfür sollten unbedingt auch die bestehenden Lücken der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geschlossen werden. Nach wie vor fehlen gesetzliche Haltungsanforderungen für erwachsene Rinder, Mastputen, Wassergeflügel, Junghennen, Geflügelelterntiere und Bruderhähne. Ein wichtiger Schritt ist außerdem die Einführung eines obligatorischen Prüf- und Zulassungsverfahrens für Stallsysteme. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass selbst neu gebaute Ställe nach heutigen „Tierwohlkriterien“ häufig noch zu gesundheitlichen Problemen bei den Tieren führen. Eine entsprechende Verordnungsermächtigung ist bereits im Tierschutzgesetz verankert und sollte nun zeitnah umgesetzt werden.

Mit großer Sorge blickt die BTK zudem auf die immer wieder dokumentierten Missstände bei der Schlachtung von Tieren. Die BTK sieht daher die verpflichtende Einführung von Videoüberwachung in allen Schlachtbetrieben – vom Abladen der Tiere bis zum vollständigen Entbluten – als notwendig an. Eine Differenzierung nach Betriebsgröße oder Schlachtzahlen sollte es dabei nicht geben, da Tierschutzkriterien am Einzeltier zu messen sind. Im Bereich Heim- und Hobbytiere gibt es dringenden Handlungsbedarf z. B. bezüglich der Einführung einer bundesweiten Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Hunde und Katzen, des verpflichtenden Sachkundenachweises für Tierhaltende, der Regulierung des Onlinehandels mit Tieren sowie der Überarbeitung des § 11b Tierschutzgesetz („Qualzuchtparagraf“) zu einem wirksamen und vollziehbaren Verbot von Qualzuchten.

Um diese und weitere Maßnahmen wirksam umzusetzen zu können, spricht sich die BTK für die umfassende und zeitnahe Novellierung des Tierschutzgesetzes aus.

Quelle: Bundestierärztekammer

Kann eine chemische Dekontamination helfen, Geflügelfleisch „keimarm“ zu machen?

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Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt aktuell auf seiner Homepage:

„Geflügelfleisch ist im Vergleich zu anderen Lebensmitteln relativ häufig mit Krankheitserregern wie Campylobacter oder Salmonellen belastet. Diese können beim Menschen Magen-Darm-Erkrankungen verursachen. Die Erreger besiedeln bereits die lebenden Tiere und können im Schlachtprozess durch Kreuzkontamination auf das Fleisch übertragen werden.

Um Infektionen durch belastete Lebensmittel zu vermeiden, sollte von der Aufzucht der Tiere über den Schlachtprozess bis zum Vertrieb ein ganzheitliches Hygienekonzept verfolgt werden. Wo diese Maßnahmen nicht ausreichen, könnte der Einsatz von Dekontaminationsverfahren diese Strategien unterstützen.“

Das BfR hat Fragen und Antworten zum Thema hier zusammengestellt.

AHV StopLac Tablet: Die Zukunft des Trockenstellens

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StopLac ist ein Produkt in Bolusform, das speziell für Milchkühe entwickelt wurde, um das Trockenstellen zu unterstützen. Es wirkt, indem es die Milchleistung reduziert, was zu einem abrupten Trockenstellen beiträgt. Dieses Produkt wurde entwickelt, um das allgemeine Wohlbefinden von Kühen während dieser kritischen Phase durch eine Veränderung der Pansenfermentation zu verbessern.

Hauptmerkmale und Vorteile:

• Erleichtert das Trockenstellen durch Reduzierung der Milchproduktion: StopLac verändert kurzfristig die Pansenfermentation, reduziert so effektiv die Milchleistung und macht den Trockenstellprozess reibungsloser und besser handhabbar.

• Verbessert das Wohlbefinden rund um das Trockenstellen: Durch die Reduktion der Milchleistung verbessert StopLac den Komfort und die Gesundheit der Kühe.

• Weniger Euterschwellung und Milchverlust: StopLac hilft, Schwellung des Euters und Milchverlust zu minimieren, sorgt für eine bessere Eutergesundheit und reduziert das Infektionsrisiko.

60 % der neuen Infiltrationen von Bakterien im Euter treten während der Trockenstehzeit auf. Deshalb ist dies eine entscheidende Phase für Milchkühe. Eine effektive Handhabung des Trockenstellens ist für ihre Gesundheit und Produktivität unerlässlich. StopLac bietet eine zuverlässige und effiziente Lösung zur Unterstützung dieses Prozesses. Durch die Wahl von StopLac können Milcherzeuger das Wohlbefinden ihrer Herden verbessern und die Gesamtproduktivität des Betriebs steigern.

Weitere Infos

Zusammenhang von Management und Kälbergesundheit auf Auktionsmärkten

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In Québec (Kanada) werden Milchkälber, die nicht für die Mast vorgesehen sind, üblicherweise bereits im Alter von unter zwei bis drei Wochen auf Auktionsmärkte gebracht. Dort werden sie für die Kalb- oder Milchrindfleischproduktion weiterverkauft. Verschiedene klinische Beobachtungen während des Transports, auf dem Auktionsmarkt oder bei der Ankunft im Kälberaufzuchtbetrieb wurden mit einem erhöhten Morbiditätsrisiko in Verbindung gebracht, etwa mit Dehydration oder Nabelerkrankungen.

Ziel dieser Querschnittsstudie* war es, Zusammenhänge zwischen Kälbermanagement auf Milchviehbetrieben und dem klinischen Gesundheitszustand der Kälber beim Verkauf auf Auktionsmärkten zu quantifizieren. Dafür wurden an acht Verkaufstagen die beiden größten Auktionsmärkte Québecs besucht. Alle an diesen Tagen angebotenen Kälber wurden systematisch klinisch untersucht. Erfasst wurde dabei die Anzahl klinisch relevanter Befunde pro Kalb, darunter: sichtbare Nabelschnur, feuchter oder geschwollener Nabel, Nabelschmerzen, Dehydrationszeichen (z. B. anhaltende Hautfalte ≥ 2 Sekunden, eingesunkene Augen), Ausfluss aus Augen oder Nase, hängende Ohren, Gliedmaßenanomalien, Abmagerung oder stark verschmutztes Fell.

Im Anschluss an den Verkauf wurden die Herkunftsbetriebe kontaktiert, um einen standardisierten Fragebogen zum Kälbermanagement zu beantworten. Er enthielt Fragen zu allgemeinen Betriebsmerkmalen sowie zu Abkalbemanagement, Erstversorgung des Kalbes, Fütterung, Haltung und Transportpraktiken. Die Auswertung erfolgte mithilfe einer multivariablen Poisson-Regression.

Insgesamt wurden 3.656 Kälber von 1.349 Verkäufern untersucht. Fragebogendaten lagen für 847 Kälber von 409 Betrieben vor. Die mediane Anzahl verkaufter Kälber pro Betrieb lag bei 2 (Spanne: 1–19). Bei 44 % der Kälber (n = 376) war die Nabelschnur sichtbar. Die häufigsten Befunde waren Augenausfluss (n = 290, 34 %), Nabelschwellungen (n = 144, 17 %) sowie Anzeichen von Dehydration, z.B. eine anhaltende Hautfalte (n = 111, 13 %) oder eingesunkene Augen (n = 83, 9,8 %).

Laut dem finalen Regressionsmodell war die Inzidenzrate klinischer Befunde signifikant erhöht bei Kälbern, die im Durchschnitt jünger als 8 Tage verkauft wurden, im Vergleich zu solchen über 10 Tagen (IRR = 1,21; 95 %-KI: 1,04–1,41). Auch eine verzögerte Kolostrumgabe (>1 Stunde nach Geburt) war mit mehr Befunden assoziiert – besonders im Vergleich zur Kolostrumgabe innerhalb von 1 bis 2 Stunden (IRR = 1,73; 95 %-KI: 1,24–2,49). Weitere Risikofaktoren waren die Fütterung mit Milchaustauscher statt Rohmilch (IRR = 1,20; 95 %-KI: 1,06–1,37) sowie eine letzte Mahlzeit mehr als 3 Stunden vor dem Transport (IRR = 1,26; 95 %-KI: 1,04–1,53).

Diese Studie liefert wichtige Einblicke in betriebliche Managementfaktoren, die mit einem besseren oder schlechteren Gesundheitszustand junger Kälber beim Verkauf auf Auktionsmärkten für Kalb- und Rindfleisch zusammenhängen.

Was wir aus dieser Studie ableiten können
Sicherlich ist es eine kanadische Studie und die Verhältnisse dort sind nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar. In Deutschland dürfen Kälber seit dem 1. Januar 2023 laut Tierschutztransportverordnung erst ab einem Alter von 28 Tagen auf deutschen Betrieben verkauft und transportiert werden, statt wie zuvor schon mit 14 Tagen. Die neue Regelung wurde aufgrund von tierschutzrechtlichen Bedenken und der Empfehlung von Tierärzten erlassen, da Kälber bis zu einem Alter von vier Wochen als „Tiere mit physiologischen Schwächen“ gelten und deshalb noch nicht transportiert werden sollten. In Kanada ist es seit 2020 verboten, Kälber unter 9 Tagen Lebensalter zu transportieren. Diese Studie zeigt aber unabhängig vom Land, dass verschiedene Managementfaktoren im Milchviehbetrieb mit dem Auftreten bestimmter körperlicher Befunde auf Auktionsmärkten zusammenhängen. Basierend auf den Studienergebnissen können folgende Maßnahmen positiv für die Kälber sein, so dass sie mit besserer Gesundheit in Kälbermastbetrieben eintreffen:

• die frühzeitige Verabreichung von hochwertigem Kolostrum kurz nach der Geburt,
• ein gutes Tränkeprogramm (Vollmilch statt Milchaustauscher),
• eine letzte Mahlzeit kurz vor dem Transport zum Auktionsmarkt und
• der Verkauf von Kälbern erst ab einem höheren Lebensalter (in Deutschland ab 28 Tagen).

Speziell die frühzeitige Verabreichung von hochwertigem Kolostrum ist der Schlüssel für eine bessere Kälbergesundheit. Sinnvoll ist es zu kontrollieren, ob die Kälber ausreichend Antikörper über das Kolostrum aufgenommen haben. Denn sicher kann man nur sein, wenn man den Eiweißanteil im Blut bestimmt. Der Wert des Gesamteiweiß im Blut sollte dabei > 58 g/l liegen, damit das Kalb ausreichend versorgt ist und eine gute Abwehr hat. Liegt der Wert darunter muss die Kolostrumqualität, die Kolostrummenge und der Zeitpunkt der Fütterung dringend hinterfragt werden. Diesen Check sollte man mindestens einmal jährlich bei 3 bis 10 Kälbern (bis zum 7. Lebenstag) zur präventiven Gesundheitsförderung durchführen. Haben die Kälber oft Durchfall oder Atemwegsprobleme, kann die Wurzel allen Übels im Kolostrummanagement liegen.

