Initiative Tierwohl schreibt zum zweiten Mal den „Innovationspreis Tierwohl“ aus

  • Bewerbungsfrist startet am 01.06.2019 und endet am 30.09.2019
  • Mitmachen können Nutztierhalter, Fachexperten und Wissenschaftler, die sich mit innovativen Ansätzen zur Haltung von Hähnchen, Puten oder Schweinen bewerben
  • Umgesetzte Projekte in der Landwirtschaft werden prämiert, eingereichte wissenschaftliche Projekte können Fördergelder erhalten

Die Initiative Tierwohl (ITW) schreibt zum zweiten Mal den „Innovationspreis Tierwohl“ aus. Ab dem 1. Juni 2019 können sich Schweine-, Hähnchen- und Putenhalter, Fachexperten und Wissenschaftler in zwei Kategorien bewerben. Die Tierhalter können sich mit bereits umgesetzten Projekten um ein Preisgeld bewerben. Zugleich haben Fachexperten und Wissenschaftler die Möglichkeit Fördergelder für geplante Projekte zu gewinnen. Die ITW zeichnet neuartige Ansätze aus, die das Tierwohl, dessen Messbarkeit beziehungsweise die Tiergesundheit in der Nutztierhaltung von Schweinen, Hähnchen und Puten fördern. Einsendeschluss für die Bewerbungsunterlagen für ein Preisgeld oder eine Projektförderung ist der 30. September 2019.

„Wir freuen uns sehr, dass wir zum zweiten Mal den Innovationspreis Tierwohl ausloben könnten“, sagt Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Initiative Tierwohl. „Die Initiative Tierwohl treibt das Tierwohl in der Nutztierhaltung Schritt für Schritt in der Breite voran. Innovationen können helfen dabei ganz neue Wege zu erkennen. Wir sind davon überzeugt, dass die deutsche Landwirtschaft in Sachen Tierwohl eine Vorreiterrolle einnehmen kann und möchten mit dem Innovationspreis dazu beitragen. Deshalb wollen wir alle Landwirte, Experten und Wissenschaftler, die sich mit innovativen Ideen für mehr Tierwohl einsetzen, ermutigen sich zu bewerben.“

Die Jury des Innovationspreises Tierwohl besteht aus den Mitgliedern des Beraterausschusses der ITW. Sie entscheidet darüber, welche Projekte den Zuschlag einer Projektförderung erhalten oder welche Landwirte mit einem Preisgeld belohnt werden. Die Gewinner des Preisgelds erhalten jeweils 10.000 Euro, die Zweitplatzierten 7.000 Euro und die Drittplatzierten 5.000 Euro. Die Höhe der Projektförderung ist dagegen nicht festgelegt. Sie wird von der konkreten Bewertung der Projekte und den voraussichtlichen Kosten abhängen.

Weiterführende Informationen finden Interessierte hier

Quelle: Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH

Tierwohl soll deutschlandweit systematisch erfasst werden

In die Frage, wie es in Deutschland um das Wohl der Nutztiere bestellt ist, kommt Bewegung. Das Thema Tierwohl wird in der Fachwelt wie auch in der Gesellschaft kontrovers und mit Leidenschaft diskutiert. Anders als im Umweltbereich, in dem regelmäßig Daten über die Umweltwirkungen verschiedener Sektoren veröffentlicht werden, existieren für den Bereich Tierwohl aber keine vergleichbaren Publikationen. Das jetzt angelaufene Projekt „Nationales Tierwohl-Monitoring“ (NaTiMon) will hier Abhilfe schaffen.

Zwar werden auch jetzt schon regelmäßig Daten zu einzelnen Aspekten des Tierwohls erhoben. Sie ergeben aber kein vollständiges Bild, weil nur bestimmte Produktionsrichtungen und Tierarten erfasst werden oder keine tierwohlbezogenen Auswertungen vorliegen. Der Mangel an belastbaren Informationen führt dazu, dass Diskussionen – auch im politischen Raum – oft unsachlich und wenig zielgerichtet verlaufen. Divergierende Einschätzungen darüber, ob es den Nutztieren gut oder schlecht bzw. besser oder schlechter geht als in der Vergangenheit, machen es schwierig, Lösungsstrategien zu entwickeln, die gesellschaftlich akzeptiert werden.

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Projekts, Grundlagen für ein regelmäßiges, indikatorengestütztes Monitoring zu erarbeiten, die in eine Berichterstattung über das Tierwohl in der Nutztierhaltung in Deutschland münden und Veränderungen über die Zeit deutlich machen. Hierfür werden geeignete tier-, management- und ressourcenbezogene Indikatoren für die wichtigsten Nutztiere Rinder, Schweine, Geflügel sowie Forellen und Karpfen aus Aquakultur ausgewählt und erprobt. Einbezogen werden die Bereiche Haltung, Transport und Schlachtung.

Das Projekt NaTiMon wird mit rund 3 Millionen Euro vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Bundesprogramms Nutztierhaltung gefördert. Es hat eine Laufzeit von drei Jahren. Das interdisziplinäre Projektteam besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Thünen-Instituts, der Tierärztlichen Hochschule Hannover, des Statistischen Bundesamts, des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL), des Friedrich-Loeffler-Instituts, der Universität Kiel und der Hochschule Osnabrück. Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Mitte Mai 2019 ist das Projektteam zu seinem ersten Arbeitstreffen beim KTBL in Darmstadt zusammengekommen. Während des zweitägigen Treffens wurden inhaltliche und organisatorische Aspekte der Projektarbeit besprochen, die wesentlich für ein Gelingen des Vorhabens sind.

Quelle: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei

Sauenhalter fordern Bestandsschutz für ihre Ställe

Tempo der Änderungsvorschriften überfordert die Familienbetriebe
Vor einem zu rasanten Tempo bei der Änderung tierschutzrelevanter Vorschriften für Sauenhalter warnt das Landvolk Niedersachsen. Sie könnten gleich in zwei Bereichen der Ställe, im Deckzentrum sowie auch im Abferkelbereich, mit neuen Vorschriften konfrontiert werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will nach dem sogenannten Magdeburger Kastenstandsurteil die Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung in einem Zug für beide genannten Stallabteile novellieren. Damit müssten die Sauenhalter in einer zwölfjährigen Übergangsfrist beide Haltungsbereiche ändern und würden mit massiven Anpassungen konfrontiert. „Das bedeutet das Aus der meisten Familienbetriebe“, befürchtet Hubertus Berges als Vorsitzender des Veredlungsausschusses im Landvolk Niedersachsen. Das Landvolk fordert vielmehr im Abferkelbereich einen dauerhaften Bestandsschutz für bestehende Ställe. Die zusätzlichen Vorgaben sollten nur für Neubauten gelten.

