Wie Kühe die Welt erleben und was das für den Umgang mit ihnen bedeutet #EuroTier2021

Kühe sehen und hören anderes als Menschen. In mancher Hinsicht besser – aber nicht in jeder. Wie die Tiere ihre Umgebung wahrnehmen, sollte jeder Tierhalter wissen und darauf Rücksicht nehmen, wo immer es geht. Benito Weise vom Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Echem hielt, im Rahmen des Fachprogramms der EuroTier 2021, einen sehr interessanten Vortrag über „Sinneswahrnehmung beim Rind“.

Zunächst führte er aus, dass Rinder hohe Frequenzen bis zu 35.000 Hz hören können, für Menschen dagegen bereits bei 19.000 Hz Schluss ist. Hohe Töne gut zu hören ist in freier Wildbahn von Vorteil, weil sie oft mit Gefahren verbunden sind. Warnrufe von Vögeln oder ein Rascheln im Gebüsch, werden als Warnzeichen wahrgenommen. Entsprechend empfindlich reagieren Kühe auf hohe Frequenzen und geraten in Stress, wenn ihnen die Geräusche unbekannt sind. Im Stall können dies quietschende Türen sein oder Metallteile, die aufeinanderschlagen. Pfeifen und Zischen von Wasserleitungen oder Hydraulikventilen, gerne im Zusammenhang mit der Melktechnik. Kann eine Kuh dann, z. B. im Fressgitter, die Quelle solcher Geräusche nicht ermitteln, weil sie den Kopf nicht drehen kann (stereoskopischer Bick!), ist Stress vorprogrammiert. Die Dichte von Leitungen regelmäßig zu prüfen und einfach Türen möglichst geschlossen halten, sei deshalb sehr empfehlenswert, um störende Geräusche zu minimieren.

Um Umgang mit seinen Tieren sollte der Halter immer daran denken, Geräusche, auch wenn sie durch ihn selbst verursacht werden, für die Kuh möglichst interpretierbar zu halten. Die ruhige Ansprache schon aus der Entfernung gibt dem Tier Zeit, das Gefahrenpotential abzuschätzen, bevor die Hand des Bauern auf seinem Rücken landet.

Auch das Sehfeld der Tiere sei wesentlich größer als beim Menschen, führte Benito Weise aus: mit einem über 300 Grad-Sichtfeld, sehen sie nur direkt nach hinten nichts. Allerdings lässt die Sehschärfe beim Rundumblick zu wünschen übrig. Nur nach vorn, in einem Winkel von etwa 70 Grad, ist stereoskopisches Sehen möglich und Tiefenschärfe gegeben. Seitlich und nach hinten ist der Blick unscharf und Bewegungen in der Entfernung für das Tier kaum einzuschätzen. Deshalb wendet eine Kuh jeder Bewegung gleich den Kopf zu.

Auch braucht das Kuh-Auge fünf bis sechsmal länger als das menschliche, um sich veränderten Lichtverhältnissen anzupassen. Schon geschlossene Türen können für einheitlichere Lichtverhältnisse im Stall sorgen. Denn, schaut eine Kuh aus dem relativ dunklen Stall durch eine geöffnete Tür ins Sonnenlicht, sieht sie zunächst mal – nichts. Ihre Augen brauchen einige Sekunden für die Adaption. Den Weg durch den Stall ins Freie kann daher schnell unangenehm werden, insbesondere wenn am Ende etwa der Klauenpflegestand wartet. Sind die Seiten dieses Geräts dann auch noch mit allerlei Technik behangen und so die Rundumsicht behindert, reagiert die Kuh mit Stress.

Deswegen sollte man sich – und der Kuh – Zeit lassen für den Weg zur Klauenpflege. Aber die sollte ja ohnehin nie im Akkord geschehen!

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