*Studie: Buczinski, Sebastian et al. (2025): Dairy farm management factors associated with clinical observations in young dairy calves sold at auction markets in Québec, Canada: A cross-sectional study. Journal of Dairy Science, Volume 108, Issue 5 p 5170-5181.

Quelle: Dr. Heike Engels, zuerst erschienen im E-Magazin „Der Hoftierarzt“ 3/2025

Umweltministerium weitet Herdenschutzmaßnahmen auf ganz NRW aus

Beringmeier: „Die Ausweitung der Förderkulisse ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung – benötigt wird jedoch ein umfassendes Wolfsmanagement“

Der in der gesamten EU unter strengem Schutz stehende Wolf, hat sich in den vergangenen Jahren innerhalb Deutschlands stark ausgebreitet. Auch in Westfalen-Lippe sind Weidetierhalter vielerorts, trotz drastisch gestiegener Schutzmaßnahmen für ihre Tiere, von Übergriffen des Wolfes betroffen.

Tierhalterinnen und Tierhalter von Schafen, Ziegen und Gehegewild können zum Errichten von Herdenschutzmaßnahmen nur dann Landesfördermittel beantragen, wenn sich der Hof innerhalb eines festgelegten Wolfsgebietes, einer Pufferzone oder einem Wolfsverdachtsgebiet befindet. Aktuell gibt es landesweit mehrere einzelne Fördergebiete – laut NRW-Umweltministerium soll nun jedoch ganz NRW zum Wolfsgebiet erklärt werden.

Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, sieht in der Entwicklung einen weiteren Schritt in die richtige Richtung: „Das Umweltministerium hat bekannt gegeben, dass ganz NRW als Wolfsgebiet ausgewiesen werden soll. Das ermöglicht es unseren Schafs- und Ziegenhaltern, den Schutz ihrer Tiere nun auch präventiv zu erhöhen, denn der Wolf macht nicht an den Grenzen der Förderkulissen halt. Gleichwohl ist das nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – es braucht eine einheitliche Regulierung des Wolfes, die ein wirksames Wolfsmanagement sowie eine effektive Problemwolfentnahme einschließt. Das verstärkte Auftreten von Nutztierrissen und die in mehreren Fällen nachgewiesene Überwindung von Wolfsschutzzäunen verdeutlichen einen bestehenden Konflikt zwischen Weidetierhaltung und Wolf.“

Bernd Eichert, Weidetierhalter aus dem Kreis Olpe und „WLV-Wolfsexperte“, bestätigt diesen Eindruck und ergänzt: „Jeder Schutz für unsere Weidetiere, der finanziell unterstützt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die geplante Förderung betrifft jedoch nicht alle Weidetiere – beispielsweise Pferde sind gänzlich davon ausgenommen. Die in den Wolfsgebieten stark betroffenen Weidetierhalter bekommen bereits jetzt eine Förderung für entsprechende Schutzmaßnahmen – eine zusätzliche Förderung verstehe ich als Weidetierhalter eher als „Beruhigung“ und Aufschiebens eines umfassenden Wolfsmanagements.“

Quelle: Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V.

KI und Digitalisierung – Revolution im Stall? Interview mit Prof. Dr. Nicole Kemper, Tierärztliche Hochschule Hannover (Teil II)

Frau Prof. Kemper, im ersten Teil unseres Gespräches haben Sie bereits betont, wie wichtig die Mensch-Tier-Beziehung ist. Jetzt lese ich täglich von der KI-Revolution in allen Wirtschaftsbereichen und auch für die Nutztierhaltung existieren bereits zahlreiche KI-basierte Anwendungen: Mikrofone, die Husten im Schweinestall erkennen, Kameras, die Bewegungsmuster von Hühnern aufnehmen, Lahmheiten bei Kühen erkennen etc. Haben wir zukünftig auch im Stall so viel KI, dass der/die Tierhalter*in nur noch morgens mal kurz den PC anschalten muss, um Empfehlungen zur Behandlung der Tiere abzurufen?

Meiner Einschätzung nach sind wir davon noch recht weit entfernt. Ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Solche KI-basierten Systeme sind Unterstützung – kein Ersatz.

Unsere aktuellen Forschungsarbeiten, unter anderem die Ergebnisse aus dem Experimentierfeld „DigiSchwein“ zeigen eindeutig das Potential bestimmter Sensoren und KI-basierter Systeme. Allerdings können, zumindest in der Schweinehaltung, die am Markt verfügbaren Teillösungen noch nicht zu einem richtigen Gesamtsystem zusammengefasst werden.

KI kann natürlich schon heute recht viel, aber die einzelnen Sensorsysteme in der Schweinehaltung sind oft proprietär. Das heißt, sie sind nicht ein übergeordnetes System integriert, das die gesamten Daten gebündelt nutzt, sondern einzelne Firmen haben einzelne Sensoren und Lösungen im Angebot. Die Konnektivität ist allerdings noch nicht so weit, dass sich zum Beispiel alles in einer App zusammenführen lässt.

