DLG-Wintertagung 2022: Transformation in der Landwirtschaft

Prof. Dr. Alfons Balmann, IAMO-Direktor

Transformationsprozesse in der Landwirtschaft sind das ureigene Thema von Prof. Alfons Balmann, dem Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO).

In seinem Vortrag anlässlich der DLG-Wintertagung nannte er als Beispiel für Transformations-Treiber Länder wie Brasilien und die Ukraine, die weniger auf Preis-Dumping setzten, sondern mehr und mehr auf High-Tech-Landwirtschaft. Dort, und in anderen Ländern, würden nicht nur neue Maschinen und Sorten eingesetzt, sondern auch der Anschluss an internationale Zertifizierungssysteme angestrebt. Weitere Treiber des Wandels seien Klima und sich verändernde Konsumgewohnheiten, z. B. beim Fleischkonsum.

Aber auch regionale Treiber spielten eine Rolle und an erster Stelle nannte der IAMO-Direktor hier die geringe Rentabilität der allermeisten Betriebe in Deutschland. Nach Daten des Thünen Instituts erwirtschafte die Hälfte aller Betriebe einen Pro-Kopf-Überschuss von nur € 30.000.

Dazu kämen demografischer Wandel und intersektoraler Wettbewerb um Arbeitskräfte. In vielen Regionen Deutschlands, etwa im Osten, würden in den kommenden 10 bis 15 Jahren doppelt so viele Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden, wie Jüngere hinzukämen Die Landwirtschaft konkurriere dann dort mit allen anderen Wirtschaftszweigen um diese wenigen Arbeitskräfte – mit eher mäßigen Erfolgsaussichten.

Als weiterer Treiber erweise sich die fehlende Akzeptanz von Anpassungen. Würde einerseits gefordert, viehreiche Regionen – etwa im Nordwesten – sollten ihre Tierbestände verringern, sei gerade in vieharmen Gegenden wie Brandenburg der Widerstand selbst gegen kleine Neubauten enorm groß.

Wird der Landwirtschaft die gleiche Entwicklung zugestanden, wie anderen Teilen der Wirtschaft? Bei Wachstum, Globalisierung, Gentechnik und Digitalisierung? Wird deutschen Landwirten das Streben nach Wachstum erlaubt, wie es Schwellen- und Entwicklungsländer ganz selbstverständlich tun? Erhält die Landwirtschaft Zugang zu modernen, gentechnischen Züchtungsmethoden und wird sie weiterhin noch staatlich subventioniert, auch wenn in Zukunft Roboter die Feldarbeit erledigen? Auf die „gesellschaftliche Debatte“ hierzu darf man sehr gespannt sein.

Wie aber kann Akzeptanz für eine Transformation der heimischen Landwirtschaft erreicht werden, fragte Balmann? Bisher jedenfalls sei ein Diskursversagen auf ganzer Linie zu konstatieren: zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft, innerhalb der Landwirtschaft selbst und ebenso innerhalb der Gesellschaft. Zielkonflikte würden gar nicht erst angesprochen, genauso wenig wie anfallende Kosten einer – wie auch immer gearteten – Neu-Ausrichtung.

Lösungsansätze böten bisher der Staat mit seinen Reglementierungen, einzelne Verbände (auch in Zusammenarbeit mit NGOs), der LEH und verschiedene Markenhersteller (etwa mit Labels oder Auslistung von Produkten niedriger Haltungsstufen) und selbst einzelne Betriebe, die sich ein regionales Renommee erarbeiteten.

Idealerweise sollten Aktionen jedoch konzertiert stattfinden, wie es die Zukunftskommission Landwirtschaft oder die Borchert-Kommission vorgemacht hätten. Aber auch wenn immer Kompromisse nötig sein werden, dürften sich keine Widersprüche oder problematische Behauptungen in Vereinbarungen einschleichen. Die Zukunftskommission etwa beziffere die externen Kosten der deutschen Landwirtschaft auf € 90 Mrd., ohne diese Zahl wirklich zu belegen. Auch das Ziel, die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten oder gar zu erhöhen, sei angesichts der geschilderten demografischen Wirklichkeit und Einkommenssituation nicht realistisch.

Die Borchertkommission wiederum setze auf staatliche Tierwohl-Förderung statt auf eine Marktlösung. Die Märkte aber reagierten längst mit ITW und Auslistungen. Passen die beiden Ansätze zusammen oder konkurrieren sie am Ende fragte Prof. Balmann?

Auf Seiten der Landwirte sei die Frage, ob und wie die Kompensation von Mehrkosten langfristig gesichert werden könne. Gibt es Anschubfinanzierung für die Produktionsumstellung oder dauerhafte Subventionen? Wird der Wettbewerb zugunsten von „Subventionsmaximierern“ verzerrt und eigentlich unrentable Maßnahmen finanziert und am Ende gar Anspruchsdenken befördert? Bei etlichen Themen müsse die Diskussion sicher noch mal ganz von vorn begonnen werden, so der Transformations-Forscher.

Und: Der Landwirt als Unternehmer müsse sich heute ganz prinzipielle Fragen stellen: wird mein Betrieb überhaupt gebraucht? Was kann ich, das andere nicht (bieten) können? Will ich das dann auch? Habe ich eine Alternative, eine Exit-Strategie?

Am Ende seines Vortrags stellte Prof. Balmann damit die unbequemsten aller Fragen.

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