Zur diesjährigen Schweinefachtagung des Bioland-Verbands war auch Dr. Stefan Wesselmann eingeladen, um über die Haltung von Schweinen zu sprechen. Der Schweine-Spezialist aus Hohenlohe beleuchtete das Thema dann aus zwei Blickwinkeln: dem menschlichen und dem tierischen.
Das Tierschutzgesetz macht klare Vorgaben: jeder der Tiere hält, darf ihnen keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Wer ein Tier hält, muss es seiner Art und seinen Bedürfnisse nach angemessen ernähren, pflegen und unterbringen. Und: jeder Halter muss über die entsprechenden Kenntnisse verfügen.
Aus Sicht des Menschen empfiehlt Dr. Wesselmann Selbstreflektion:
• Was darf ich vom Tier erwarten? Welche Grenzen für biologischen Leistungen gibt es?
• Bedeutet „gute Leistung“ automatisch gute Tiergesundheit?
• Wie(so) lassen sich in der Bio-Haltung höhere Mortalitätsraten als bei konventioneller Haltung rechtfertigen?
• Ist die Versorgung der Tiere auch gewährleistet, wenn jemand auf dem Hof krank wird?
• Ist meine Haltung zum Tier empathisch? Erfahren meine Tiere Zuwendung?
• Bekommen meine Tiere Futter, Wasser, Wärme immer in bester Qualität?
• Werden kranke Tiere rechtzeitig behandelt und falls nötig fachgerecht und rechtzeitig notgetötet?
Die tiergerechte Haltung von Schweinen beginnt für den Tierarzt mit einer Stallplanung, bei der die Tiergesundheit im Vordergrund steht, statt sich an „bewährten“ Lösungen zu orientieren:
• ausreichende Zahl von Kranken- und Genesungsbuchten,
• Maßnahmen zur effektiven Unterbrechung von Infektionsketten,
• Schutz vor Zugluft, Kälte, Staub und Sonne.
Es müsse ständig an der Tiergesundheit gearbeitet werden, nach dem Motto des niederländischen „Schweineflüsterers“ Kees Scheepens: beobachten, erkennen, handeln!
Warum aber kommt es in der Praxis häufig zu Problemen in eben diesen Bereichen? Das, sagt der Tierarzt, liege an der „kognitiven Dissonanz“, wenn man sich also Probleme schönredet statt sie zu lösen. Beliebt sei etwa sich selbst zu beruhigen mit: „bei anderen Schweinehaltern ist das ja genauso“ oder „ein paar hustende Schweine sind in der Bio-Haltung ganz normal“.
Typische Beispiele für allseits bekannte Prophylaxe-Maßnahmen, gegen die jedoch häufig verstoßen wird, hatte der Referent dann gleich parat:
• eine ausreichende Zahl von Krankenbuchten lässt Schweine schneller gesund werden – aber dazu müssen leere Flächen teuer bezahlt werden;
• gibt es mehr Platz im Stall, werden Altersgruppen nicht mehr gemischt und Infektionen verhindert – was wiederum Fläche voraussetzt;
• Nabeldesinfektion nach der Geburt kann Nabelbrüche und Gelenkentzündungen erheblich reduzieren – auch wenn sie zeitaufwändig ist;
• wird neu eingestallt, muss auch das Beschäftigungsmaterial erneuert werden – auch wenn dort noch Reste hängen und Arbeitszeit knapp ist;
• bei der Ferkelimpfung die Injektionsnadel je Wurf zu wechseln bedeutet Aufwand – der jedoch die Übertragung von Krankheiten verhindert.
Im zweiten Vortragsteil fragte Dr. Wesselmann: Welche Punkte sind aus Sicht des Tieres wichtig? Zuallererst sei dies eine gute und stabile Tiergesundheit, am besten durch geschlossene Produktion oder in der Mast der Direktbezug von einem Lieferanten sowie ein angepasstes Impfregime.
Ställe müssten bei jeder Außentemperatur funktionieren und den Schweinen die nötige Wärme garantieren – gerade, wenn sie mal krank sind. Bei der Stallbauplanung ist die Windrichtung von zentraler Bedeutung. Es sollte keinesfalls an einer Stelle gebaut werden, nur weil dort zufällig schon Kanäle, Zuwege oder Strom vorhanden sind.
Auch Sonnenschutz sei wichtig! Schweine bekommen leicht einen Sonnenbrand und leiden dann unter erheblichen Schmerzen. Ein aufrollbarer Sonnenschutz kann hier eine gute Lösung sein (und auch nachträglich eingebaut werden).
Von zentraler Bedeutung sei die Unterbrechung von Infektionsketten sagte der Tierarzt. Verschiedene Altersgruppen müssen getrennt gehalten werden. Kontinuierliche Belegung und Fressen aus gemeinsamen Trögen sollte ebenso vermieden werden, wie Kot-Vermischung durch Schwenkgitter (beim Abschieben durch alle Buchten werden dort zuverlässig alle Schweine mit vorhandenen Keimen infiziert).
Auch wenn Schweine im Auslauf zunächst eine freie Fläche überqueren müssten, um in den überdachten Strohbereich zu gelangen, sei – speziell bei Nässe – der Transport von Kot ins Stroh unvermeidlich.
Ebenso problematisch sieht Dr. Wesselmann das Holz als Baumaterial. Salmonellenbefall und Dysenterie etwa ließen sich in Ställen mit Holzbuchten nicht wirklich wirksam bekämpfen. Auch gemeinsame Fresströge zwischen eigentlich getrennten Buchten, sorgen für eine allzu leichte Übertragung von Krankheitserregern über die Schweinenasen.
Essentiell sei die Tierkontrolle: mindestens zweimal am Tag müsse jedes Tier begutachtet werden (auch und gerade in Großgruppen) und alle Schweine müssten stehen und laufen können. Krankenbuchten müssten für alle Altersgruppen in ausreichender Zahl eingeplant, leicht zu erreichen, zu kontrollieren und zu reinigen sein.
Die Gründe für Lungenprobleme seien in den allermeisten Fällen Zugluft, Staubbelastung und Wurmbefall. Gegen Zugluft helfe entsprechende Planung (oder Nachrüstung von Windschutz), gegen Staub die Strohentstaubung im Stall oder schon auf dem Acker und gegen Würmer (die beim Schwein immer zuerst durch die Lunge wandern) die Entwurmung. In Außenklimaställen seien darüber hinaus Impfungen gegen PRRS, Mykoplasmen, Glässer und Pasteurellen wichtig.
Auch sollte das Tier-Fressplatzverhältnis möglichst 1-zu-1 betragen – speziell in der Aufzucht. Schweine wollten eben immer gemeinsam fressen, nicht nacheinander. Und “Last but not least” müsse die Wasserdesinfektion sicher funktionieren.
Viele von Stefan Wesselmanns Erkenntnissen sind nicht unbedingt neu. Kostendruck und Zeitmangel behindern aber allzu häufig eine tiergerechte Haltung von Schweinen. Und genau deshalb ist die Stallplanung „vom Tier her“ essentiell – nicht nur in der Bio-Haltung.
Website von Dr. Stefan Wesselmann