„Schlaue Lösungen für intelligente Tiere“ – 17. Internationale Bioland Schweinetagung in Fulda

Für den 5. und 6. März lud Deutschlands größter Bio-Verband zu seiner 17. Schweine- fachtagung nach Fulda ein und konnte dort gut 100 Teilnehmer begrüßen. Darunter etliche Junglandwirte, die sich überlegen ihren Betrieb auf ökologische Haltung umzustellen oder bereits dazu entschlossen sind.

Präsidiumsmitglied Dr. Peter Boysen hob in seiner Einführungsrede hervor, dass die Mitglieder des Verbandes angesichts stets neuer Label und Programme, die eigene Schweinehaltung immer wieder hinterfragen müssten. Dies spiegele sich auch im Motto der Veranstaltung „Schlaue Lösungen für intelligente Tiere“ wider. Über zwei Vorträge wollen wir im Folgenden berichten, deren Themen nicht nur für Biobauern interessant sind.

Dr. Anne Warzecha, deutsche Tierärztin in englischen Diensten bei „The George Pig Practice“ in Malmesbury Wiltshire, berichtete über Tierschutz, Label und insbesondere die Outdoor-Haltung von Schweinen in Großbritannien.

Seit der (damals sehr kurzfristigen) Umstellung auf Gruppenhaltung hat sich der Sauenbestand in England von etwa 800.000 auf 400.000 Tiere halbiert. 80% der Betriebe sind heute in der Hand von Holdings, nur 20 % gehören noch selbständigen Bauern.

England hat nicht nur die älteste Tierschutzgesetzgebung der Welt, Tierschutz ist den Engländern ein echtes Anliegen. Ihr inniges Verhältnis zum Haustier z. B. spiegelt sich darin wider, dass die „Times“ eine eigene Rubrik mit Haustier-Todesanzeigen veröffentlicht.

Dementsprechend spielen Label eine wichtige Rolle für den Verbraucher. Von Bio-Labels abgesehen, vor allem das Label „Red Tractor“ (etwa QS vergleichbar) und das anspruchsvollere Label des britischen Tierschutzverbands RSPCA.

Die “Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals” betreibt sogar eine Website, auf der Verbraucher nach Einzelhändlern in der Nachbarschaft suchen können, welche Produkte mit den verschiedenen Labels anbieten. McDonalds verarbeitet im Königreich ausschließlich Fleisch von RSPCA-Label-Produzenten und auch ALDI musste lernen, dass eine Billig-Strategie in England nicht verfängt. Der deutsche Discounter hat mittlerweile ein höchst umfangreiches Label-Programm im Angebot.

Doch zunächst zurück zum „Roten Traktor“: Diese Vereinigung schreibt vor, dass jeder Betrieb nicht nur mindestens einmal pro Quartal Besuch vom Tierarzt bekommt, sondern auch, dass der Veterinär einen Maßnahmenplan für das folgende Quartal erstellt. Jährliche Mitarbeiterschulung ist Pflicht und angesichts vieler Fremd-Arbeitskräfte wichtig, denn der durchschnittliche Ferkelerzeuger in England hält etwa 1.000 Sauen.

Zentrales Schulungsthema ist, neben Impfungen und dem Erkennen von Krankheiten, die Nottötung. „Red Tractor“ schreibt im Fall des Falles „promptes Handeln“ vor, die RSPCA sogar innerhalb einer Stunde nach entsprechender Diagnose. Die Euthanasie wird am toten Tierkörper geübt, wenn ein Tier vom Tierarzt euthanasiert werden musste.

Für einige Überraschung sorgte Anne Warzecha, als sie die zugelassenen Tötungsmethoden aufzählte: Bolzenschuss auch beim Ferkel, Genickbruch durch Schlag über eine Kante und Hirnzerstörung mittels Stange (pithing rod). Für letzter Methode ist auch ein Schraubenzieher zugelassen und selbst der Kugelschuss ist bei den Briten erlaubt.

Die Nottötung wird immer von zwei Personen durchgeführt. Ferkel können dazu in eine spezielle Gitterbox gesetzt und darin mit einer Zange fixiert werden. Diese Methode wird gerade in der Outdoor-Haltung angewandt. Alle genannten Methoden erfordern keine  Entblutung, die allerdings auch angewandt werden kann.