Hinzu kommen dann noch Fragen zu Datenschutzgrundlagen und die oftmals wenig stabile Netzanbindung im landwirtschaftlichen Betrieb. Und auch die Zeitkontingente, die für die tägliche Wartung von Sensoren und Systemen eingeplant werden müssen, sollten nicht unterschätzt werden. So banale Sachen wie die Luftfeuchte, Stallstaub, Fliegen oder Spinnenweben können bei Sensoren oder Kameras die Funktionsfähigkeit massiv einschränken. Auf der anderen Seite sind einige Systeme schon über mehrere Jahre praxiserprobt und liefern zuverlässige, valide Ergebnisse. Dazu zählt beispielsweise die Hustenerkennung beim Schwein. Insgesamt sind wir aber noch weit von einer praxisreifen, allumfassenden Gesamtlösung entfernt.

Dann kommt ein genereller Punkt hinzu, der für alle Tierarten gilt: Ein 24/7-Monitoring ist natürlich sinnvoll, da das niemand personell leisten kann. Aaber die Erfahrung und das Gefühl für die Tiere im direkten Umgang, das Verantwortungsbewusstsein des Menschen kann kein Algorithmus übernehmen. Es liegt immer noch beim Tierhalter und der Tierhalterin, Entscheidungen zu treffen. Einen vollautomatisierten Stall wird es in unseren Strukturen nicht geben, wenn Tierwohl erreicht und gewahrt werden will.

In anderen Ländern, wo größere Tiergruppen intensiver gehalten und entsprechende Verluste in Kauf genommen werden, mag das zukünftig anders aussehen. Aber zu den Anforderungen, die wir an unsere heimische, tiergerechte Nutztierhaltung haben, passt der vollautomatische Stall ohne Menschen nicht – und zu unserer Verantwortung für unsere Nutztiere auch nicht-

Beim Milchvieh ist der Mensch-Tier-Kontakt ja noch recht intensiv und KI vielleicht nicht so entscheidend, aber wie sieht es beim Geflügel aus?

In der Geflügelhaltung mit hohen Tierzahlen ist die Einzeltierbetreuung schwieriger. So bekommt die Tierbetreuerin/der Tierbetreuer eine Panik in der Herde eventuell gar nicht mit, wenn gerade niemand im Stall ist. Hier können KI-basierte Kamerasysteme gut ungewöhnliche Tierbewegungen und generelles Verhalten erfassen und Warnsignale beispielsweise per App übermitteln. Flächendeckend sind solche Systeme noch nicht im Einsatz, aber dies wird sich vermutlich ändern.

In der Forschung haben wir schon einige automatisierte Monitoringsysteme getestet, etwa die automatisierte Erkennung von Federpicken bei Puten. Die Ergebnisse waren damals – es ist schon einige Jahre her – nicht ganz so vielversprechend. Die frühen Warnzeichen erkannte ein Mensch schneller. Aber die Technik entwickelt sich rasant weiter, so dass hier auch mit neuen Entwicklungen zu rechnen ist.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die automatisierte Erfassung des Tränkeverhaltens, also der pro Tier oder Tiergruppe aufgenommenen Wassermenge. Bei Absetzferkeln trinken die Tiere weniger, wenn eine Infektion im Anmarsch ist. Unsere Daten haben dies eindeutig belegt. Interessant dabei ist aber, dass zeitgleich auch die Mitarbeitenden im Betrieb erkannt haben, dass mit der Tiergruppe etwas nicht stimmt. Hier waren Mensch und Technik quasi gleich auf, die automatisierte Erkennung also auch nicht schneller als das Stallpersonal. Das finde ich beruhigend, da es unterstreicht, wie gut und wichtig die direkte Tierbetreuung ist.

Gibt es an der TiHo noch weitere „KI-Projekte“ beim Schwein?

Ja, unter anderem haben wir eine automatisierte Früherkennung von Schwanzbeißen anhand von Schreien getestet. Die Frage war: Treten in einer Bucht diese typischen hohen Schreie gehäuft auf, die ein gebissenes Schwein zeigt? Dazu hat ein Doktorand sehr, sehr aufwendige Untersuchungen durchgeführt. Wir haben evaluiert, ob diese Schreie aussagekräftig sind und ob sie eindeutig auch auf die betreffende Bucht zurückzuführen sind. Anhand von Videos wurde validiert, ob es sich bei den erkannten Schreien tatsächlich um ein Beiß-Ereignis handelte. Alle Tiere waren individuell markiert, so dass Gebissene und Beißer erkannt wurden.

Das System gibt ein Alarmsignal, wenn pro Stunde eine bestimmte Häufigkeit von Schreien überschritten wird. Dann lässt sich der Beißer anhand der Videos identifizieren und kann aus der Gruppe genommen werden. So ließ sich Schwanzbeißen in unseren Versuchen gut eindämmen. Gerade beim Schwanzbeißen als multifaktorielles Problem kann solch ein Monitoringsystem ein wertvoller Baustein und eine sinnvolle Ergänzung zur Prävention sein.

Zum Dauerthema Stallklima gibt es aber schon eine Menge automatisierter Systeme.