Der Ausschuss hat in seiner jüngsten Sitzung auch die Ergebnisse des wissenschaftlichen Verbundprojektes InnoPig ausgewertet. Für dieses Projekt haben Forschungsteams verschiedene Haltungssysteme für den Abferkelstall in zwei Versuchsstationen untersucht. Im Projekt wurden drei Abferkelsysteme verglichen. Am besten schnitten die Bewegungsbuchten ab, bei denen der Ferkelschutzkorb fünf Tage genutzt wird. Hier hatten die Sauen mehr Bewegung, die Anzahl der erdrückten Ferkel war ähnlich gering wie bei der Verwendung des Ferkelschutzkorbes über 28 Tage. Beim kompletten Verzicht auf den Ferkelschutzkorb passierte es zu häufig, dass die Sau ihre Ferkel erdrückt. Ein weiteres Ergebnis dieses wissenschaftlichen Projektes belegt, dass die Zahl der Ferkelverluste in übergroßen Abferkelbuchten ansteigt, weil die kleinen Ferkel den Bezug zu ihrer Mutter verlieren. Vergleichbare Ergebnisse belegen auch österreichische Untersuchungen. „Das Bundeslandwirtschaftsministerium muss nun die Ergebnisse seines von ihm geförderten Projektes zur Kenntnis nehmen und von völlig überzogenen und tierschutzwidrigen Maßen für die Abferkelbucht Abstand nehmen“, interpretiert Hubertus Berges die Versuchsergebnisse.

Voraussetzung für eine Umsetzung der neuen Haltungsvorgaben zum Tierschutz in die Praxis muss nach Einschätzung des Landvolkes eine Vereinfachung des Genehmigungsrechts sein. Für Ersatzinvestitionen, die nicht mit einer Bestandsausweitung verbunden sind, sollte ein vereinfachtes Anzeigeverfahren ausreichen. „Wenn der zwischen dem Bau- und Tierschutzrecht bestehende Zielkonflikt von der Politik nicht zeitnah gelöst wird, dann hat die Politik spätestens nach Ende der Übergangszeit die Sauenhaltung in Deutschland komplett abgeschafft“, zieht Hubertus Berges als Vorsitzender des Veredlungsausschusses ein düsteres Fazit aus der Sitzung. Dies könne und dürfe kein politischer Wille sein!

Quelle: Landvolk Niedersachsen

Promotion: BERGIN® Kälberhilfe SL

Diät-Ergänzungsfuttermittel für Kälber zur Stabilisierung des Wasser- und Elektrolythaushaltes. BERGIN® Kälberhilfe SL ist eine hocheffektive Elektrolyt-Diättränke – das „Akut-Produkt“ für sehr junge Kälber oder schwere Verdauungsstörungen. Besonders schnell und vollständig löslich in warmem Wasser.

Enthält schnell verfügbare Elektrolyte und Energie in Form von Laktose (natürliche Energiequelle). Ein komplexes Puffersystem wirkt einer Übersäuerung entgegen. Durch seine praktische Instantqualität ist BERGIN® Kälberhilfe SL schnell und vollständig in warmem Wasser löslich. Der dabei entstehende Sprudeleffekt macht ein mühevolles Auf- und Umrühren der Lösung überflüssig.

Quelle: Bergophor

Baden-Württemberg: 3 Millionen Kilogramm Fisch aus heimischer Aquakultur

Produktionssteigerung bei Regenbogenforelle und Elsäßer Saibling

In Baden‑Württemberg lag die Produktion in Aquakulturanlagen im Jahr 2018 bei insgesamt mehr als 3 Millionen Kilogramm (Mill. kg) Fisch. Das ist eine Steigerung von etwa 9 % im Vergleich zum Vorjahr. Diese Erzeugung erfolgte nach Angaben des Statistischen Landesamtes in 97 Aquakulturbetrieben.

Zur Produktionssteigerung hat vor allem die Regenbogenforelle (+5,6 %) beigetragen, die zusammen mit der Lachsforelle (+14,7 %) drei Viertel (entspricht ca. 2,2 Mill. kg) an der Gesamtmenge einnimmt. Den Unterschied zwischen den beiden biologisch identischen Arten macht die Fütterung. Wenn die Regenbogenforelle mit einem speziellen1 Futter ernährt wird, erhält das Fleisch eine rötliche Färbung und wird dann mit dem Handelsnamen Lachsforelle verkauft. Die Regenbogenforelle bleibt also weiterhin mit Abstand die beliebteste Fischart in der Aquakultur. Mit einem Produktionsanstieg von gut 100.000 kg (+19,7 %) erfährt der Elsäßer Saibling2 die größte prozentuale Zunahme unter den bedeutendsten Fischarten. Wie schon 2017 rangiert er hinter der Regenbogenforelle (einschließlich Lachsforelle) auf Platz zwei.

Neben den forellenartigen Fischen nimmt der Karpfen eine Nischenposition in der baden-württembergischen Aquakultur ein. Mit einer Erzeugung von ca. 33.000 kg (+11,3 %) beträgt der Anteil an der gesamten Fischmenge lediglich 1 %.

In der Erhebung über die Aquakulturerzeugung wird zudem die Brut- und Aufzucht erfasst. Darunter fallen Betriebe, die Laich oder Jungtiere erzeugen und diese an andere Betriebe vertreiben. Die Aufzucht für die eigenbetriebliche Mast wird hierbei nicht berücksichtigt. Im Bundesland konnten 13 Betriebe mit Verkaufsproduktion mit Laich und Jungtieren, zwei Betriebe nur mit Laich und 19 Betriebe nur mit Jungtieren identifiziert werden.

In der Größenstruktur werden die Unterschiede innerhalb der Branche deutlich. Während die 39 Betriebe mit über fünf Tonnen Jahreserzeugung mehr als 97 % der Gesamtproduktion generieren, sind es bei den restlichen 58 weniger als 3 %.

Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

Klöckner: Auch bei verarbeitetem Ei Informationen zur Haltung geben

Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, hat sich für eine verpflichtende Kennzeichnung eihaltiger Lebensmittel mit der Haltungsform der Legehennen ausgesprochen.

Bundesministerin Julia Klöckner: „Anhand der entsprechenden Kennzeichnung auf rohen Eiern und den Eierpackungen können Verbraucher heute erkennen, wie die Legehennen gehalten wurden. Beim Kauf etwa von Ostereiern, Frischei-Nudeln, eihaltiger Backwaren oder Mayonnaise geht diese Information jedoch verloren, da das Ei als weiterverarbeitet gilt. Hier setze ich mich für mehr Transparenz ein. Viele Lebensmittelhersteller geben zwar bereits freiwillig eine Kennzeichnung auf verarbeiteten Eiprodukten an. Besser wäre aber, die bestehende Kennzeichnungspflicht für unverarbeitete Eier auf alle Produkte, in denen Eier verarbeitet wurden, zu erweitern. Denn nur so kann auch in diesem Bereich eine bewusste und gut informierte Kaufentscheidung getroffen werden.

Ich werde mich dazu an die Europäische Kommission wenden, denn eine Regelung auf Ebene der EU wäre am sinnvollsten. Wenn die Kommission das weiterhin aber anders beurteilt, müssen und werden wir die Möglichkeiten auf nationaler Ebene weiter verfolgen.“

Hintergrund:
Das allgemeine Kennzeichnungsrecht sieht eine solche Pflicht zur Kennzeichnung nicht vor. Zudem besteht seitens der EU-Kommission und der anderen Mitgliedsstaaten bislang keine Bereitschaft zur Änderung des EU-Rechts. Eine nationale Kennzeichnungsregelung ist unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich möglich. Eine solche wäre gegenüber der Europäischen Kommission und der Welthandelsorganisation zu notifizieren.

Verbraucherinnen und Verbraucher, die Käfigeier vermeiden wollen, können sich bisher an privaten Initiativen, wie mit dem KAT-Siegel „Tierschutz geprüft“ gekennzeichneten Lebensmitteln orientieren oder für Produkte aus dem ökologischen Landbau entscheiden.

Quelle: BMEL

Tipp aus der Praxis: Brottrunk für Legehennen

Elfried Rieken aus Aurich, Ostfriesland, nutzt für seine rund 16.000 Legehennen den Brottrunk von der Firma Kanne. Der Brottrunk wird über eine spezielle Düse in kleinen Dosierungen dem Körnerfutter frisch zur Fütterung in der Futterkette beigemischt. „Ich mache das, seitdem die Hennen vor einiger Zeit eine Rotlauf-Infektion durchmachten. Durch den Befall mit Schweinerotlaufbakterien bekommen die Hennen Fieber, Durchfall und können auch durch die körperliche Schwächung sterben. Die Sterberate steigt überproportional an. Dr. Hiller von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gab mir den Tipp, Brottrunk einzusetzen. Anfangs bekamen die Hennen ihn zur freien Aufnahme. Damit waren die Auswirkungen der Rotlauferkrankung schnell auf ein Minimum gemindert. Doch die Tiere sehen damit so gut aus, dass ich den Brottrunk weitergebe. Er tut den Tieren einfach gut, das Gefieder ist topp und die Tiergesundheit erheblich besser“, sagt Elfried Rieken.

Doch was enthält der Brottrunk, weshalb er so gut wirkt? Brottrunk entsteht durch die Fermentation von Brot, bei Kanne von einem extra zu dem Zweck gebackenen Bio-Vollkornbrot. Nach dem Abschluss dieser Fermentation wird der Brottrunk gefiltert und abgefüllt. Das zurückbleibende Filtrat enthält Aminosäuren, Vitamin B12 und weitere Vitamine sowie vor allem Milchsäure. Zur normalen Bakterienbesiedlung des Geflügeldarms gehören Milchsäurebakterien, da diese für den mikrobiellen Aufschluss des Getreidekorns benötigt werden. Die bei der Getreidefermentation entstehenden Milchsäurebakterien können einen Beitrag zur Vielfalt des Darmmikrobioms leisten und unterstützen daher die Gesundheit des Geflügels. Die Firma Kanne gibt zudem an, dass die speziellen Stämme der Brotsäurebakterien, anzusiedeln im Bereich der Laktobakterien, in der Lage sind Proteine höher aufzuschlüsseln, bzw. verfügbarer zu machen. Das bedeute eine bessere Ausnutzung der errechneten Ration. Die durchschnittliche Futtereinsparung im Bereich Legehennen, Masthähnchen beträgt laut Firmenaussage ca. 3-4 %. Die Leistungsparameter würden durch geringere Fressmengen in keinem Fall negativ beeinflusst. Im Gegenteil, Legeleistungen, Tageszunahmen und allgemeiner Gesundheitsstatus der Herden würden stabilisiert.

Bei 16.000 Legehennen benötigt Elfried Rieken je Durchgang mehrere 1000 Liter Brottrunk, den er in großen Containern zu 600/1000 Litern bestellt. Die Anwendungsempfehlung liegt für Legehennen je Tier bei nur 2 ml pro Tag. Das Futter wird mit dem Brottrunk nur ganz leicht befeuchtet, so dass es nicht klumpen kann. Trotzdem empfiehlt Elfried Rieken, zu Beginn der Fütterung einen Blick in den Zulauftrichter zu werfen, um etwaige Futterbröckchen gleich zu zerkleinern. „Ebenfalls wichtig ist beim Einsatz von Brottrunk, dass aus dem Futter das Natriumbicarbonat heraus genommen wird. Bliebe es enthalten, würde es die säuernde Wirkung des Brottrunks aufheben bzw. abpuffern und die Wirkung wäre nicht da“, rät der Landwirt.

Abgesehen von der Fütterung gibt es noch weitere Einsatzmöglichkeiten für den Brottrunk. Einer ist die Vernebelung im Stall zu Desinfektionszwecken. Diese Maßnahme senkt den pathogenen Keimdruck in den Geflügelstallungen. Elfried Rieken praktiziert auch das schon seit einiger Zeit: einmal in der Woche vernebelt er ca. 1 Liter Brottrunk für 100 m². Bei der Neubelegung empfiehlt der Hersteller Kanne ein einmaliges Einnebeln/Eingießen der Flächen.

Quelle: Dr. Heike Engels

Langzeitstudien zur Insektenpopulation in Sachsen-Anhalt

Interview mit Dr. Mark Frenzel, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Herr Dr. Frenzel, seit zehn Jahren untersuchen Sie die Insektenpopulation in Sachsen-Anhalt. Kann man das so einfach sagen?

Ja, aber um das besser einordnen zu können, muss man noch ein paar Details nennen. Wir konzentrieren uns im Rahmen des TERENO-Projektes der Helmholtz-Gemeinschaft auf sechs Landschaften in Sachsen-Anhalt von je 4×4 Kilometer Größe, die überwiegend agrarisch geprägt sind, mit 70% bis 95% landwirtschaftlicher Nutzung.

Dort untersuchen wir mit sogenannten Passiv-Fallen, alles was in diese Fallen reingeht. Die Fallen sind jedes Jahr jeweils sechs Wochen im frühen Sommer und sechs Wochen im späten Sommer aktiv.

Die Auswertung der gefangenen Insekten ist eine große Herausforderung, da die Insekten sortiert und bestimmt werden müssen. Bei der Krefelder Studie von 2017 ist das z. B. auch ein ganz großes Manko. Dort wurden über viele Jahre tausende von Proben gesammelt, die man aufgrund des Zeitaufwandes manuell nicht mehr sortieren kann. Und nach dem Sortieren, kommt noch die Bestimmung durch Spezialisten hinzu. Diese Spezialisten werden in Deutschland eher weniger als mehr, weil das ein Zweig ist, der forschungsmäßig nicht belohnt wird.