Die Anforderungen von „Red Tractor“ für die Stallhaltung sind denen hierzulande recht ähnlich. Stroh, Torf und Spielzeuge stehen Schweinen zur Verfügung, wobei allerdings auch Ketten und Plastikkanister zum Einsatz kommen. Nach RSPCA-Standard soll die Beleuchtungsstärke mindestens 50 Lux betragen, gegenüber 80 Lux in Deutschland.

Besonders interessant waren Dr. Warzechas Ausführungen zur Freiland-Haltung. Pro acre
(0,4 ha) dürfen 10 Sauen gehalten werden und für jede Sau und ihre Ferkel steht eine Hütte, meist aus Blech, zur Verfügung. Seit Kurzem ist auch die „Aardvark Arc“ im Angebot, eine Kunststoffhütte ohne Ecken, die Erdrückungsverluste vermindern soll. Auch bei der Wärmeisolation bietet sie Vorteile: Vergleichsmessungen im Winter ergaben eine Innentemperatur von 16,3 Grad, in der Blechvariante dagegen wurden nur 8,1 Grad Celsius gemessen (Wärmebilder und weitere Details hier.)

Die größten Herausforderungen der Freilandhaltung verursacht natürlich das Wetter. Im heißen Sommer trocknen die Suhlen aus, im nassen englischen Winter versinken die Sauen im Matsch und gehen deshalb nicht zum Trog, worunter wiederum ihre Milchleistung leidet. Schnee und Glätte mögen Schweine noch viel weniger und die Trinkwasserversorgung wird bei Frost im Freiland auch nicht einfacher.

Neben den Wettereinflüssen spielen Wildtiere eine Rolle. Möwen und andere Vögel bedienen sich am Futtertrog, Füchse und Dachse schnappen sich die Ferkel und Raben sitzen sogar auf den Hütten und warten auf ihre kleinen Opfer. Auch deswegen ist Tierbeobachtung in der Freilandhaltung das A und O – und durchaus ein Fulltime-Job.

Dr. Stefan Wesselmann, Schweine-Praktiker mit reichlich Bio-Erfahrung, referierte anschließend zum Thema „Gesundheitliche Aspekte im Öko-Schweinebestand aus baulicher und hygienischer Sicht“.

Gleich zu Beginn seines bemerkenswerten Vortrags forderte er, neue Ställe immer gemeinsam mit einem erfahrenen Tierarzt zu planen und Aspekte der Tiergesundheit von Anfang an einzubeziehen. Seine Forderung untermauerte er im Folgenden mit zahlreichen Praxisbeispielen und Fotos, für deren Sammlung er zwar Jahre gebraucht hat, die aber gleichwohl zeigten, welche Art Fehler beim Stallbau immer wieder gemacht werden und warum sie vorkommen.

Natürlich begann sein Vortrag mit Biosicherheit und der Unterbrechung von Infektionsketten. Mit der Planung der Gesamtanlage, von Zufahrt und Zaun, über kreuzungsfreie Geh- und Treibwege, bis zu den getrennten Krankenabteilen für Warte-, Abferkel-, Aufzucht- und Maststall.

Häufig treten Probleme auf, wenn Altgebäude genutzt werden. Hier ist die Trennung der verschiedenen Altersstufen oft nicht wirklich gewährleistet. Keime können sich über Luft und Kot von einer Gruppe zur anderen verbreiten. Zahlreiche Fotos aus derart umgewidmeten Gebäuden belegten die Bedeutung des Themas. Und weil auf eben diesen Bildern stets Holz als Baumaterial zu sehen war, kam prompt die Frage, wie denn der Tierarzt zum „biotypischen Holzstall“ in Bezug auf die Hygiene stehe. Mit deutlichem Augenzwinkern antwortete Dr. Wesselmann: „Baue deinen Stall so, dass man am Ende nicht sieht, dass es Bio ist“. Eine Empfehlung, die nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß.

