Nachhaltig erfolgreich in der Bio-Schweinehaltung – Bioland Schweinefachtagung 2024

Dr. Werner Hagmüller identifizierte in seinem Vortrag bei der Bioland-Schweinefachtagung „Stolpersteine und wie man sie aus dem Weg räumt“, in den Bereichen Haltung und Fütterung, bei der Tiergesundheit und – in der Selbstzufriedenheit.

In Österreich gäbe es einen speziellen Stolperstein in der Haltung, weil bisher galt, dass 10 % der Mindestauslauffläche für Bio-Schweine nicht überdacht sein mussten, wodurch in der Mast relativ wenig Regenwasser in die Ausläufe gelangte. Seit einem Audit der EU-Kommission stehe aber fest, dass in Österreich zukünftig nur noch 50% der Fläche überdacht sein dürfen. Selbst wenn der Landwirt dann in regenreichen Perioden täglich ausmiste, bliebe es bei erhöhten Emissionen. Ein wirkungsvoller Schutz vor Regen – und vor allem auch Sonne – sei dann nicht mehr gegeben, erklärte Dr. Hagmann.

Bis 2023 muss also in Österreich jedes Dach über einem Auslauf auf 50% gekürzt werden. Das würde nicht nur erheblichem baulichem Aufwand bedeuten, sondern auch das Problem der Verschmutzung nicht wirklich lösen. Auch dann nicht, wenn der Spaltenboden-Anteil im Auslauf ebenfalls auf die Hälfte der Fläche steige.

Ein weiterer Stolperstein liegt laut Dr. Hagmann im Bereich Arbeitswirtschaft, weil häufig alle im Betrieb tätigen Personen, ob Angestellte oder Familienmitglieder, mit ihren täglichen Aufgaben vollständig ausgelastet sind. Zwei Lösungsansätze sieht der Tierarzt hier: klare Funktionstrennung im Stall und Automatisierung.

Es müssten Ställe funktionsgetrennt gebaut werden für Ruhe, Aktivität, Futteraufnahme und Ausscheidung und das Schwein müsse auch klar verstehen, wo welcher Bereich zu finden ist. In verschmutzen Strohbereichen fällt unnötige Mehrarbeit bei der Entmistung an. Auch wenn z. B. im Liegebereich Kisten eingebaut würden deren Belüftung nicht optimal funktioniert, begännen Schweine dort Harn und Kot abzusetzen, weil es drinnen stickig wird. Der Arbeitsaufwand steige entsprechend, wenn keine diffusionsoffenen Abdeckungen angebracht würden.

Als sinnvolle Automatisierungsmöglichkeiten nannte der Referent Einstreuwagen für die Strohausläufe oder Rohrleitungen unterm Dach für Stroh (und auch für Raufutter).

Als Beispiel für einen Stolperstein bei der Tiergesundheit nannte Dr. Hagmann zunächst die Bodenbeschaffenheit. Gerade in Abferkelställen sei die richtige Bodenqualität eminent wichtig. „Besenstrich“ bedeute mit hundertprozentiger Sicherheit, dass der Boden zu rau gestaltet wurde, Ferkel zeigten aufgescheuerte Karpalgelenke und auch Zuchtsauen bekämen dort Klauen-Probleme. Würden Böden im Lauf der Zeit zu glatt, könne man sie mithilfe von Schnitten wieder aufrauen oder fertige Bodenelemente mit Rautenmuster einsetzen, auf denen die Tiere immer einen guten Stand hätten. Auch Gussasphalt sei geeignet, vorausgesetzt er wird leicht abgesandet, damit die Oberfläche nicht rutschig wird.

Ebenso wichtig für den Tierarzt ist wirksame Kälteisolation der Liegebereiche durch Dämmung und Beseitigung von Kältebrücken etwa an Außenwänden. Infrarotbilder könnten hier wichtige Hinweise geben.