Deswegen müssen wir, wenn es um die Bestimmung geht, zukünftig mehr und mehr genetische Methoden nutzen und sind damit beim sogenannten Barcoding. Das bedeutet, dass man einen bestimmten Teil aus der genetischen Information analysiert und artspezifische Sequenzen identifiziert. Man legt für jede einzelne Art einen sog. Bibliothekseintrag an und kann dann durch den Abgleich mit entsprechenden Datenbankeinträgen auf automatisiertem Weg die Art-Identität feststellen.

Bei unseren Untersuchungen in Sachsen-Anhalt können wir nur einen Teil der Insekten bearbeiten, und zwar hauptsächlich Wildbienen. Da brauchen wir vom Sammeln im Gelände, bis wir wissen, wie viele Individuen von welcher Art in der Falle A zum Zeitpunkt B waren, mindestens eineinhalb Jahre.

Darf ich noch mal zurück zu Ihren Flächen? Sie haben ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Flächen, nicht irgendeine Kontrollfläche an der U-Bahnstation etwa?

Das Problem der Kontrollen bei diesem Monitoring-Design ist schwierig: was sollte die Kontrolle sein? Unsere Landschaft setzt sich einfach aus ganz unterschiedlichen Lebensräumen zusammen.  Wenn ich sage, ich will nicht Landschaften untersuchen, sondern kleine Versuchsflächen, von z. B. 100 x 100 Meter, kann ich die mitten in ein Feld legen. Dann muss ich aber auch sicher sein, dass ich nur die Tiere und Pflanzen aufnehme, die auch an diesen Lebensraum gebunden sind. Sobald ich fliegende Insekten habe, geht das natürlich so nicht mehr. Wenn ich aber einen größeren Landschaftsausschnitt wähle, habe ich mal Hecken drin, mal Wege oder manchmal auch kleine Forste, die unterschiedlichsten Dinge eben. Bei fliegenden Insekten kann ich die alle nicht ausschließen und insofern ist eine Kontrolle auf Landschaftsebene mit diesem Design nicht machbar.

Und Sie konzentrieren sich nur auf Fluginsekten, hauptsächlich Bienen oder Bestäuber? Welchen methodischen Ansatz haben Sie gewählt?

Passiv-Falle

Die erste Auswahl ist immer der Fallentyp. Unsere Fallen sind kombinierte Flugfallen in etwa 1,2 Meter Höhe über dem Erdboden: große gelbe Trichter mit 25 cm Durchmesser, mit zwei gekreuzten Plexiglasscheiben über dem Trichter. So setzen wir einmal auf die Attraktion, denn die Falle wirkt von Weitem wie eine riesige Löwenzahnblüte, was natürlich besonders für Bestäuber interessant ist. Der zweite Punkt ist – deshalb kombinierte Flugfalle – das Plexiglas. Die Scheiben wirken wie unsichtbare Hindernisse für umherfliegende Insekten, die gegen die Scheiben stoßen und dann in den Trichter fallen. Im Trichter befindet sich eine wässrige Lösung mit einem leichten Konservierungsmittel.

Dadurch konzentrieren wir uns auf fliegende Insekten. Im zweiten Schritt haben wir ausgewählt, welche Insektengruppen wir überhaupt bearbeiten können und welche gleichzeitig mit einer Ökosystem-Funktion oder -Leistung verbunden sind, die wir als Menschen wichtig empfinden. Deshalb haben wir zu Beginn des Monitorings u.a. für Wildbienen entschieden, da sie als Bestäuber eine wichtige, sehr diverse und auch sehr spezialisierte Gruppe darstellen. Wir haben in Deutschland etwa 570 Arten von Wildbienen, die nur Spezialisten unterscheiden können. Neben den Wildbienen untersuchen wir noch Schwebfliegen und Laufkäfer. Wildbienen stellen quantitativ den größten Anteil.

In diesem Jahr haben wir in dem Deutschen Netzwerk für ökologische Langzeitforschung (www.LTER-D.de), eine gemeinsame Initiative zum Insektenmonitoring gestartet, bei der wir den Fallentyp einsetzen, der auch in der Krefelder Studie verwendet wird. Die sogenannte Malaise-Falle sieht aus wie ein Zelt und ist sehr ergiebig. Es gibt beispielsweise auch eine globale Initiative, bei der Malaise-Fallen verwendet werden. Wir haben in diesem Frühjahr angefangen, deutschlandweit solche Fallen an etwa 70 Standorten aufzustellen. (Wenn wir 100% statistisch saubere und repräsentative Ergebnisse wollten, müssten wir 1.000 bis 1.500 Fallen aufstellen, wie das Bundesamt für Naturschutz Anfang der 2000er Jahre mal für die „ökologische Flächenstichprobe“ in Deutschland berechnet hat.)

Mallaisefalle

Der Vorteil des zweiten Fallentyps ist, dass man mit 80-prozentigem Äthanol arbeiten kann, um die gefangenen Tiere sofort so zu konservieren, dass die DNA nicht von Pilzen oder Bakterien zerschnitten wird. Allerdings sind die analytischen Methoden derzeit noch in der Feinjustierung und man braucht für das (Meta-) Barcoding ein finanzkräftiges Projekt im Hintergrund.

Aber wenn Sie schon zehn Jahre bei der Arbeit und noch nicht ganz fertig sind, wann wäre denn ein solches Großprojekt abgeschlossen?

(Lacht) Monitoring hat in den seltensten Fällen den Anspruch irgendwann beendet zu sein. Es geht genau darum, Umweltveränderungen zu beobachten, da sich unsere Umwelt rapide und ständig verändert. Zehn Jahre mögen für eine bestimmte Fragestellung ausreichen, aber damit können wir nicht voraussagen, was in Zukunft passieren wird.

Bevor wir zu Ihren Zwischenergebnissen kommen: im Vorgespräch erwähnten Sie, dass Sie zunächst mal das „Grundrauschen“ ausfiltern mussten. Was müssen wir darunter verstehen?

Die Populationsschwankungen von Insektengemeinschaften sind sehr stark durch Witterungseinflüsse bedingt. Wenn es eine Kälte- oder Regenperiode gibt, sind die Tiere nicht nur weniger aktiv, sondern das ist auch Grundlage für den Vermehrungserfolg. Erwachsene Wildbienen leben nur relativ kurze Zeit, etwa in der Größenordnung von drei, vier Wochen. In dieser Zeit müssen sie ihre Vermehrung abschließen. Wenn das in eine Schlechtwetterperiode fällt und sie dann nicht entsprechend fliegen können oder nicht genug Pollen finden, um ihn in den Brutzellen einzulagern, dann wird man diese Schwankung allerspätestens im nächsten Jahr sehen.

