„Niedersachsen ist sich seiner Verantwortung als Tierhaltungsstandort bewusst. Wir werden unsere Vorreiterrolle in Sachen Tierschutz weiter ausbauen“, erklärte Barbara Otte-Kinast, Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in ihrer 100-Tage-Bilanz. Und hierzu leistet die konsequente Weiterentwicklung des „Tierschutzplans Niedersachsen“ einen entscheidenden Beitrag. Gemeinsam mit dem Tierschutzdienst des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) arbeitet das Landwirtschaftsministerium seit Jahren kontinuierlich an Verbesserungen in diesem wichtigen Aufgabenfeld. Das Niedersächsische Tierschutzsymposium, das alle zwei Jahre ausgerichtet wird, ist dabei ein wichtiger Baustein. Rainer Beckedorf, Staatssekretär des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums hat heute das 11. Niedersächsische Tierschutzsymposium im Ehemaligen Landtag in Oldenburg eröffnet. Es kamen weit mehr als 200 Experten aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden zu der zweitägigen Veranstaltung. „Das Ziel der Fachtagung ist die Diskussion und die Umsetzung neuer Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis für die Weiterentwicklung des Tierschutzes“, so Prof. Dr. Eberhard Haunhorst, Präsident des LAVES.
Schwerpunkt des Symposiums ist die Nutztierhaltung. „Mit der neuen „Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung“ übernimmt Niedersachsen erneut eine bundesweite Vorreiterrolle“, betont Beckedorf. Im Rahmen des Niedersächsischen Tierschutzplans wurden bundesweit erstmalig spezielle Tierschutzvorgaben für die Haltung von Mastrindern erarbeitet. Im Tierschutzgesetz sowie in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind bisher lediglich allgemeine Anforderungen aufgeführt. In der niedersächsischen Leitlinie wurden beispielsweise erstmalig Mindestplatzanforderungen festgelegt. Danach benötigt ein Mastbulle ab einem Gewicht von 650 Kilogramm eine Gesamtfläche von mindestens 3,5 Quadratmetern und davon 2,5 Quadratmeter als Liegefläche. In der Praxis finden sich noch Haltungen, in denen Endmastbullen auf 2,4 bis 2,7 Quadratmetern gehalten werden. Es wurde unter anderem auch festgelegt, wie eine Liegefläche beschaffen sein muss – bisher reichte der Betonspaltenboden. Nun werden weichelastische Gummiauflagen oder Stroheinstreu für die Liegefläche gefordert. Außerdem sind Krankenbuchten für kranke und verletzte Tier einzurichten, die mit einer trockenen und weichen Unterlage oder Einstreu versehen sein müssen. Zudem sollen sich diese Buchten möglichst in Sicht und/oder mindestens in Hörweite der Artgenossen befinden. Ferner ist die Anbindehaltung für Neubauten nicht mehr zulässig. „Um den Rindern wesentliche arteigene Verhaltensweisen, wie das Bewegungs-, Sozial- und Komfortverhalten zu ermöglichen, sind nur noch Laufstallhaltungen erlaubt“, so die Tierschutzexpertin des LAVES, Prof. Dr. Sabine Petermann.
Die Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung wird auf dem diesjährigen Tierschutzsymposium erstmalig vorgestellt. Die Leitlinie wurde in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern aus der Landwirtschaft (Landvolk, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Beratungsring Osnabrück), der kommunalen Veterinärbehörden, der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz und dem LAVES über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren erarbeitet.
Ein weiterer Tagungsschwerpunkt liegt auf den aktuellen Herausforderungen in der Schweinehaltung „Dazu zählen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zur „Gruppenhaltung und freien Abferkelung von Sauen“ sowie „Praktikable Alternativen zum Umbau und zur veränderten Nutzung von Deckzentren“. Im Fokus stehen zudem „Praktische Erfahrungen zur Reduzierung des Schwanzbeißens bei Schweinen“, damit eine Haltung ohne prophylaktische Kürzungen und mit intaktem Ringelschwanz möglich wird“, erklärt Haunhorst. In diesem Zusammenhang wird auch über „Erfahrungen aus der Arbeit als nationale Sachverständige für die EU-Kommission im Bereich Schweinehaltung“ referiert.
