Geschlechtsbestimmung im Ei oder Zweinutzung – gibt es einen Königsweg? #Expertise2021

Prof. Dr. Rudolf Preisinger, EW Group

Auch wenn Verbraucher Zweinutzungshühner gerne favorisieren, sind diese doch wirtschaftlich keine Alternative. Sie legen 20% weniger (und kleinere) Eier, setzen weniger Fleisch (insbesondere an der Brust) an und schneiden auch unter ökologischen Gesichtspunkten schlechter ab, als spezialisierte Linien: ihr um 25% höherer Futterbedarf widerspricht schlicht jedem Nachhaltigkeitsdenken.

Prof. Dr. Rudolf Preisinger, der sich seit sage und schreibe 12 Jahren mit Techniken zur Geschlechtsbestimmung im Ei beschäftigt, beschrieb im Rahmen der „Expertise 2021“ den aktuellen Stand der Entwicklung.

Zwar gebe es aktuell 15 Forschungsprojekte weltweit, aber von einer marktreifen Lösung seien die allermeisten weit entfernt, führte der Chief Technical Officer der EW Group gleich zu Beginn aus. Marktreif seien derzeit nur die Verfahren von Seleggt In Ovo und PLANTegg, für die Legehennenhalter Preisaufschläge von € 4,00 (Seleggt), € 3,30 – € 4,00 (In Ovo) und € 4,00 – € 5,00 (PLANTegg) pro Henne bezahlen müssen. Die Hyperspektralanalyse als nicht-invasives Verfahren, verursache Mehrkosten pro Henne von € 1,10, sei aber ausschließlich bei Braunlegern anwendbar.

Bei der klassische Hahnenaufzucht bis zur 11. oder 12. Woche, müsse mit zusätzlichen € 3,50 gerechnet werden. Es bestehe also Kostengleichheit, weshalb zurzeit zahlreiche Legehennenhalter die Aufzucht der (Bruder-)Hähne favorisieren. Dies wurde in der jüngsten Vergangenheit begünstigt durch einen schwächeren Enten- und Broilermarkt, weswegen leere Ställe für die Junghähne vorhanden gewesen seien. Auch würden viele dieser Hähne im benachbarten Ausland, vor allem in Polen, aufgezogen und in spezialisierten Suppenhennen-Schlachtereien geschlachtet. Denn: Bei Fleischfülle und -beschaffenheit seien ihre Schlachtkörper denen von Suppenhennen sehr ähnlich.

Seleggt wird schon seit geraumer Zeit in Deutschland (für EDEKA) eingesetzt. Mit der Hyperspektralanalyse (Markenname CHEGGY) können heute sogar schon 20.000 Eier pro Stunde sortiert werden. Kosteneffizient und nicht-invasiv, aber eben nur bei Braunlegern, die allerdings auch 75% des EU-Marktes ausmachen. In Frankreich, Belgien, Spanien und Italien ist CHEGGY bereits im Einsatz und sogar bei LSL in Deutschland.

Aber: die Untersuchung per Hyperspektralanalyse funktioniert – ebenso wie Seleggt – erst ab dem 13. Bruttag und wäre damit über den 1. 1. 2024 hinaus in Deutschland nur dann gesetzeskonform, wenn vor der Tötung der Hahnenembryos eine Betäubung erfolgen würde. Ein entsprechendes Verfahren zur Elektrobetäubung des Embryos im Ei sei denn auch tatsächlich in der Entwicklung, aber noch nicht praxisreif, verreit Preisinger.

Mit dem Ramanspektroskopie-Verfahren der TU Dresden lassen sich Eier bereits am 5. Bruttag sortieren. Die Genauigkeit liege im Labormaßstab aber bislang noch unter 95%, sagte Referent; in wenigen Monaten solle jedoch klar sein, ob diese Schwelle überschritten werden könne.

Um die erhebliche Menge an Bruteiern zukünftig überhaupt bewältigen zu können, müssten vom 1. Januar 2022 an auf jeden Fall sämtliche Verfahren zur Geschlechtsbestimmung zum Einsatz kommen oder die Junghahnenaufzucht im großen Stil organisiert werden, betonte Rudolf Preisinger.

Vor dem 7. Bruttag ist ein Schmerzempfinden bei den Embryonen nicht vorhanden, weil die nötigen Reizleitungen noch nicht ausgebildet sind. Ob zwischen dem 8. und dem 14. Tag Schmerzen verursacht würden sei unklar, ab dem 15. Tag jedoch gesichert. Da ab dem 1. 1. 2024 nur noch vor dem 7. Bruttag gesext werden darf, müsse man sich auf die Sortierung von jährlich ca. 70 Mio. Bruteiern einstellen und (wegen der unvermeidlichen Fehlerquote sämtlicher Verfahren) im Anschluss sehr, sehr viele Junghähne aufziehen.

Über Expertise 2021
Unter dem Titel „Prävention im Wandel“ fand vom 6. bis 8. Mai 2021 die „Expertise 2021“, eine virtuelle Konferenz von MSD Tiergesundheit zur Fortbildung von Nutztier-Tierärzten, statt. Hochkarätige Referenten stellten neueste Forschungsergebnisse für Rinder, Schweine und Geflügel vor.

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