Wenn es Regenzeiten gibt, haben wir weniger Tiere in den Fallen und wenn das Wetter gut ist, ist es wahrscheinlich, dass wir auch wesentlich mehr Tiere in den Fallen finden. Diese abiotischen Rahmenbedingungen sind ausschlaggebend dafür, was wir in den Fallen haben. Wenn wir sagen, uns interessiert nur die Landwirtschaft oder der Pestizideinsatz, dann müssen wir zunächst versuchen, diese ganzen witterungsbedingten Schwankungen mit ziemlich aufwändigen Statistik-Methoden herauszurechnen, um dann die Restvariation mit bestimmten anderen Umwelteinflüssen in Zusammenhang zu setzen, von denen wir glauben, dass sie einen Einfluss haben. Deswegen braucht man erst mal eine ganze Reihe von Jahren, um aus diesem Rauschen irgendwelche Trends rausfiltern zu können.

„Man kann visuell Kurven betrachten und sagen „ja, für mich sieht das nach einem Trend aus“. Wenn man dann versucht dies statistisch von Zufällen zu trennen, muss man sagen „nein, was für mich wie ein Trend aussieht, ist es nach den Gesetzen der Statistik einfach nicht“.

Trauen Sie sich denn nach zehn Jahren eine Bewertung zu?

Ja, es gibt schon ein paar Dinge, die wir aus den Daten mittlerweile rauslesen können. Wenn man ganz einfache Größen nimmt, wie: hat sich die Anzahl der gefangenen Tiere oder die Anzahl der Arten insgesamt über die Jahre geändert, könnte etwas dran sein, aber wir können es statistisch noch nicht unterlegen. Man kann visuell Kurven betrachten und sagen „ja, für mich sieht das nach einem Trend aus“. Wenn man dann versucht dies statistisch von Zufällen zu trennen, muss man sagen „nein, was für mich wie ein Trend aussieht, ist es nach den Gesetzen der Statistik einfach nicht“.

Aus diesen einfachen Größen können wir auf Anhieb nicht schließen, dass sich Wesentliches verändert hat. Deswegen müssen wir mit relativ komplizierten statistischen Methoden rangehen und viele statistische Modelle zu rechnen, um zu sehen, wo es welche Einflussfaktoren gibt.

Wir haben so beispielsweise herausgefunden, dass unsere Untersuchungsgebiete, in denen es durchschnittlich wärmer ist, mit einem leichten Artenverlust zu kämpfen haben. Bei Insekten denkt man oftmals, weil sie wechselwarm sind, kann es ihnen gar nicht warm genug sein. Aber insbesondere wegen ihrer artspezifischen enzymatischen Ausstattung bevorzugen sie einen bestimmten Temperaturbereich. Es gibt z. B. Wintermücken, die in der kalten Jahreszeit aktiv sind, wenn andere Insekten inaktiv sind. So entkommen diese Mücken vielen Räubern.

Bei allen Insekten ist es so, dass sie bestimmte Temperaturen nicht mehr gut vertragen und dabei gibt es eine andere schöne Korrelation, nämlich Köpergröße. Haben Sie eine Idee, wer sich zuerst bei höheren Temperaturen zurückzieht? Kleine oder große Insekten?

Die Großen.

Richtig, das ist wie bei korpulenten Menschen, die schneller schwitzen und weniger gut mit Hitze umgehen können, weil das Verhältnis von Volumen zu kühlender Oberfläche ungünstiger ist. So ist das beispielsweise auch bei Hummeln: Hummeln sind sehr groß, haben eine pelzige Körperbehaarung und können auch noch bei relativ frischen Temperaturen unterwegs sein. Hummeln sind auch diejenigen, die in den Alpen am höchsten klettern, weil sie eben mit niedrigen Temperaturen gut umgehen können.  Wenn es allerdings zu warm wird, machen sie nichts mehr, weil sie sonst einen Hitzekollaps bekämen.

Deswegen prognostizieren wir, dass die größeren Arten mit der Klimaerwärmung aus bestimmten Gebieten verschwinden werden. Wer mit der Erwärmung nicht mithalten kann, muss entweder in kühlere Regionen ausweichen oder die Arten sterben einfach aus. Beispielsweise wandern in den Bergen die klimatischen Höhenstufen mit der Klimaerwärmung nach oben, aber am Gipfel ist Schluss mit weiteren Ausweichmöglichkeiten.

Was wir im Weiteren festgestellt haben, hat mit der Struktur der Landschaften zu tun. Wir haben das mit Oberflächenmodellen gerechnet, mit hügeligen oder glatten Oberflächen. Je glatter Landschaften sind, umso stärker werden sie genutzt, weil sie bei uns in der Regel auch sehr gute Böden haben. Je „rauher“ eine Landschaft ist, umso kleinteiliger und strukturreicher ist sie und bietet daher auch mehr naturnahe Habitate. In diesem Zusammenhang konnten wir zeigen, dass strukturreiche Landschaften negative Auswirkungen von z.B. Klimaerwärmung puffern können.

„Selbst die total ausgeräumten Landschaften stehen sowohl im Hinblick auf Artenzahlen bei Wildbienen als auch bei der Anzahl Individuen teilweise ziemlich gut da. Trotz dieser Situation, selbst bei hochintensiver Landwirtschaft, können wir keine Entwarnung geben.“

Selbst die total ausgeräumten Landschaften bei uns im mitteldeutschen Trockengebiet, stehen sowohl im Hinblick auf Artenzahlen bei Wildbienen als auch bei der Anzahl Individuen teilweise ziemlich gut da. Trotz dieser Situation, selbst bei hochintensiver Landwirtschaft, können wir keine Entwarnung geben

Das Prekäre an dieser Situation zeigt sich, wenn man die Arten-Zusammensetzungen der Wildbienengemeinschaften betrachtet. Wenn es in der Ökologie um die Analyse von Gemeinschaften geht, fertigt man häufig sogenannte Dominanzdiagramme an. Das bedeutet: ich erfasse nur diejenigen Arten, die mindestens 2% der gesamten Individuen ausmachen. Dann bekomme ich nämlich die Arten, die ganz häufig auftreten.

Man stellt das in Balkendiagrammen dar, jeweils ein Balken pro Art, bis die 2%-Grenze erreicht ist. Wünschenswert aus Sicht der Ökologie ist, dass möglichst viele Arten im Diagramm auftauchen, bis diese 2%-Grenze erreicht ist. In den ausgeräumten Landschaften haben wir 8 Arten gefunden, die das Ganze dominieren, obwohl insgesamt in diesem Gebiet 150 Arten vorkommen. Acht Arten machen also die Masse aus, während alle anderen Arten den Rattenschwanz bilden, da sie jeweils nur mit wenigen Individuen vorkommen. Deshalb spielen sie bei quantitativen Interaktionen (z.B. Bestäubung) meist keine große Rolle. Wenn dann aber von den acht Arten, zwei schon 40% aller Individuen stellen und es einen steilen Abfall gibt, von Rang eins zu Rang zwei zu Rang drei, dann ist die Gemeinschaft unbalanciert.