Zum Stolperstein in der Fütterung könne sowohl zu hoher als auch zu niedriger Rohproteingehalt in der Ration werden. Erhielten Schweine in Ferkelaufzucht oder Mast sehr viel Rohprotein, damit sie gut wachsen, führe das zu Durchfällen und schon bei kleinen Ferkeln zum Entzündungs- und Nekrosesyndrom (SINS), weil die Leber überlastet würde.

Wenn dagegen zu wenig Protein – und damit zu wenige Aminosäuren – zur Verfügung gestellt werden, könne dies am Ende zu Schwanzbeißen führen. Zwar trete nach einer REWE-Erhebung von 2021 Schwanzbeißen in Biobetrieben selten auf (in Österreich über 85% intakte Ringelschwänze), aber Schweine hielten eben auch unglaublich viel aus, bevor sie Verhaltensstörungen zeigen.

Am Anfang stimmten die Futterkomponenten nicht, dann käme vielleicht ein falscher Vermahlungsgrad hinzu, dann eine fehlende Entwurmung und irgendwann brächte dann etwa ein plötzliches Gewitter das Fass zum überlaufen und es käme zum Schwanzbeißen. Hier sei immer die Frage: was ist nur Auslöser und was die eigentliche Ursache? Bei der Fütterung müsse der Feinanteil genau kontrolliert werden, ebenso die Futterhygiene und die Rationsgestaltung insgesamt.

Ein Stolperstein bei der Tiergesundheit seien z. B. Ferkeldurchfälle durch Kokzidien-Befall. Sie müssten unbedingt behandelt werden, auch wenn dazu die „chemische Keule“ mit dem nötig und beim Wirkstoff Toltrazuril lange Wartezeiten einzuhalten seien. Ebenso dürfe man den Schlachthofbefund „Milk Spots“ nicht einfach abtun. Ein paar weiße Flecken auf der Schweineleber würden eben verursacht durch 30 cm lange Würmer im Dünndarm, von denen dort vielleicht 20 Exemplare zu finden wären. Dass derart befallene Tiere leiden liege auf der Hand und deshalb sei Entwurmung nichts anderes als gelebter Tierschutz.

Als letzten Stolperstein für Bio-Schweinehalter identifizierte der Österreicher Selbstzufriedenheit. Er höre immer häufiger, „die konventionelle Schweinehaltung ist noch meilenweit vom Bio-Standard entfernt“. Das möge vielleicht stimmen, was das Gesamt-Konzept angehe, aber wer wirklich nur in den Schweinestall schaue der könne sehen, dass die konventionellen Schweinehalter aufholten und, dass die Bemühungen der Konventionellen auch von Konsumenten und Medien wahrgenommen würden.

Beim Strohauslauf eines konventionellen Betriebes könnten Käufer und Medien eben nicht erkennen, ob Schweine auf 2,3 qm oder 1,5 qm gehalten werden. Auch wenn es im Stallinneren Vollspalten gebe, sähen Laien eine Auslauf-Haltung, wie sie sie gerne hätten. Und sei der konventionelle Auslauf auch noch vollständig überdacht, würde es noch dazu viel besser riechen, als vor dem nur halb überdachten Bio-Stall.

Der Tierarzt zeigte bei seinem Vortrag etliche Bilder aus konventionellen Haltungen mit Stroh-Ausläufen und bestem Stallklima und fragte provokant: „Werden manche Konventionelle die besseren Bios?“ Deswegen rät Dr. Hagmann Bio-Schweinehaltern zu überlegen, wo sie sich noch verbessern könnten.

Bio biete immer noch sehr gute Voraussetzungen für eine tiergerechte Schweinehaltung, aber die Starrheit der EU-Bio-VO könnte zukünftig ein echter Hemmschuh werden, vor allem im Blick auf Emissionsminderung.

Erfolgreiche Schweinehalter hätten Stallbau, Haltung, Fütterung, Management im Griff – und vor allem genügend Zeit, um bei Problemen im Betrieb sofort eingreifen zu können. Erfolg werde grundsätzlich vom Betriebsleiter definiert – unabhängig von der Wirtschaftsweise!

Website von Dr. Werner Hagmüller