Innovatives Verfahren zur umweltschonenden Gülleaufbereitung kommt auf den Markt

Das am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickelte BioEcoSIM-Verfahren zur Aufbereitung von Gülle wird von SUEZ Deutschland GmbH als Betreiber großtechnischer Anlagen in den Markt eingeführt. Für Agrarbetriebe wird so eine Möglichkeit geschaffen, überschüssige Gülle abzugeben. Produkte der Gülleaufbereitung sind Phosphordünger, Ammoniumdünger und organische Bodenverbesserer. Anlässlich der IFAT vom 14. bis 18. Mai in München geben die Partner ihre Zusammenarbeit zur Markteinführung bekannt.

Etwa 200 Millionen Kubikmeter Gülle aus der Viehzucht landen jährlich in Deutschland auf Feldern und Wiesen. Das »schwarze Gold« besteht zu über 90 Prozent aus Wasser und enthält beachtliche Mengen der wichtigen Pflanzennährstoffe Stickstoff und Phosphor. Wenn jedoch mehr Gülle auf die Felder ausgebracht wird, als die Böden binden und Pflanzen aufnehmen können, wandeln Mikroorganismen den Ammoniumstickstoff im Boden zu Nitrat um, das ins Grundwasser sickert. Das Problem: Dort, wo die Gülle in großen Mengen anfällt, fehlen häufig Ackerflächen, die gedüngt werden müssen. Über sogenannte Güllebörsen ordern Mastbetriebe daher Tanklaster an, um ihre Gülle in Gebiete mit Nährstoffbedarf transportieren zu lassen – oft mehrere hundert Kilometer entfernt.

Eine umweltschonende Lösung hat das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB mit seinem BioEcoSIM-Verfahren entwickelt. »Wir haben verschiedene Aufbereitungsstufen zu einem Gesamtprozess kombiniert und in einer modular aufgebauten Anlage integriert«, erläutert der Nährstoff-Experte Dr. Iosif Mariakakis vom Fraunhofer IGB. Damit können die wertvollen Nährstoffe als leicht transportierbare und exakt dosierbare Phosphor- und Ammoniumdüngesalze zurückgewonnen werden. Auch die festen organischen Bestandteile werden verwertet und mit einem energieeffizienten Verfahren getrocknet und konditioniert. Sie stehen dann als humusbildende Bodenverbesserer zur Verfügung. Gülle wird so nahezu vollständig verwertet und die recycelten Bestandteile dem Boden wieder zugeführt.

Großtechnische Umsetzung und Betreibermodell

Mit der SUEZ Deutschland GmbH hat das Fraunhofer IGB nun einen Lizenznehmer für die patentierte Technologie gewonnen. Das global agierende Entsorgungs- und Verwertungsunternehmen wird als Betreiber in Aufbereitungsanlagen investieren. »Nach und nach sollen flächendeckend großtechnische Anlagen entstehen, die Landwirten, Zucht- und Mastbetrieben überschüssige Gülle abnehmen. Bei der Auswahl der Anlagenstandorte werden vor allem die logistischen Aspekte der Anlieferung berücksichtigt«, beschreibt Kai Bastuck, Leiter Geschäftsfeldentwicklung Recycling und Recovery der SUEZ Deutschland GmbH, das Geschäftsmodell. »Durch die Rückgewinnung des endlichen Rohstoffs Phosphor wird die Abhängigkeit Deutschlands von Phosphorimporten abgebaut. Das schont die endlichen Phosphorressourcen und verringert Schadstoffeinträge in Böden. So tragen wir zu einer nachhaltigen Zukunft bei und machen Nährstoff zum Wertstoff«, so Bastuck. Das Fraunhofer IGB unterstützt SUEZ Deutschland bei der Weiterentwicklung des Verfahrens.

Eine erste Aufbereitungsanlage mit einem Durchsatz von einem Kubikmeter pro Stunde wird aktuell als »Lebendes Technikum« am SUEZ-Standort Zorbau in Sachsen-Anhalt errichtet. Die flexibel ausgelegte Anlage soll Rinder- und Schweinegülle, aber auch Gärreste aus Biogasanlagen, verarbeiten und damit als Blaupause für weitere großtechnische Anlagen dienen.

»Eine durchschnittliche großtechnische Anlage produziert dann stündlich aus zehn Kubikmetern Rohgülle etwa 100 Kilogramm Phosphatdünger, 100 Kilogramm Stickstoffdünger und 900 Kilogramm organische, nährstoffarme Feststoffe«, führt Siegfried Egner, Abteilungsleiter am Fraunhofer IGB, aus. Das Einsparpotenzial an synthetischen Düngern ist enorm: Mit der Kapazität von einer Million Kubikmetern Gülle pro Jahr können 10 000 Tonnen Ammoniumdünger und 10 000 Tonnen Phosphordünger hergestellt werden.

Das BioEcoSIM-Verfahren

Um Gülle vollständig aufzubereiten, sind verschiedene Verfahrensschritte notwendig. In einem ersten Schritt wird die wässrige Gülle vorbehandelt, damit der Phosphor vollständig in Lösung geht. Über eine zweistufige Filtration wird sie in eine feste und eine flüssige Phase getrennt.

Die entwässerte feste Phase wird mit einem ebenfalls am Fraunhofer IGB entwickelten energieeffizienten Verfahren getrocknet, das mit überhitztem Wasserdampf in einem geschlossenen System und daher besonders energieeffizient arbeitet. Die getrockneten organischen Bestandteile können optional weiter bei 450 °C über einen Pyrolyse-Schritt – wie im Trocknungsschritt in einer Atmosphäre aus überhitztem Wasserdampf – zu organischer Biokohle umgesetzt werden.

Die flüssige Güllefraktion enthält die gelösten anorganischen Nährstoffe. In einem Fällungsreaktor wird zunächst Phosphor zurückgewonnen und als Calciumphosphat, Magnesiumphosphat oder Magnesiumammoniumphosphat gefällt und abfiltriert. Stickstoff wird in einem zweiten Schritt zurückgewonnen. Hierzu wird die wässrige Fraktion über eine Membranadsorption als Ammoniumsulfat abgetrennt und kristallisiert. Übrig bleibt ein Wasser, das nur noch Spuren von Phosphor und Stickstoff enthält, aber reich an Kalium ist – und optimal zur Bewässerung eingesetzt werden kann.

In umfangreichen Untersuchungen und Feldstudien haben die Fraunhofer-Forscher gezeigt, dass die aus Gülle aufbereiteten mineralischen Düngemittel und organischen Bodenverbesserer direkt als gut verfügbare Dünger und humusbildende Substrate in der Landwirtschaft eingesetzt werden können.

Das BioEcoSIM-Aufarbeitungsverfahren wurde im Rahmen des Projekts BioEcoSIM entwickelt, das von Oktober 2012 bis Dezember 2016 im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU gefördert wurde.

Präsentation auf der IFAT

Auf der IFAT vom 14. – 18. Mai 2018 in München steht das Fraunhofer IGB am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle B2, Stand 215/314, SUEZ Deutschland GmbH in Halle A6, Stand 239 für weitere Informationen und Gespräche zur Verfügung.

Quelle und Bild: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
Aktualisiert am 22.5.2018

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