Weiter ging es mit Bildern aus Ställen, die alle eines gemeinsam hatten: Baumaßnahmen waren nachträglich durchgeführt worden und stellten deshalb im besten Fall Kompromisse dar. Tränken zu hoch oder zu niedrig platziert, Nippel in der Wand, die – genauso wie scharfkantige Schrauben und Muttern – Verletzungen verursachen, bis hin zu einer Kadavertonne, die, aus räumlicher Verlegenheit, direkt unter die Luftansaugung für den Stall platziert wurde.

Noch mal: seine Bilder hat Wesselmann nicht übers Wochenende gesammelt und auch in konventionellen Ställen ließen sich problemlos Negativbeispiele finden. Gerade deshalb sollten sich alle Schweinehalter die Empfehlung sehr zu Herzen nehmen und niemals Neu- oder Umbauten ohne kompetente Hilfe planen.

Breiten Raum nahm im Weiteren die Wasserversorgung der Schweine ein. Tränken sollten in der richtigen Höhe platziert sein und am besten mit einer Stufe davor, die Schweine daran hindert, die Tränken einzukoten. Sauber sollte das Tränkwasser natürlich sein (am besten Dank Ultraschallreinigung der Leitungen) und auf keinen Fall zu kalt. Sonst trinken z. B. die Sauen keine ausreichenden Mengen und Ferkeldurchfall ist die Folge. Überhaupt sollte den Tieren jederzeit reichlich Wasser zur Verfügung stehen, was in der Praxis manchmal nicht gegeben sei.*

Auch das Fressplatzverhältnis sollte möglichst 1-zu-1 betragen, weil Schweine schon als Saugferkel lernten, gemeinsam zu saugen und dies auch später beim Fressen beibehielten. Ebenso sollte der Abstand zwischen den Fütterungsautomaten so groß bemessen sein, dass diese tatsächlich von allen Seiten zugänglich sind.

Auch bei den gern genutzten Ferkelkisten, gilt es die Tiergesundheit zu beachten. Sind sie zu lang dimensioniert, schaffen es die Ferkel nicht bis zum Kotplatz und verschmutzen im Laufen Stallboden und Stroh. Sind sie zu tief, leidet die Luftzirkulation im hinteren Teil der Box, wo es zwar am wärmsten, aber eben auch am sauerstoffärmsten ist. Optimal sei eine Box, aus der das Ferkel gerade noch die Nase herausstreckt, wenn es mit dem Hintern an der Rückwand liegt (weshalb auch der Vorhang nicht bis zum Boden reichen sollte).

Besondere Bedeutung kommt in der Biohaltung naturgemäß dem Auslauf zu. Wird kein Rein-Raus-System praktiziert, sondern verschiedene Altersgruppen nebeneinander gehalten, ist das Risiko der Keimverbreitung beim Kotschieben groß, wenn Zwischenmauern fehlen.

Hohe Bedeutung kommt natürlich den Wettereinflüssen zu. Zugluft im Auslauf (und häufig deshalb auch im angrenzenden Stallabteil) macht Schweine krank. APP-Lungen finden sich in Auslaufställen häufig, die Lungenbefunde sind da nicht besser als in der Stallhaltung. Häufiger wird auch die Sonneneinstrahlung im Auslauf bei Planung und Bau nicht ausreichend berücksichtigt. Vordächer werden zu kurz konzipiert, Sonnenschutz erst nachträglich (und suboptimal) eingebaut. Nur ranghohe Schweine liegen dann im Schatten, während ihre Stallgenossen sich schmerzhafte Sonnenbrände holen. Sind Windschutznetze zwar einerseits sinnvoll, fungieren sie andererseits aber auch als Staubfänger und gefährliches Salmonellenreservoir.

Insgesamt zeigte Stefan Wesselmann eindrucksvoll, dass optimale Schweinehaltung eine Kunst ist und an allen Ecken und Enden Zielkonflikte lauern. Es wäre deshalb eine gute Idee, ihn auch zu Versammlungen konventioneller Schweinehalter einzuladen!

* Anm. des Verfassers: Es soll ja Bauern geben, die sich mehr um das viele Wasser in der Gülle sorgen, als um das wenige im Schwein.

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