Wir sehen auch, dass diese dominanten Arten überwiegend generalistische Arten sind, die mit allen möglichen Bedingungen zurechtkommen. Es fehlen dann jedoch die Spezialisten, von denen ich aber auch nie erwarten würde, dass sie die Hauptmasse der Insekten stellen werden. Es ist zwar toll, dass wir so viele Individuen, auch in den ausgeräumten Landschaften, haben, aber es ist eben keine stabile Gemeinschaft, die z. B. die Bestäubungsfunktionen gut abdeckt.

Darf ich mal etwas provokantes sagen? Ich hätte gerne die Bestäuber, aber auf Schnaken, Zecken und Anopheles könnte ich gut verzichten. Sind denn tatsächlich alle Insekten auch für uns, in irgendeiner Weise, wichtig?

Da muss man über zwei Aspekte diskutieren. Da wäre einmal der anthropozentrische Ansatz, der in Wissenschaft und Ethik sehr stark kritisiert wird. Aber ich finde den Ansatz trotzdem wichtig, da er unsere Wirklichkeit und unsere typische Weltsicht beschreibt. Menschen gestalten die Welt und definieren, was sie brauchen und was sie nicht brauchen.

Wenn wir die Welt sehr einfach betrachten, brauchen wir natürlich vieles nicht. Wenn ich aber die ökologische Brille aufsetze, können wir das nicht so einfach sagen, weil sich unsere Welt dadurch auszeichnet, dass sie hochvernetzt ist. Und wir wissen oftmals gar nicht, was passiert, wenn wir an irgendwelchen Stellschrauben drehen.

„Wir untersuchen in denselben Gebieten auch die Vogelgemeinschaften und für Vögel ist die Insektenfauna essentiell. Alle Vogelarten, ob Körner- oder Insektenfresser, brauchen für die Aufzucht ihrer Jungen hochwertiges Protein und das sind überwiegend Insekten.“

Ein Großteil der Tiere, die wir in unseren Fallen haben sind Fliegen. Fliegen sind wahnsinnig artenreich, wir haben in Deutschland um die 12.000 Fliegenarten. Auch Fliegen spielen als Bestäuber eine Rolle und kommen in wesentlich größerer Individuenzahl als Wildbienen vor. Noch spannender wird es, wenn eine weitere trophische Ebene hinzukommt: Wir untersuchen in denselben Gebieten auch die Vogelgemeinschaften und für Vögel ist die Insektenfauna essentiell. Alle Vogelarten, ob Körner- oder Insektenfresser, brauchen für die Aufzucht ihrer Jungen hochwertiges Protein und das sind überwiegend Insekten.

Zu Vogelgemeinschaften in Agrarlandschaften gibt es zum Glück Langzeitdaten und diese zeigen, dass die Zahl der Vögel dort kontinuierlich zurückgeht. Das hat meistens mit der Intensivierung von Landwirtschaft zu tun: je mehr Flächen zusammengelegt werden, je mehr Randstrukturen verschwinden, je intensiver die Kulturen behandelt werden, umso mehr schränke ich natürlich den Lebensraum ein – und der Lebensraum besteht immer aus Nahrungs- und Bruthabitat.

Von Seiten der Wissenschaft sagen wir immer: wir wissen einfach zu wenig, um die Natur ganz gezielt und ohne unvorhergesehene negative Auswirkungen manipulieren zu können. Deswegen werden die wenigsten Ökologen sagen, dass wir Stechmücken eigentlich nicht brauchen. Wir wollen uns auch nicht anmaßen, mehr als unbedingt notwendig in die natürlichen Abläufe einzugreifen.

Herr Dr. Frenzel, noch mal zurück zum Rückgang der Vogelpopulationen auf großen Agrarflächen. Hängt der nur mit dem Rückgang der Futterinsekten zusammen oder gibt es noch einen anderen Grund?

Ich würde es nicht zuspitzen auf „Rückgang in großen Flächen“. Ursprünglich kommen die typischen Agrarvögel aus Steppenlandschaften und haben sich bei uns angepasst. Es geht um zwei Dinge: Nahrungshabitat und Bruthabitat. Den Rückgang der reinen Insektenbiomasse, die für die Qualität des Nahrungshabitates für Vögel wichtig ist, hat die Krefelder Studie deutlich gezeigt. Wie weit man das auf die gesamte Fläche von Deutschland extrapolieren können, ist nicht klar, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieser Trend die Ausnahme und nicht die Regel in Deutschland ist.

Die hauptsächliche Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft hatten wir in den 70er-, 80er-Jahren. Danach wurde immer weiter an den feinen Stellschrauben gedreht, beispielsweise an der Halmdichte. Wenn die aber sehr hoch ist, findet beispielsweise eine Feldlerche keinen Brutplatz mehr im Feld. Natürlich spielt ebenso die Zahl und Art der Chemikalienapplikationen für brütende Vogel eine Rolle. Und genauso die Art und Anzahl von Randstrukturen in der Agrarlandschaft, die als Bruthabitat geeignet sind.

Haben Sie denn auch einen Lösungsvorschlag?

Die Lösungsansätze sind seit vielen Jahren klar. Auf jeden Fall ist eine heterogene Landschaft wichtig. Blühstreifen und ähnliche Agrarumweltmaßnahmen sind klasse, wenn sie permanent sind, wenn man an manchen Stellen die Natur nicht ganz so stark reguliert. Ich sehen bei meinen Geländearbeiten sehr oft, dass auch die Feldränder regelmäßig gemäht werden, damit der Wildsamendruck auf das Feld möglichst minimiert wird, dass die Hecken regelmäßig zurück geschnitten werden und dass von Jahr zu Jahr versucht wird, noch ein wenig dichter an Feldwege heran zu pflügen.

Beim Zurückdrängen der Natur, was wir erfolgreich in den letzten Jahrhunderten praktiziert haben, müssten wir den Rückwärtsgang einlegen. Weil es oftmals auch um vernetzende Elemente geht, reicht es nicht in einer Agrarsteppe einen Fleck von 100 x 100 Metern zu haben, wo man das „ökologische Paradies“ wiederherstellen möchte. Das muss von den gewünschten Tier- und Pflanzenarten erst mal entdeckt werden! Bei öffentlichen Wegen In der Agrarlandschaft sollte man die Abmessungen kontrollieren, also die ursprünglichen Breiten, und an den Rändern wieder mehr Natur, sogenannte Unkräuter und Wildblumen, zulassen.

Insgesamt können wir die Entwicklung natürlich nicht zudrehen. Wir sind eine bestimmte Ebene der Versorgung und auch ein bestimmtes Preisgefüge gewohnt und wenn sich da nichts radikal ändern darf, können wir auch nur bis zu einem gewissen Grad Maßnahmen ergreifen, die den negativen Einfluss menschlicher Aktivität in der Landschaft abschwächen.

Kürzlich habe ich gelesen, man müsste eigentlich mitten im Feld, statt am Rand, Blühstreifen anlegen, weil viele Insekten gar nicht so weit fliegen könnten, um den gegenüberliegenden Feldrand zu erreichen.

Das ist völlig richtig. Untersuchungen hierzu haben ergeben, dass Agrarumweltmaßnahmen in sehr intensiv genutzten, ausgeräumten Agrarlandschaften nicht sehr sinnvoll sind, sondern eher dort, wo der Anteil naturnaher Flächen höher, die Feldgröße kleiner und eher eine mittlere Nutzungsintensität gegeben ist.

Man muss immer den räumlichen Bezug im Auge haben. Versuche ich irgendwo die Insel der Glückseligen oder eher ein mosaikförmiges Netzwerk zu kreieren? Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass attraktive Strukturen in für Insekten wahrnehmbarer und machbarer Entfernung liegen müssen, um diese Netzwerkfunktion zu erfüllen.

„Etwa 7.800 Insektenarten stehen als bestandsgefährdet auf der Roten Liste. Das heißt aber nicht, dass es in der Vergangenheit einen Zeitpunkt gegeben hätte, an dem keine der 30.000 Arten auf einer Roten Liste gestanden hätte.“

Zum Schluss noch eins: ich lese öfter, laut Roter Liste seien viele Wildbienen schon ausgestorben oder bedroht. Andererseits lese ich, zuletzt sei eine Wildbienenart 1948 ausgestorben und bei den bedrohten Arten wären in den letzten X Jahren nur wenige hinzugekommen. Das verwirrt mich.

Die Roten Listen muss man aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, weil es durchaus sein kann, dass bei uns eine Art am Rande ihres Verbreitungsraumes und deshalb nicht so stabil ist. In einem Nachbarland muss dieselbe Art aber überhaupt nicht gefährdet sein. Das hat auch damit zu tun, dass Tiere keine stationären Lebewesen sind. Sie bewegen sich als Individuen und auch als Populationen. Die Wildbienen haben komplexe Anforderungen an Brutraum und Nahrungsraum, beide müssen jeweils im Aktionsradius der Tiere zusammenfallen.  Und wenn wir durch unser Einwirken immer mehr für Entkopplung sorgen, dann haut das nicht mehr so hin.

Es gibt etwa 30.000 Insektenarten in Deutschland. Davon stehen etwa 7.800 als bestandsgefährdet auf der Roten Liste. Das heißt aber nicht, da lehne ich mich jetzt ein bisschen aus dem Fenster, dass es in der Vergangenheit einen Zeitpunkt gegeben hätte, an dem keine der 30.000 Arten auf einer Roten Liste gestanden hätte. Weil wir durch Klimaveränderungen in der Vergangenheit natürlich auch immer Ausbreitungsbewegungen und Schrumpfungen hatten. Wir können aber trotzdem mit absoluter Sicherheit festhalten, dass menschliches Handeln die wichtigste Ursache für die Bedrohung anderer Arten ist, weil wir deren Lebensraum in Anspruch nehmen und modifizieren.

Das kam ja auch bei dem kürzlich veröffentlichte IPBES-Bericht (IPBES: Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services = Welt-Biodiversitätsrat)) heraus. Es wird vermutet, dass es inklusive aller unbeschriebenen, unentdeckten Arten um die acht Millionen Arten auf der Welt gibt und laut IPBES können wir davon ausgehen, dass etwa eine Million Arten in ihrem Bestand bedroht sind. Entweder durch den Klimawandel, den wir ja auch sehr stark antreiben, oder durch das Bevölkerungswachstum. Viele Kurven zum Zustand unseres Planeten können Sie nebeneinander legen – ob das jetzt CO2-Ausstoß oder „Rückgang von“ ist – und Sie stellen fest, sie korrelieren allesamt wunderbar mit der Kurve des globalen menschlichen Bevölkerungswachstums.

Herr Dr. Frenzel: herzlichen Dank für das Gespräch!

Tiergesundheitsbranche in Bewegung

Neue regulatorische Rahmenbedingungen und Veränderungen in Tierhaltung und Veterinärlandschaft wirken auf das Geschäftsumfeld – Sorge über zurückhaltende Impfbereitschaft der Tierhalter

Neue regulatorische Rahmenbedingungen und Veränderungen in Tierhaltung und Veterinärlandschaft wirken auf das Geschäftsumfeld. Wie der Bundesverband für Tiergesundheit (BfT) anlässlich seiner Frühjahrsveranstaltung in Köln mitteilte, ergibt sich für den Tierarzneimittelmarkt in Deutschland eine stagnierende Marktentwicklung von 0,24% bei einem Gesamtmarkt von 813 Mio. Euro. Ein innovationsfreundliches Geschäftsumfeld mit klaren Rahmenbedingungen ist unabdingbar, um auch künftig moderne Lösungen für die Gesundheit sowie die Lebensqualität von Tieren und auch Menschen bereitstellen zu können.

Wichtig ist die gesellschaftliche Anerkennung für den Nutzen der Tiergesundheit zu erreichen und aktuelle Impulse des Sektors aufzunehmen, betonte Dr. Sabine Schüller, Geschäftsführerin des BfT.

Die Teilmärkte entwickelten sich wie folgt: Pharmazeutische Spezialitäten +7,0%, Biologika -2,3%, Antiparasitika -3,2% und Antiinfektiva -5,1%. Der Anteil des Kleintiersegmentes macht 54% und der des Nutztiersegmentes 46% aus. Wesentliche Treiber für das Wachstum im Gesamtjahr sind Produkte im Kleintierbereich, allen voran solche zur Behandlung von Haut- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die leicht positive Entwicklung des Impfstoffsegmentes aus dem Vorjahr hat sich nicht fortgesetzt. Vorbeugende Maßnahmen, wie Impfungen, wurden durch die verhaltene Stimmung in der Landwirtschaft nachteilig berührt.

„Mit Sorge sehen wir die zurückhaltende Impfbereitschaft der Kleintierhalter. Viele ernste Infektionen werden durch regelmäßige Impfungen, die die Mehrheit der jeweiligen Tierpopulation wie Hunde oder Katzen erfassen, erfolgreich kontrolliert. Dies sollte nicht durch Impflücken gefährdet werden“, appellierte Schüller.

Durch neue Markteinführungen entwickelte sich der Diagnostikabereich positiv. Der Antiparasitikamarkt war geprägt durch gering ausgeprägte Saisonalität, generische Effekte und Veränderungen zum Verschreibungspflichtstatus einiger Produkte. Das Antiinfektivasegment wurde beeinflusst durch die Verunsicherung der Tierärzte mit Blick auf die Anwendungsauflagen durch die zweite Änderungsverordnung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung. Insbesondere parenteral verabreichte Antibiotika waren nach Inkrafttreten der Verordnung im deutlichen zweistelligen Prozentbereich rückläufig. Die orale Medikation stagniert auf niedrigem Niveau. Pharmazeutische Spezialitäten tragen erneut mit einem Wachstum von 7% auf 299 Mio. Euro wesentlich zu der Entwicklung des Gesamtmarktes bei.