Ja, Stallklima-Monitoring, also die kontinuierliche Messung von Temperatur, Luftfeuchte, Zugluft oder auch Schadgasen ist teils relativ einfach und wird, im Zuge des Klimawandels, in Zukunft noch wichtiger werden. Solch ein Monitoring ist auch immer sinnvoll, wenn es um die Bewertung von Haltungssystemen unter verschiedenen Gesichtspunkten geht. So bewegen wir uns beispielsweise in frei belüfteten Ställen immer einem Spannungsfeld zwischen Stallklima, Tierwohl und Seuchenschutz. In Zeiten von Tierseuchen müssen solche Ställe, wie sie vor allem auch beim Geflügel zu finden sind, eventuell „dicht gemacht“, also zwangsbelüftet, werden. Dazu haben wir kürzlich ein Projekt abgeschlossen, in dem bewertet wurde, wie ein Masthühner-Stall nach Bedarf von frei- auf zwangsbelüftet umgerüstet werden kann, indem unter anderem die Jalousien geschlossen werden und das Lüftungssystem umgestellt wird. Dieses „Vorbereitet sein“ auf Tierseuchen oder Pandemien, auch unter dem Begriff „Pandemic Preparedness“ zusammengefasst, wird in Zukunft noch wichtiger werden.

Und wo sehen Sie noch Herausforderungen für eine ideale KI-Unterstützung?

Die Grundlage eines guten KI-Tools ist eine plausible Rohdatenerfassung. Dies setzt unter anderem robuste Sensoren voraus. Dass dies in der Stallumgebung schwierig ist, ist offensichtlich, denn ein Stall ist nun mal kein Reinraum. Manchmal machen auch die Tiere nicht das, was von ihnen erwartet wird. So ist es bei Stationen für die Einzeltier-Erkennung ungünstig, wenn zum Beispiel zwei Tiere die Station betreten, was eigentlich nicht so vorgesehen ist, aber wo die Tiere einen Weg finden, sich dort auch zu zweit gemütlich niederzulassen.

Ganz allgemein stellen bei KI-basierten-Systemen in landwirtschaftlichen Betrieben noch oft die Mobilfunkabdeckung und Breitbandverfügbarkeit ein Problem dar. Aber dabei wird sich in den nächsten Jahren sicher noch viel weiterentwickeln, genau wie bei den digitalen Entwicklungen allgemein. Abschließend: Trotz Digitalisierung und KI ist der Mensch durch seine Tierbeobachtung, Sinneswahrnehmung und der zentrale Faktor in der Tierbetreuung. Die Mensch-Tier-Beziehung ist und bleibt dabei der Schlüssel zu einer guten Nutztierhaltung!

Frau Prof. Kemper: herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch!

Link zum ersten Teil des Interviews “Allen Nutztieren soll es gut gehen“

Prof. Dr. Nicole Kemper leitet das Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie (ITTN) an der Tierärztlichen Hochschule Hannover

Link zum Institut

“Allen Nutztieren soll es gut gehen“ Interview mit Prof. Dr. Nicole Kemper, Tierärztliche Hochschule Hannover (Teil I)

Frau Prof. Kemper: Kürzlich forderten Sie auf einer TiHo-Veranstaltung es müsse „allen Nutztieren gut gehen“. Der Handel bietet ja aktuell fünf Haltungsstufen an, wäre es denn in ihrem Sinne, wenn man sagt; „Stall“ und „Stall und Platz“, also die Stufen eins und zwei, müssen gut sein und alles darüber darf dann „sehr gut“ sein. Oder brauchen wir überall „sehr gute“ Haltungsbedingungen?

Allen Nutztieren soll es gut gehen und es muss klar definiert sein, was wir damit meinen. Die Klassifizierung in diese unterschiedlichen Stufen bedeutet ja vordergründig betrachtet eigentlich Glück oder Pech der Geburt für die Tiere. Hier muss genau hingeschaut werden: Auch in Haltungsstufe 1, und vor allen Dingen 2 und höher, lässt sich gutes Tierwohl realisieren und muss auch realisiert werden. Es geht aus meiner Sicht weniger um das Label für die Verpackung, sondern darum, dass Tierwohl als Ergebnis – für das Tier – betrachtet wird und nicht einfach als Etikett. Gutes Tierwohl lässt sich zum Beispiel auch in Haltungsstufe 2 realisieren. Eine differenzierte Betrachtung ist wichtig, auch in den höheren Haltungsstufen: So kann es unter Umständen besser sein, wenn die Tiere z. B. einen Frischluftstall haben, aber keinen Auslauf, da ein Auslauf auch mit negativen Einflüssen auf die Tiergesundheit einhergehen kann, wenn er nicht optimal gestaltet ist. Es ist längst nicht so einfach wie Label uns oftmals suggerieren.

Wenn ich an die Hühner denke, weiß ich nicht, was die im Auslauf so alles fressen. Ich bin deshalb ein großer Fan von Wintergärten: da gibt es Klimareize, aber beispielsweise keine Zigarettenkippen, die sie aufpicken und keinen Habicht.

Ja, und beim Schwein genauso; Sonnenbrand ist ein Thema, denn ein „Klimareiz“ ist ja nicht immer zwingend positiv. Aktuell habe wir zum Prädatorendruck in der Geflügelhaltung ein Forschungsvorhaben im Rahmen unseren großen ZERN (Zukunft Ernährung Niedersachsen)-Verbundes, um genauer zu untersuchen, welche Bereiche nutzen Hühner im Auslauf überhaupt? Nutzen sie wirklich den gesamten Auslauf oder haben sie möglicherweise so viel Angst, dass Raubvögel von oben angreifen, dass sie sich nur engeren Stallbereich aufhalten? Wie lassen sich Schutzbereiche schaffen, die tatsächlich auch aufgesucht werden, wie Prädatoren vertreiben?