Das Tierschutzsymposium dient Amtstierärzten, Vertretern aus Landwirtschaft, Wissenschaft und Tierschutzorganisationen als Fortbildungsveranstaltung und als Erfahrungsaustausch. „Durch die Kombination von Vorträgen und Betriebsbesichtigungen sollen neue wissenschaftliche Erkenntnisse und in der Praxis erprobte, erfolgreiche Modelle der Tierhaltung weitergegeben und bekannt gemacht werden. Das ist das Alleinstellungsmerkmal des Niedersächsischen Tierschutzsymposiums“, meint Petermann, Leiterin des Tierschutzdienstes im LAVES. In Ergänzung der Vorträge werden in diesem Jahr ein moderner Tretmiststall für Mastrinder, ein Aktivstall für Mastschweine sowie die Versuchsstation für Schweinehaltung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen mit Gruppenhaltung von Sauen und freier Abferkelung besucht.
Das Spektrum der Themen ist breit gefächert. Das Tierschutzgesetz schützt nicht nur Wirbeltiere, sondern alle in menschlicher Obhut gehaltenen Tiere. Dazu zählen beispielsweise auch die Bienen. Ihre artgerechte Haltung sowie die erforderlichen Sachkenntnisse des Imkers sind Gegenstand des diesjährigen Auftaktreferates. Dies zeigt die große Bandbreite der Aufgabenfelder von Amtstierärzten. Unterstützung für die tägliche Arbeit der Behörden geben zudem „Erfahrungen aus der Überprüfung von Pferdehaltungen“ und „Fallbeispiele zur Umsetzung von Tierhaltungsverboten“. Das Spezialthema Papageienhaltung wird durch den Besuch eines Papageienschutzzentrums mit großzügigen Flugvolieren vertieft. Besonderheiten der Pferdehaltung werden in einem gewachsenen Betrieb von der Box bis zur modernen Laufstallhaltung erläutert.
„Tierwohl“ – ein aktuelles Thema, doch was bedeutet es?“ Dazu die Tierschutzexpertin Petermann: „Voraussetzung für einen tierschutzgerechten Umgang mit Nutztieren – vom Schlupf beziehungsweise der Geburt, über die Aufzucht und Mast bis zum Transport und der Tötung beziehungsweise Schlachtung – ist die Sachkunde auf allen Ebenen der Tierhaltung. Das gilt für den Landwirt, den praktizierenden Tierarzt wie auch für den überwachenden Amtsveterinär.“
Zur Bewertung des Managements in Tierhaltungen wird die Nutzung von Tierschutzindikatoren immer wichtiger. Diese werden nicht nur im Betrieb, sondern insbesondere auch am „Flaschenhals“ Schlachthof erfasst. Beispielsweise werden in den Niederlanden mittlerweile Tierkörper von Geflügel systematisch auf Verletzungen untersucht, die Rückschlüsse auf die Art und Weise des Fangens und Verladens der Tiere zulassen. Über die Erfahrungen dieses Monitoring-Programms wird ebenfalls berichtet.
Kompakt: Niedersächsisches Tierschutzsymposium – eine bundesweite Institution seit mehr als 25 Jahren
„Haltungssysteme an die Tiere anzupassen und nicht umgekehrt ist eine seit Jahren erhobene Forderung des Tierschutzes“, so Prof. Dr. Sabine Petermann, Leiterin des Tierschutzdienstes im LAVES und Organisatorin dieser Tagung seit 1998 (2. Niedersächsisches Tierschutzsymposium). Das 1. Niedersächsische Tierschutzsymposium fand 1991 in Hannover statt. Die Themen der Tagungen spiegeln die Weiterentwicklung des Tierschutzes insbesondere in der Nutztierhaltung in den vergangen 25 Jahren wieder. Ein Beispiel dafür ist der Verzicht auf das Schnabelkupieren bei Legehennen; seit Januar 2017 werden Legehennen in Deutschland mit intakten Schnäbeln gehalten.
In den vergangenen 25 Jahren haben insgesamt mehr als 1.700 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und aus den europäischen Nachbarländern diese Tagung besucht. 135 Fachvorträge wurden gehalten – sei es zu Nutztieren, Tieren im Zirkus, im Zoo oder zu Hause. Die Nutztierhaltung stand dabei im Vordergrund. Außerdem wurden mehr als 50 Exkursionen organisiert.
Die bundesweit anerkannte Tagung ist in dieser Form einmalig. Es werden nicht nur Vorträge, sondern auch Betriebsbesichtigungen tierschutzfachlich innovativer Einrichtungen angeboten. Die Tagung ist damit anwendungsbezogen und praxisorientiert.
Der Tierschutzdienst wurde 2001 von der ehemaligen Bezirksregierung Weser-Ems in das LAVES eingegliedert.
Programm und Tagungsband zum Symposium sind hier zu finden.
Quelle: Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit