Das Geflügelpestvirus macht weltweit schon lange Probleme. Seit 1996 breitet es sich von Asien aus wellenartig in verschiedenen Varianten aus. Derzeit dominiert die Variante H5N1, die wiederum neue Genotypen hervorbringt. Diese Genotypen können unterschiedlich virulent sein. Geringpathogene aviäre Influenzaviren (LPAIV) der Subtypen H5 und H7 verursachen bei Hausgeflügel, insbesondere bei Enten und Gänsen, kaum oder nur milde Krankheitssymptome. Allerdings können diese Viren spontan zu einer hochpathogenen Form (hochpathogene aviäre Influenzaviren, HPAIV) mutieren, die sich dann klinisch als Geflügelpest zeigt. Mittlerweile finden sich auch Geflügelpestviren, die nicht nur Vögel, sondern auch Säugetiere infizieren können, darunter Katzen, Hunde, Füchse, Bären, Robben, Tiger und Delphine. Und erst kürzlich kam aus den USA die Nachricht, dass das Virus erstmals bei Milchkühen gefunden wurde. Die hoch ansteckende Variante H5N1 kursierte in zwei Milchviehbetrieben des Bundesstaates Texas, und auch in anderen US-Bundesstaaten hat das Virus offenbar Rinder infiziert. Vermutlich erfolgte die Virusübertragung durch Wildvögelkontakt. Vor allem ältere Kühe fielen offenbar mit akutem Milchrückgang bis 20 Prozent auf. Virusnachweise erfolgten aus der Milch der Tiere mit z.T. hohen Viruslasten sowie in mindestens einem Fall auch aus einem Nasentupfer, schreibt das Friedrich Löffler Institut (FLI).
Infektion von Kuh auf Mensch
Nach Kontakt mit den infizierten Milchkühen ist nun sogar ein Mensch im US-Bundesstaat Texas positiv auf Vogelgrippe mit der Variante H5N1 getestet worden. Er litt zwar nur unter einer Bindehautentzündung, dennoch aber sind solche Infektionen besorgniserregend. Das festgestellte Virus ist ein in den USA bekannter, jedoch bislang nicht dominanter Genotyp des HPAIV H5N1 der Klade 2.3.4.4b. Schon vor gut einem Jahr gab es die erste Meldung darüber, dass diese H5N1-Variante bei einem Menschen gefunden wurde. Ältere H5N1-Varianten wurden beim Menschen schon früher diagnostiziert. Solange sich nur Säugetiere infizieren bzw. der Mensch sich an Säugetieren ansteckt, ist es nicht so kritisch, aber wenn sich Menschen untereinander mit H5N1 infizieren, wäre eine neue Situation erreicht. Vor allem könnten Infektionen bei Schweinen zu einer solchen Anpassung des Virus führen, da Schweine als sogenannte „mixed vessels“ empfänglich sind für Influenzaviren von Vögeln, Menschen und Schweinen. Und auch neue Stämme und Subtypen könnten aus diesen verschiedenen Influenza-Viren entstehen.
Für die Menschen auf den betroffenen Milchviehbetrieben empfehlen Experten nun Schutzmasken und -brillen, um sich vor einer Infektion zu schützen. Diese sei vor allem möglich durch Reinigungsarbeiten, wenn zum Beispiel Gänge mittels Hochdruckreinigern gesäubert werden, weil dies viele Aerosole produziert.
In Deutschland gibt es seit kurzem ein Monitoring für Influenzainfektionen bei Füchsen, da diese Fälle in letzter Zeit häufiger auftraten. In Anbetracht der stetigen Anwesenheit des Virus in Wildvogelpopulationen sind solche Übertragungen durch den Kontakt von Fleischfressern mit HPAIV-infizierten Wildvogelkadavern nicht unerwartet, schreibt das FLI. Die wichtigste Schnittstelle zwischen dem Menschen und HPAI H5N1-Viren bleiben jedoch infizierte Geflügelhaltungen.
Impfungen noch nicht ausgereift
Seit letztem Jahr ist nun erstmals eine Impfung von Geflügel gegen Geflügelpest in der EU möglich. Aktuell ist ein Impfstoff zugelassen, der allerdings nicht optimal gegen die derzeit kursierenden Viren angepasst ist. In den Niederlanden gab es erste Impfversuche bei Legehennen, die gute Ergebnisse erbrachten, allerdings mit Impfstoffen, die besser an die aktuellen Virenstämme angepasst, aber in der EU nicht zugelassen sind. In Frankreich läuft ein landesweites Impfprogramm bei Enten. Trotz Impfung erkrankten jedoch einige Tierbestände, woraus die Experten schlossen, dass Wiederholungsimpfungen nötig seien. Weiterhin risikomindernde Maßnahmen wie eine gute Biosicherheit auf den Betrieben und ein möglichst geringer Kontakt zu Wasservögeln sind also nach wie vor sehr wichtig.
In der aktuellen Risikoeinschätzung meldet das FLI, dass zwischen dem 01. und 31.03.2024 in Deutschland ausschließlich HPAIV H5-Fälle bei Wildvögeln nachgewiesen wurden. Die Zahl der HPAIV H5-Ausbrüche bei Hausgeflügel in Europa ist im März stark zurückgegangen. Die seit Oktober 2023 in Europa charakterisierten H5N1-HPAI-Viren der Klade 2.3.4.4.b weisen neue und unterschiedliche Genotypen auf, die vermutlich durch Reassortierung zirkulierender HPAI-Viren mit verschiedenen lokalen LPAI-Viren entstanden sind. Es ist eine erhöhte Anzahl neuer Genotypen mit einem erneuten Trend zu mehr Regionalität festzustellen. Insgesamt ist die Situation rund um die Geflügelpest derzeit als moderat einzustufen, so das FLI. Das Institut empfiehlt die weiterhin konsequent durchgeführte Bekämpfung der HPAI in Geflügelhaltungen als das wichtigste Werkzeug in der Vermeidung einer Exposition des Menschen gegenüber diesen Viren.
Quelle: Dr. Heike Engels
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