Hier kommt ein ganz wichtiger Aspekt ins Spiel: Wir haben in Sachen Biosicherheit unheimlich viel erreicht in den letzten Jahrzehnten. Im Auslauf ist der Eintrag von Erregern wie dem Aviären- Influenza-Virus ungehindert möglich. Es existiert ein Zielkonfliktzwischen Tierwohl durch mehr Auslauf und Biosicherheit. Hier muss eine genaue Abwägung und Ziel-Priorisierung erfolgen; und: ja manches lässt sich eben auch nicht realisieren und manche Risiken lassen sich nicht komplett ausschließen.

Stichwort „Sonnenbrand beim Schwein“: Im Sommer suchen Schweine mit Auslauf ja ihren Stall auf oder Hütten im Freiland oder nutzen dort eine Suhle. Aber im Frühjahr und Herbst, wenn es nicht so heiß ist, die Sonne aber schon, respektive noch richtig Kraft hat, können sie ruckzuck einen Sonnenbrand bekommen.

Ein wichtiges Thema: Wie können wir Ausläufe so gestalten, dass Schweine eben keinen Sonnenbrand bekommen? Hierzu wird demnächst ein Verbundprojekt starten, bei dem wir uns, gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer NRW auf Haus Düsse anschauen, wie die Auslaufnutzung bei Schweinen in der ökologischen Haltung und die Sonnenbrandprävention optimiert werden kann. Gegensteuern ließe sich übrigens auch mit nicht so hellen Schweinerassen – dies wäre eine Frage für die Tierzucht.

Überhaupt sind der Klimawandel und seine Folgen ein sehr großes Thema in der Nutztierhaltung. Wie schütze ich die Tiere vor hohen Temperaturen? Wie lassen sich Möglichkeiten der Kühlung schaffen? Und wie lassen sich dabei Folgewirkungen für die Umwelt minimieren?

Bei den niedrigen Haltungsstufen frage ich mich, ob Haltungsstufe 1 noch zukunftsfähig ist. Ich denke eher nicht, wenn man sieht, wo die Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandels hingehen.

„Stall und Platz“ sollte dann vermutlich das Minimum werden.

Mit Blick auf das Tierwohl ist das so, auch wenn wir dann im internationalen Wettbewerb nicht überall wettbewerbsfähig sind.

Vielleicht helfen da die Erfahrungen mit dem niederländischen Label „Beter leven“, das ja seit Jahren sehr erfolgreich ist, mit Marktanteilen von 25-30% beim Schwein und 40% bei den Hühnern.

Etliche deutsche Geflügelmäster an der niederländischen Grenze beliefern ja auch „Beter leven“. Die mir bekannten Erfahrungsberichte sind durchweg positiv. Landwirte berichten, dass die Geflügelhaltung und der Umgang mit den Tieren so mehr Freude macht. Und das ist genau der Punkt: letztendlich müssen die Tierbetreuer erkennen, ob es den Tieren gut geht. Hier ist das Mensch-Tierverhältnis entscheidend. Das weiß auch jeder gute Landwirt/jede gute Landwirtin.

Deswegen finde ich die Bestrebungen des Einzelhandels gut, in die höheren Stufen zu gehen und diese von den Lieferanten zu fordern. Der Einzelhandel ist hier der größere Treiber als die Politik.

Der Eindruck drängt sich tatsächlich auf!

Wichtig ist es zu betonen, dass, wie schon erwähnt, das Tierwohl nicht automatisch besser ist, je höher die Haltungsform ist. Die Frage ist immer: Was sind die konkreten Auswirkungen der Haltungsumwelt auf das Tier? Kann das Tier in der jeweiligen Art des Haltungssystems ein gutes Tierwohl erleben?

Es ist bei näherer Betrachtung nicht einfach zu definieren, was eigentlich Tierwohl ausmacht. Jeder Verbraucher hat wahrscheinlich eine Vorstellung von einem „glücklichen Tier“. Das ist die Kuh auf der Weide, das ist die Henne, die im Freiland pickt oder das Schwein, das sich suhlen kann.

Das ist aber aus wissenschaftlicher Sicht, wenn auf die harten Fakten geschaut wird, nicht unbedingt so einfach. Ein sehr gutes Hilfsmittel sind dabei die objektiven Tierwohl-Indikatoren, also z. B. Schlachtbefunde, die etwa Parasitenbefall zeigen. Parasiten sind ein wichtiges Thema bei Auslaufhaltung. Weitere Tierwohl-Indikatoren sind zum Beispiel Fußballenveränderungen beim Geflügel, generelle Veränderungen an den Gliedmaßen, oder Organveränderungen.

Der Nachteil bei der Indikatoren-Bewertung am Schlachthof ist natürlich, dass die Beurteilung retrospektiv erfolgt: Erst am toten Tier wird faktenbasiert erkannt, wie es dem Tier in dem jeweiligen Haltungssystem während seines Lebens erging. Das Tier selbst hat nichts mehr davon. Diese Informationen können aber zur Verbesserung der Haltungsbedingungen für die Tiere in den folgenden Durchgängen genutzt werden.

