Im Kampf gegen die Varroamilbe setzen Züchter auf leistungsfähige Honigbienen mit hoher Widerstandskraft gegen den Milbenbefall. Erfolgreich daran beteiligt ist die Bienenstation der Universität Würzburg.
Etwa jedes siebte Bienenvolk in Deutschland hat den vergangenen Winter nach Angaben des Imkerbundes nicht überlebt. Gründe für das Bienensterben gibt es viele; einer der wichtigsten ist der Befall mit der Varroamilbe. „Die Varroamilbe ist laut Deutschem Bienenmonitoring für bis zu 95 Prozent der Herbst- und Winterverluste von Honigbienen verantwortlich. In einem brütenden Bienenvolk verdoppelt sie ihre Population in einem Zeitraum von drei bis vier Wochen“, erklärt Dirk Ahrens-Lagast. Ahrens-Lagast ist Imkermeister; seit April 2002 leitet er den Imkereibetrieb der Bienenstation am Lehrstuhl Zoologie II der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).
Ein Mittel im Kampf gegen die Milbe ist der Versuch, die Bienenvölker selbst toleranter gegen den Schädling zu machen. An einem entsprechenden Zuchtprogramm zur Verbesserung der Toleranzeigenschaften von Honigbienen beteiligt sich die Bienenstation der Universität Würzburg seit gut 20 Jahren. Mit Erfolg: „In diesem Jahr werden Königinnen der Bienenstation auf drei Bienenbelegstellen in Bayern und Baden-Württemberg als Vatervölker eingesetzt“, sagt Ahrens-Lagast. Der Imker arbeitet dabei mit Bienen der Rasse Carnica (Apis mellifera carnica), einer auf natürliche Weise entstandenen Unterart der westlichen Honigbiene (Apis mellifera).
Varroamilben zapfen Bienen an
Varroa destructor: So lautet der wissenschaftliche Fachbegriff für den gefürchteten Bienenschädling. Die Milbe lebt als Parasit an Bienen und vermehrt sich im Bienenstock. Dabei wird sie auf unterschiedlichen Wegen für das Bienenvolk zur Bedrohung. „Varroamilben vermehren sich nur in der verdeckelten Brut der Bienen in den Waben“, erklärt Ahrens-Lagast. Dort ernähren sie sich, indem sie die Bienenlarven „anzapfen“. In der Folge verliert die Bienenlarve an Gewicht. Die geschlüpften Tiere sind etwa zehn Prozent kleiner als die gesunden, ihre Lebenszeit ist stark verkürzt und sie zeigen schlechtere Lernleistungen als ihre gesunden Verwandten.
Außerdem übertragen sie häufig Krankheitserreger wie etwa Viren. Vor allem das sogenannte „Deformed Wing Virus“ macht den Bienenvölkern zu schaffen. Die betroffenen Bienenlarven entwickeln verkrüppelte Flügel und sind deshalb häufig nicht lebensfähig. Dass inzwischen auch die Varroamilben dieses Virus übertragen, verschärft die Situation für die Bienenvölker zusätzlich.
Zusätzlich schädigen Varroamilben die Bienen ganz direkt: Das erwachsene Varroa-Weibchen hält sich auf den erwachsenen Bienen auf und sitzt dort in der Regel zwischen deren Bauchschuppen. Es bevorzugt dabei sogenannte Ammenbienen, die sie zur Brut bringen. In dieser Zeit ernährt sich die Milbe vom „Blut“ der Biene, der Hämolymphe; neuere Studien sagen, sie bediene sich an deren Fettkörper. Das Ergebnis ist jedenfalls das Gleiche: Die Bienen werden geschwächt und überleben den nächsten Winter nicht.
Neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft helfen
Bei der Suche nach Merkmalen, die anzeigen, wie tolerant ein Bienenvolk gegenüber dem Varroabefall ist, setzen die Imker auf jüngste Erkenntnisse der Wissenschaft. „Bisher ist man davon ausgegangen, dass die Brutzellen eines Bienenvolks, in denen die Bienenlarven ihre Verpuppung durchleben, nach dem Verdeckeln erst wieder von der schlüpfenden Biene geöffnet werden“, erläutert Ahrens-Lagast. Neue Studien zeigen jedoch, dass das so nicht stimmt.
Tatsächlich können selektierte Bienen Varroamilben in Brutzellen wahrnehmen und öffnen deshalb regelmäßig zur Kontrolle diese Zellen, unabhängig davon, ob sich tatsächlich Milben in ihnen befinden. Manche räumen sie aus, andere lassen sie eine Weile offen, bevor ein neuer Deckel darauf kommt. Dies kann sogar mehrfach passieren. Dass eine Zelle geöffnet und wieder verschlossen wurde, ist leicht zu erkennen. In diesem Fall fehlt an der Innenseite des Zelldeckels das von der Streckmade – der Larve der Arbeitsbiene – gesponnene Nymphenhäutchen.
Bienen stören die Milbenvermehrung
Weil die Vermehrung der Varroamilbe zeitlich eng an den Verpuppungsprozess der Bienenbrut gekoppelt ist, können sich bereits kleinste Änderungen oder Störungen in diesem Prozess auf die Milbenvermehrung auswirken. Eine solche Störung ist das Öffnen und Schließen – das sogenannte Recapping – der Brutzellen.
„Recapping bewirkt eine unterdrückte Milbenvermehrung, SMR oder Surpressed Mite Reproduction genannt, beispielsweise indem störungsbedingt keine der Tochtermilben in der geschlossenen Brutzelle begattet wird“, erklärt Ahrens-Lagast. Diese Milben sind dann nicht lebensfähig und sterben, wenn die Biene schlüpft. In den besten Völkern der Zuchtpopulation werde die Milbenvermehrung auf diese Weise von den Bienen selbst bereits so stark unterdrückt, dass Imker eine Zeit lang auf die üblichen Maßnahmen zur Varroabehandlung mit chemischen Wirkstoffen verzichten können.
Stetige Steigerung der Varroatoleranz
Leistungsfähige Honigbienen mit hoher Widerstandskraft gegen die Varroose zu züchten: Daran arbeiten Bienenzüchter und Prüfer in der Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht (AGT) seit gut 20 Jahren. Sie haben dafür rund 2.000 Bienenvölker im Einsatz. Auch Dirk Ahrens-Lagast engagiert sich in der AGT; über viele Jahre war er deren zweiter Vorsitzender. In der Bienenstation der Uni Würzburg züchtet er Carnica-Bienen auf Varroatoleranz. Regelmäßig werden beste Tiere der Toleranz Population an die eigene Linie angepaart, sei es beim Besuch bestimmter Bienenbelegstellen, beispielsweise auf den Nordseeinseln, oder über eine instrumentelle Besamung. Das Ergebnis sei eine stetige Verbesserung der Leistung und Eigenschaften, insbesondere der Varroatoleranz, so der Imker. Die Carnica-Linien der Würzburger Bienenstation gehören deshalb unter diesem Aspekt zu den Besten in Bayern.
Und damit diese Eigenschaften nicht auf das Hubland begrenzt bleiben, hilft Ahrens-Lagast dabei, Fortschritte in der Zuchtpopulation über zahlreiche Landbelegstellen an die Imker weiterzugeben. Königinnen der Bienenstation werden in diesem Jahr auf drei Belegstellen in Bayern und Baden-Württemberg als Vatervölker eingesetzt. Und in den kommenden zwei Jahren wird auch die Belegstelle im Gramschatzer Wald den Imkern Drohnen aus der Zucht der Bienenstation anbieten.
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg