Nutztierhaltung im Spannungsfeld zwischen Weltmarkt und kritischer Bevölkerung #Expertise2018

Anlässlich der „Expertise 2018“ versuchten Fachleute aus Wirtschaft und Wissenschaft, in einer Podiumsdiskussion, Antworten auf die Frage „Welche Herausforderungen stellen sich den Marktpartnern in der Lebensmittelkette?“ zu finden.

Teilnehmer: Prof. Dr. Folkhard Isermeyer (Präsident des Thünen-Institut), Dr. Siegfried Moder (Präsident des BpT), Walter Heidl (Präsident des BBV), Eric Schöttl (Managing Director OSI Foodworks Europe), Vera Krüger (Senior Milk Purchasing Manager, DANONE), Dr. Brigitte Rusche (Vize-Präsidentin des Deutschen Tierschutzbundes), Prof. Dr. Thomas Blaha (Vorsitzender der TVT); Moderation: Dr. Schulze-Pals (Chefredakteur top agrar)

Nach dem Impuls-Vortrag von Prof. Isermeyer (Details dazu hier) stellten die Podiumsgäste zu Beginn ihre Positionen zu den „Anforderungen an eine wirtschaftlich erfolgreiche und gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung“ dar:

Dr. Siegfried Moder – bpt
1. Optimierte Tiergesundheit, bei verbesserter Haltung und Stärkung der Biosicherheit, als      Grundlage ökonomischer Nutztierhaltung.
2. Stärkung der regionalen Produktion mit Blick auf die Ökobilanz.
3. Verbesserte Wertschöpfung von Lebensmitteln aus tierischer Produktion, bei                      durchgehender Transparenz in der Produktionskette.

Prof. Dr. Thomas Blaha – TVT
1. Anpassung der Haltungsbedingungen an die Bedürfnisse der Tiere (insbesondere an das      artspezifische Verhaltensrepertoire der Tiere).
2. Keine Größendiskussion, sondern Betreuungsschlüssel.
3. Sachkundenachweis mit verpflichtender Weiterbildung.

Walter Heidl – BBV
1. Bereitschaft zu sachlichem Dialog aus/mit anderen Teilen der Gesellschaft.
2. Praxis- und marktgerechte Weiterentwicklung unter Berücksichtigung von Zielkonflikten      und Vermeidung von Struktureffekten.
3. Realistische Investitionszeiträume und Planungssicherheit.

Dr. Brigitte Rusche – DTB
1. Tierschutz steht an erster Stelle; Fragen der Wirtschaftlichkeit müssen in erster Linie die      Akteure der Wirtschaft lösen; Handel agiert international, weckt Verbraucherbedürfnisse      und gestaltet Preise.
2. Tierhaltung muss sich an den Bedürfnissen der Tiere orientieren; Verzicht auf                    Manipulationen, artgemäßes Verhalten, Gesundheit; Zucht auf moderates Level                  zurückführen, möglichst schonender Transport und Schlachtung.
3. Der gesellschaftliche Wertewandel macht eine Umstellung der Tierhaltung                          unausweichlich. Alle Beteiligten sollten in einem wahrhaften Diskurs Zielvorgaben              entwickeln, die anschließend in verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen überführt        werden müssen. Die Wirtschaftsbeteiligten, insbesondere der Handel, haben die Macht,      eine tierschutzkonforme Landwirtschaft zu gestalten, die den Verbraucherwünschen            entgegenkommt.

Vera Krüger – DANONE
1. Der Dialog zwischen Konsument und Landwirtschaft muss gefördert werden.
2. Gemeinsam handeln: Weiterentwicklung der Nutztierhaltung ist nicht nur Thema der          Landwirtschaft.
3. Nachhaltigkeit und Tierwohl lohnen sich langfristig für den Landwirt.

Eric Schöttl – OSI
1. Tierwohl wird in Zukunft maßgeblich auf die Kaufentscheidungen der Verbraucher              einwirken. Alle wirtschaftlich Beteiligten müssen bestehende Standards weiter ausbauen      und absichern.
2. Tierwohl/Tiergesundheit sind Basis für verbesserte Produktqualität und Effizienz;                bessere Tiergesundheit stärkt wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Produktion in der                gesamten Wertschöpfungskette; „Prävention ist besser als Heilen“ lautet das künftige          Credo.
3. Transparenz und offene Kommunikation, unter Einbeziehung aller Beteiligten sowie            NGOs und Wissenschaft, sind für Akzeptanz und Glaubwürdigkeit unerlässlich.

Einige zentrale Diskussionsbeiträge der Teilnehmer kurz zusammengefasst:

Isermeyer fordert konzertiertes Vorgehen der Politik in Bund und Ländern. Blaha nennt den Niedersächsischen Tierschutzplan als Modell. Rusche will zuerst die Ziele benennen, dann Finanzierungsmodelle finden. Heidl hat Angst, dass die Initiative Tierwohl zum Kollateralschaden des geplanten Staats-Labels wird. Moder fordert mehr Brandschutz und  weniger Feuerwehrmedizin; bundesweite Tierschutzdatenbank und Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung zur Prävention. Auch setze aktuell eher der LEH die Tierwohl-Kriterien und nicht Fachleute.

Krüger fordert den LEH zum Umdenken bei der Honorierung auf; hohe Qualitäten entwickelten sich zu Standards und würden dann nicht mehr honoriert. Für Schöttl besteht heute bereits eine starke Preisspreizung im Handel und Mehrleistungen werden ordentlich honoriert. Isermeyer wirft ein, „faire Preise“ gäbe es in der Marktwirtschaft nicht. Rusche fordert den LEH auf, den Landwirten längerfristige Verträge, über 5-7 Jahre, anzubieten.

Isermeyer fragt, ob sich die Politik traut, Deutschland vom System des Weltmarkts abzukoppeln. Krüger bezweifelt, dass wir „heute wissen, was in 20 Jahren ist“; er will jetzt beginnen und in 5 Jahren vielleicht nachjustieren. Auch Schöttl will nicht über 20 Jahre reden, sondern lieber in kleinen Schritten vorangehen.

Ein Videomitschnitt der gesamten Diskussion folgt demnächst an dieser Stelle.

Hintergrund „Expertise 2018“:
Auf Einladung der MSD Tiergesundheit hatten 600 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Ende Oktober über zwei Tage Gelegenheit aus Vorträgen von 38 Referenten aus dem In- und Ausland zu wählen. Drei Themenblöcke (Rind, Schwein, allgemeine Themen) wurden parallel angeboten. Eine Podiumsdiskussion, eine Posterausstellung mit 20 wissenschaftliche MSD AH Veröffentlichungen aus den letzten beiden Jahren (originalveröffentlicht auf den internationalen Rinder- und Schweinekongressen) sowie eine kleine Industrieausstellung der MSD Tiergesundheit mit Beteiligung von Henke Sass Wolf, dem Hersteller von IDAL und der MSD Geflügelvakzinatoren, rundeten die Veranstaltung ab.

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