Massentierhaltung à la 18. Jhd.

London hatte Mitte des 18. Jhd. 650.000 Einwohner, 1850 waren es bereits 2,3 Mio. Für die Versorgung der englischen Hauptstadt mit Fleisch wurden zu dieser Zeit 277.000 Rinder und 1,6 Mio. Schafe im Jahr benötigt, dazu Schweine und Geflügel aller Art.

Ab Mitte des 19. Jhd., als das Eisenbahnnetz ausreichend ausgebaut war, wurden zerlegte s Fleisch herangeschafft. In den Jahrhunderten zuvor musste das Schlachtvieh nach London getrieben werden. Rinder kamen aus weit entfernten Gegenden wie Schottland und Irland, aber auch aus Norfolk und Wales. Bei 2 Meilen pro Stunde und 12 Stunden Viehtrieb pro Tag, dauerte es 20 bis 25 Tage, walisische Rinder nach London zu treiben. Danach waren die Tiere so abgemagert, dass sie für zwei, drei Wochen auf Weiden vor den Toren der Stadt wieder aufgepäppelt werden mussten.

Um die Distanzen überhaupt bewältigen zu können, wurden die Rinder mit Klaueneisen beschlagen. Schweine, die ebenfalls über große Distanzen getrieben wurden, bekamen teilweise gestrickte Woll-Stiefel mit Ledersohle verpasst. Und Gänse (ja, auch die wurden in Herden geliefert) trieb man vor dem Marsch durch Teer, Sägespäne und Split, um ihre Füße zu „schonen“. Vor allem Mitte August machten sich Gänsehirten aus East Anglia mit ihren Herden auf den Weg. Stoppelfeldern dienten den Gänsen als Futterquelle und rechtzeitig am 29. September kamen sie in London an, um zu Michaelis geschlachtet zu werden (250.000 Tiere nur für diesen Feiertag).

Aber Viehtrieb allein reichte zur Versorgung nicht aus, auch in der Hauptstadt selbst wurde etliches Vieh gehalten. In zahllosen Hinterhöfen und Kellern wurden ein, zwei Schweine mit Essensresten und Abfällen gemästet. In großem Stil taten das aber die zahlreichen Brauereien und Molkereien. Im 18. Jhd. hielt Johnson’s Brennerei 3.000 Schweine, die Konkurrenten Benwell’s und Bush’s verfütterten ihre Koppelprodukte an 4.000 bzw. 2.000 Tiere.

Geflügel gab es in zigtausend Haushalten. Hühner, Gänse und Enten, meist in Käfigen oder Kellern in kompletter Dunkelheit gehalten (einem Zustand, dem sich englische Hühnerhalter teils heute wieder annähern).

Aber auch Milch kauften die Londoner gerne regional und auch lokal: 1794 gab es etwa 8.500 Milchkühe in der City, 1850 waren es 20.000. Meist waren die Bestände in und um die Stadt zwar klein, aber 1810 hielt Richard Laycock schon 500-600 Kühe auf 225 ha Weidefläche.

„Er fütterte seinen Kühen eine gesunde Ration aus Biertreber, Rüben, Kohl, Kartoffeln und Heu; über Nacht wurden die Tiere auf die Weide gelassen. Die Kühe waren jung, nicht älter als drei oder vier Jahre, und wenn ihre Milchleistung abnahm, wurden zur Schlachtung gemästet.“

Und weil noch keine Kühlung zur Verfügung stand, gab es täglich Frischmilch für die Londoner. Am Straßenrand angeboten aus der Kanne und noch euterwarm oder etwas kühler, wenn die Kanne zuerst mit einem Teil Wasser befüllt worden war.

Aus: Hannah Velten, Beastly London – A History of Animals in the City,
Reaktion Books, € 16,95 zzgl. Versandkosten

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