Als Ergebnis könnte beispielsweise herauskommen: das Schwein wurde zwar in einem tollen Stall gehalten, war aber im Tierwohl beeinträchtigt. Wie aussagekräftig wäre dann eine hohe Label-Stufe?

Letztendlich ist es also immer wichtig, wie gut es dem Tier während seines Lebens wirklich erging. Deswegen ist die Mensch-Tierbeziehung so entscheidend: Der Mensch muss im Blick haben, wie es den Tieren geht und bei Auffälligkeiten den Spielraum haben zu handeln. In einem wirtschaftlich engen Rahmen kann das schwierig sein oder wenn etwa die Vorgaben der verschiedenen Stufen den Handlungsspielraum einschränken. Wichtig ist einfach, dass reale Möglichkeiten existieren, das Tierwohl zu bewerten und zu optimieren.

Frau Prof. Kemper: herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

Link zum zweiten Teil des Interviews “KI und Digitalisierung – Revolution im Stall?“.

Prof. Dr. Nicole Kemper leitet das Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie (ITTN) an der Tierärztlichen Hochschule Hannover – Link zum Institut

Wie wirkt sich die Milchmenge vor dem Absetzen auf den Stoffwechsel junger Holsteinfärsen aus?

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Eine unzureichende Ernährung von Milchkälbern vor dem Absetzen wird mit späteren Nachteilen für ihre Stoffwechselgesundheit und Milchleistung in Verbindung gebracht. Allerdings sind die biologischen Mechanismen, die diesen Zusammenhang erklären, bislang noch nicht vollständig geklärt.

Ziel dieser Studie* war es deshalb, zu untersuchen, wie sich die Fütterung mit unterschiedlicher Milchmenge in den ersten Lebenswochen auf das Wachstum, den Glukosestoffwechsel, das Stoffwechselprofil und die Reproduktionsleistung von Holsteinfärsen langfristig auswirkt. Die Forschenden vermuteten, dass eine höhere Nährstoffzufuhr vor dem Absetzen den Stoffwechsel dauerhaft beeinflussen könnte und so möglicherweise die in früheren Studien beobachtete bessere Milchleistung erklärt.

Versuchsaufbau:
Insgesamt 86 Färsenkälber aus einem Milchviehbetrieb mit etwa 120 Kühen nahmen an der Studie teil. Sie wurden paarweise nach Parität und Geburtsdatum der Mutterkühe zusammen aufgestallt und erhielten alle dieselbe Menge Kolostrum. Anschließend wurden sie zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt:

• Erhöhte Fütterung: 8 Liter Milchaustauscher pro Tag (5,41 Mcal umsetzbare Energie)
• Eingeschränkte Fütterung: 4 Liter Milchaustauscher pro Tag (2,71 Mcal umsetzbare Energie)

Der Milchaustauscher enthielt 24 % Rohprotein, 18 % Rohfett und 45 % Laktose und wurde ab dem 2. Lebenstag bis zum 49. Tag gefüttert, dann wurde die Menge halbiert, und mit Tag 56 waren die Kälber vollständig abgesetzt.

Ab Woche 8 wurden alle Tiere gleich gefüttert und betreut sowie Zugang zu Wasser, pelletiertem Kälberstarter und gehäckseltem Weizenstroh. Alle Tiere hatten bis zur 10. Woche Einzeliglus. Die Betreuungspersonen wussten dabei nicht, welche Kälber welcher Gruppe angehörten.
Ergebnisse:

• Wachstum: Die Kälber mit erhöhter Milchmenge wuchsen in den ersten Wochen schneller und hatten am 70. Lebenstag ein um 9 kg höheres Körpergewicht. Dieser Unterschied war jedoch im Alter von 330 Tagen nicht mehr signifikant.

• Reproduktion: Es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen beim Alter der ersten Besamung, der Trächtigkeitsrate nach der ersten Besamung, dem Alter bei Konzeption oder der Anzahl der Besamungen pro Trächtigkeit.

• Stoffwechsel: Im Alter von 330 Tagen zeigten Blutanalysen Hinweise auf eine langfristige Beeinflussung bestimmter Stoffwechselwege (u. a. Carnitin-, Glycerolipid- und Purinstoffwechsel) durch die Fütterung in der Kälberphase.

• Beim Glukosetoleranztest im Alter von etwa 370 Tagen zeigte sich, dass die Färsen aus der eingeschränkt gefütterten Gruppe eine geringere Insulinsensitivität aufwiesen – bei ihnen waren die Insulinspiegel in den ersten 20 Minuten nach Glukosegabe niedriger (7,7 ng/ml gegenüber 10,3 ng/ml in der Hochfütterungsgruppe).

Fazit:
Eine intensivere Fütterung mit mehr Milchaustauscher in den ersten Lebenswochen hatte langfristige Effekte auf den Stoffwechsel der Färsen, insbesondere im Hinblick auf den Glukosestoffwechsel und bestimmte Stoffwechselwege. Allerdings zeigten sich keine langfristigen Unterschiede im Wachstum oder in der Fruchtbarkeit. Möglicherweise waren die Gruppen dafür zu klein, um solche Unterschiede statistisch sicher nachzuweisen.

