Im Online-Seminar der Landwirtschaftskammer NRW fragte Dr. Peter Heimberg: wieviel Krankheit ist zumutbar?
Als wichtigste Parameter zur Beurteilung des Gesundheitszustands nannte der Fachtierarzt für Rinder vom Rindergesundheitsdienst NRW: Haltung – Verhalten – Ernährungszustand.
Gesunde Rinder stehen mit erhobenem Kopf, bei gerader Rückenlinie, belasten alle vier Beine gleichmäßig, die Beine stehen senkrecht zum Boden, die Ohren stehen waagerecht ab. Liegende Rinder befinden sich üblicherweise in Brust- oder Brustseitenlage.
Ganz wichtig ist die Lahmheitsbeurteilung. Ist die Rückenlinie nicht absolut gerade und der Bewegungsablauf verhalten, liegt bereits eine gesundheitliche Beeinträchtigung vor. Wölbt sich der Rücken stärker und ist eine deutliche Entlastung bereits im Stand zu erkennen, besteht dringender Handlungs-(Klauenpflege)bedarf. Um die Herde gesund zu erhalten, muss bereits der „Locomotion Score“ 2 sicher erkannt und als Signal für weiteres Handeln verstanden werden. Rinder mit Scores von 3, 4 oder gar 5 dürfen zusammen nicht mehr als 5% der Herde ausmachen.
Gesunde Rinder sind aufmerksam und neugierig, lassen sich leicht auftreiben bzw. stehen von selbst auf, wenn ein Mensch den Stall betritt. In Ruhephasen käut das Tier wieder, beim Absetzen von Kot und Harn wird der Schwanz vom Körper abgehalten, Fliegen mit Schwanz, Ohren und Unterhautmuskulatur abgewehrt.
Der Ernährungszustand lässt sich anhand folgender Punkte beurteilen:
+ hervorstehende Knochenpunkte wie Hüfte oder Schulter sollten ausreichend mit Muskulatur bedeckt sein,
+ die Augäpfel müssen den Lidern bündig anliegen,
+ das Haarkleid muss glatt anliegen und leicht glänzen,
+ besonders wichtig ist der Verlauf über die Laktation!
Die Futteraufnahme lässt sich zwar meist über das Ansehen der Hungergrube beurteilen, aber durchmischte oder aufgeblähte Pansen können ausreichende Füllung auch vortäuschen. Gleiches gilt bei hochtragenden Kühen – bei ihnen hilft nur das Befühlen! Bei laktierenden Tieren sollten 2/3 des Pansens festen Inhalt vorweisen, bei Trockenstehern mindestens 50% (wenn diese zu wenig Volumen aufnehmen, findet sich oft nur ein freischwimmender Futterkloß).
Mittel- bis hochgradig kranke Tiere müssen grundsätzlich dem Tierarzt vorgestellt werden, aber auch geringgradig erkrankte Tiere, deren Zustand sich über einen längeren Zeitraum nicht verbessert.
Laut Tierschutzgesetz muss jeder Tierhalter unnötige Leiden, Schmerzen, Schäden vermeiden. Ausreichend häufige Beobachtung der Herde ist deshalb unverzichtbar. Bei jeglicher Gesundheits-Störung muss unverzüglich Abhilfe geschaffen werden und, bei schlechter Prognose (durch den Tierarzt), müssen Tierleid und -leben beendet werden. Hier ist zu entscheiden, ob eine Notschlachtung möglich oder eine Nottötung angebracht ist. Bei Rindern empfiehlt Dr. Heimberg auf jeden Fall die intravenöse Euthanasie, weil für den Bolzenschuss eine absolut sichere Fixierung des Rinderkopfes nötig, aber selten gewährleistet, sei.
Zur Beurteilung von Transport- und Schlachtfähigkeit schließlich bietet die Kammer einen umfangreichen und sehr empfehlenswerten Leitfaden zum Download an.