Zwei wesentliche Rechtsvorhaben, das europäische Tierarzneimittelpaket und die zweite Änderungsverordnung zur Tierärztlichen Hausapothekenverordnung bestimmten im vergangenen Jahr die Rahmenbedingungen. Sie müssen in ihren praktischen Auswirkungen weiter intensiv gestaltet werden. Mit rund 800 Mio. Euro zählt Deutschland zu den führenden Märkten in Europa. Wie Schüller ausführte, zeigt die abflachende Marktentwicklung in den vergangenen Jahren aber, dass ein Fokus auf eine faktenbasierte Regulierung und eine offene Innovationskultur für den Tiergesundheitssektors notwendig sind, um auch künftig Tierarzneimittel und das Know-How der Tiergesundheitsunternehmen in vollem Umfang einsetzen zu können. Im Kontext der Kontrolle der Resistenzentwicklung beim Menschen trägt der Sektor strikte Maßnahmen zur Anwendung und Kontrolle von Antibiotika mit. Die Antibiotikaabgabemengen in der Tiermedizin in Deutschland gingen seit

2011 um fast 60% zurück. Verstärkt wird in die Krankheitsvorbeuge, z.B. durch die Impfung, aber auch in digitale Lösungen zur Nutzung der Vielzahl vorliegender Gesundheitsparameter, investiert. Insbesondere die politischen Vorgaben aus Europa sind ein wichtiger Baustein, um den Weg zu ebnen, um wirksamere Impfstoffe, schnellere und genauere Diagnosetests und eine breite Palette von innovativen Lösungen für Tiergesundheit und Tierschutz zu entwickeln.

Quelle: Bundesverband für Tiergesundheit

Temperatur im Bienenstock als Krankheitsanzeiger

Wenn es im Winter draußen kalt wird, kuschelt man sich gerne zusammen. Bei Bienen ist dieser Mechanismus überlebenswichtig: Sie lagern sich im Zentrum des Bienenstocks zusammen. Eine funktionierende Temperaturregulierung innerhalb des Stocks ist auch über das ganze Jahr von entscheidender Bedeutung, sowohl für die Brut als auch zur Bekämpfung der sogenannten Varroamilbe. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung um Prof. Katharina Landfester und Dr. Stanislav Balouchev arbeiten in einem durch die Volkswagen-Stiftung finanzierten Projekt daran, die Temperaturverteilung in einem Bienenstock zu messen und schließlich auch aktiv zu beeinflussen.

Ein Bienenstock ist ein komplexes Ökosystem – nicht jede Biene kann für sich betrachtet werden, sondern die Ansammlung aller Bienen kann als ein einzigartiger und riesiger Superorganismus gesehen werden, der lebt und arbeitet – jedoch auch krank werden kann. Als der bedeutsamste Bienenschädling weltweit gilt die sogenannte „Varroamilbe“, die die Bienenkrankheit „Varrose“ auslöst. Larven werden geschädigt, wodurch die schlüpfenden Bienen ca. ein Zehntel kleiner werden als gesunde Bienen. „Nach ca. 18 Monaten nach dem ersten Befall ist ein Bienenstock tot, wenn nichts dagegen unternommen wird“, so Dr. Stanislav Balouchev vom MPI-P.

Zu einer der wichtigsten Waffen der Bienen im Kampf gegen die Krankheit zählt die erhöhte Temperatur, die Bienen in ihrem Bienenstock erzeugen können. Bienen können sich mit ihrer Brust auf eine Wabe pressen und durch Bewegung der Brustmuskeln die Temperatur innerhalb der Wabe soweit erhöhen, dass die Milbe sich deutlich weniger vermehrt und der Bestand in kurzer Zeit abstirbt. Zudem können befallene Bienen chemische Warnsignale aussenden, die dafür sorgen, dass andere Bienen ihr Hygiene-Verfahren ändern und sich an der befallenen Biene kratzen, um die Milbe so abschütteln.

Beide Methoden – entweder durch Temperaturerhöhung oder durch mechanisches Abkratzen der Milbe – erfordern jedoch genügend Energie, welche Bienen aus dem wertvollen Vorrat an Honig ziehen müssen. „Dort, wo es genug Blüten und damit Nektar gibt, zum Beispiel in Süd-Ost Asien, woher die Varroamilbe ursprünglich stammt, müssen diese Ost-Bienen (Apis cerana) keine Energie sparen“, erklärt Stanislav Balouchev. „In unserer Region dagegen ist für die heimischen West-Bienen (Apis mellifera) der Nektar jedoch ein kostbares Gut, und Bienen haben nicht unendlich viel Energie übrig, um gegen die Varroose zu kämpfen.“

In einem unlängst gestarteten und durch die Volkswagen-Stiftung finanzierten Projekt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Arbeitskreises von Prof. Katharina Landfester die Temperatur in einem Bienenstock messen. „Wir wollen die optimale Temperaturverteilung in drei Dimensionen messen“, so Prof. Landfester. „Die mittlere Temperatur, wie man sie z. B. mit Thermometern erhält, nützt uns in diesem Falle nichts – wir wollen anhand der dreidimensionalen Temperaturverteilung erkennen, ob ein Bienenstock noch gesund ist oder in einzelnen Waben bereits befallen ist.“

Hierzu planen die Forscher, Miniatur-Temperatursensoren zu entwickeln, die bestimmte Anforderungen für den Einsatz erfüllen müssen. Zum einen müssen diese eine Genauigkeit besitzen, die eine Temperaturmessung besser als 0,1 °C erlaubt. Zudem muss die Messvorrichtung von den Bienen akzeptiert werden: Die Sensoren dürfen buchstäblich nicht „riechen“.

„Wir planen, die Sensoren so zu entwickeln, dass wir sie je nach Bedarf mit einem 3D-Drucker selbst drucken können und so die Temperatur in jeder einzelnen Bienenwabe messen können“, sagt Katharina Landfester. „Sollten wir Abweichungen von der optimalen Temperaturverteilung feststellen, wird ein nächster Schritt sein, eine aktive Temperaturregulierung zu entwickeln, die es erlaubt, punktuell im Bienenstock die Temperatur anzuheben.“

Für das Projekt wurden am MPI-P inzwischen mehrere Bienenstöcke aufgestellt. Die Bienen können sich über die nächsten Monate zunächst in ihre neue Umgebung eingewöhnen, bevor die Wissenschaftler damit starten, Sensoren zu entwickeln und die Bienenstöcke damit auszustatten.

Quelle: Max-Planck-Institut für Polymerforschung