*Studie: Leal, N.L. (2025): Effects of preweaning milk allowance on long-term metabolism in Holstein heifers. Journal of Dairy Science, Volume 108, Issue 5 p4988-4999, May 2025 Link

Quelle: Dr. Heike Engels, Der Hoftierarzt
Zuerst erschienen im E-Magazin „Der Hoftierarzt“ 3-25

Auch im Mastbetrieb keine Keime verschleppen

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Von Dr. Ingrid Lorenz, Tiergesundheitsdienst Bayern e.V.

Es ist mittlerweile weitgehend anerkannt, dass die Grundlage für ein gesundes und produktives Rinderleben in den ersten Lebenswochen gelegt wird. Natürlich gilt das nicht nur für die spätere Milchkuh sondern auch für den Mastbullen oder das Mastkalb. Dass die Mäster in der Regel keinen Einfluss auf das Aufzuchtmanagement im Herkunftsbetrieb haben, sondern nehmen müssen „was kommt“, ist einer der Gründe, die die Fressererzeugung oder Mast ab Kalb so schwierig und oft auch behandlungsintensiv machen.

Im Rahmen der Spezialisierung in der Rinderhaltung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde die Verwertung der männlichen Kälber aus dem Milcherzeugerbetrieb zunehmend auf spezialisierte Mastbetriebe übertragen. Hierbei gehen die männlichen schwarzbunten Kälber in Deutschland nach dem 28. Lebenstag in die Kälbermast, wohingegen die Kälber der Zweinutzungsrasse Fleckvieh in aller Regel später (nach 4 bis 6 Wochen) an Fressererzeuger oder Bullenmastbetriebe abgegeben werden. Diesen verschiedenen Wegen der Verwertung männlicher Kälber aus Milchviehbetrieben ist gemeinsam, dass sehr empfindliche, nicht entwöhnte Tiere aus oft sehr vielen Herkunftsbetrieben nach in der Regel längerem Transport in großen Gruppen aufgestallt werden.

Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Risiken für die Tiergesundheit gibt es fast ausschließlich im Bereich der Milchmastkälber. Da diese in anderen europäischen Ländern noch nach zwei Wochen transportiert werden dürfen und sich auch sonst das System wesentlich von dem der Fressererzeugung unterscheidet, sind diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht auf Fressererzeugerbetriebe übertragbar. Um mehr Informationen über diesen sehr speziellen Produktionszweig zu sammeln hat der Tiergesundheitsdienst Bayern in den Jahren 2023/2024 bayerischen Fressererzeugern die Teilnahme an einem Tiergesundheitsmonitoring angeboten.

Monitoring von bayerischen Fressern
In den 53 teilnehmenden Betrieben wurden zunächst umfangreiche Informationen zum Management anhand eines ausführlichen Fragebogens erfasst. Danach wurden Stallklima, Luftqualität und Hygiene subjektiv erfasst bzw. gemessen. Die Untersuchungen im Stall wurden jeweils an den beiden zuletzt eingestallten Gruppen durchgeführt. In diesen Gruppen wurden jeweils auch 10 zufällig ausgewählte Kälber klinisch untersucht und es wurde eine Ultraschalluntersuchung der Lunge durchgeführt. Außerdem wurden Nasentupfer zur Untersuchung auf respiratorische Krankheitserreger entnommen.

Aufgrund der Fülle an erhobenen Daten ist die Auswertung und statistische Bearbeitung noch nicht abgeschlossen. Hier werden daher nur einige erste, aber hochinteressante Ergebnisse besprochen. Die auf Bestandsebene erhobenen Informationen wurden in Bezug auf die Antibiotikakennzahlen, die täglichen Zunahmen und die Sterblichkeitsrate untersucht.

Relativ leicht zu interpretieren sind die Ergebnisse im Bezug auf die Sterblichkeit. Hier zeigte sich ein statistischer Zusammenhang mit dem Fehlen eines strikten Rein-Raus-Verfahrens und einer höheren Luftgeschwindigkeit im Bereich der Kälber. Strikt Rein-Raus bedeutet, dass die Gruppe genau in der Zusammensetzung wie sie gekommen ist, den Bestand auch wieder verlässt. Aus tiermedizinischer Sicht ist die in manchen Betrieben gängige Praxis, Kälber je nach Wachstum „umzusortieren“, schon immer ein Albtraum. Schlechter wachsende Kälber haben meist einen infektiösen Grund warum sie schlechter wachsen und manche Krankheiterreger (v.a. auch Mykoplasmen) können recht lange in den Tieren überdauern, selbst wenn sie von außen nicht mehr krank erscheinen. Das heißt, diese Kälber können dann auch wieder Tiere ihrer neuen Gruppe anstecken. Zudem ist jede Änderung der Gruppenzusammensetzung mit hohem Stress für alle Kälber verbunden, was auch wieder Krankheiten fördert und die Leistung mindert. Es ist bekannt, dass Kälber sensibel auf Zugluft reagieren. Die gemessenen Luftgeschwindigkeiten lagen zwar in aller Regel nicht über dem empfohlenen Bereich, aber dazu muss man wissen, dass die Messungen in der Mitte der Boxen vorgenommen wurden. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass in Boxen mit relativ hoher Luftgeschwindigkeit im Zentrum es dann in den Randbereichen tatsächlich Bereiche mit Zugluft geben kann.

Auf den ersten Blick schwieriger zu erklären sind die Parameter, die mit geringeren täglichen Zunahmen korreliert sind.


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