Einige der in Deutschland und Europa vorkommenden viralen Erkrankungen des Wirtschaftsgeflügels haben zoonotisches Potential. Bei der Übertragung dieser Erreger über Speziesgrenzen hinweg besteht die Gefahr einer Adaptation an den menschlichen Organismus mit erheblichen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit im Fall einer fortgesetzten Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Neben den Folgen, die hochkontagiöse, pathogene Erreger für die Tierbestände, Tierhalter und die Wirtschaft haben, ist dies ein weiterer Grund, Bekämpfungsmaßnahmen für bestimmte Tierseuchen rechtlich festzulegen. Hierzu referierte Dr. Christine Ahlers, Fachtierärztin für Geflügel an der Tierseuchenkasse Thüringen kürzlich bei einer Online-Fortbildung dwer Firma MSD.
Unter den viralen Zoonosen des Wirtschaftsgeflügels hat die hochpathogene Aviäre Influenza (HPAI) in Deutschland aktuell die größte Bedeutung. Ebenso wie die Newcastle Krankheit (ND) und die niedrigpathogene Aviäre Influenza (NPAI, LPAI) ist sie anzeigepflichtig, und Schutzmaßnahmen sind rechtlich vorgeschrieben. Wegen der großen Variation in Virulenz und klinischer Symptomatik bei aviären Influenzaviren und aviärem Paramyxovirus Typ 1, dem Erreger der ND, enthalten die Rechtsakte exakte Falldefinitionen. Eine Anzeigepflicht besteht auch für Infektionen mit dem West-Nil-Virus, das erstmals 2018 bei Vögeln in Deutschland nachgewiesen wurde und über Stechmücken übertragen wird. Die als Wirtschaftsgeflügel gehaltenen Spezies gelten jedoch als wenig empfänglich, eine Infektion ist in Deutschland bislang nicht aufgetreten. Theoretisch möglich ist auch die Übertragung von Rhabdoviren auf Geflügel durch Bisse tollwütiger Füchse.
Zur Früherkennung muss bei Verlusten von mehr als 2 %, Legeleistungseinbruch oder Abnahme der durchschnittlichen Gewichtszunahme um mehr als 5 % innerhalb von 24 Stunden das Vorliegen einer HPAIV-oder LPAIV-Infektion diagnostisch abgeklärt werden. In reinen Wassergeflügelbeständen ist eine Untersuchung auf HPAI und LPAI vorgeschrieben, wenn über mehr als 4 Tage die üblichen Verluste um mehr als das Dreifache ansteigen oder die übliche Gewichtszunahme oder Legeleistung um mehr als 5 % abfallen. (§ 4 Geflügelpest-Verordnung i.d.F. vom 15.10.2018)
In Deutschland ist die Impfung jedes Hühner- und Putenbestandes gegen ND vorgeschrieben (§ 7 Abs. 1 Geflügelpest-Verordnung i.d.F. vom 20.12.2005); Schutzimpfungen gegen HPAI und NPAI sind jedoch verboten (§ 8 Geflügelpest-Verordnung i.d.F. vom 15.10.2008).
Den größten Beitrag zur Vermeidung viraler Zoonosen beim Wirtschaftsgeflügel können betriebsindividuelle Biosicherheitskonzepte leisten. Ihre konsequente Umsetzung hat maßgeblichen Einfluss auf Eintrag und Verschleppung von Krankheitserregern und sollte regelmäßig kontrolliert werden.
Tipps zur Vorbeugung:
• Die 2017 in Niedersachsen entwickelte Al-Biosicherheitsampel ermöglicht eine Bewertung des betrieblichen Biosicherheitsstatus.
• Zur Durchführung der Desinfektion bei Tierseuchen hat das Friedrich-Loeffler-Institut detaillierte Empfehlungen über Mittel und Verfahren erarbeitet
• Insbesondere im Hinblick auf Erkrankungen mit zoonotischem Potential sind technische, organisatorische und hygienische Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten wichtig. Entsprechende Vorgaben sind in der Biostoffverordnung enthalten. Zum Schutz vor H PAIV hat der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) spezielle Maßnahmen in einer Empfehlung zusammengestellt.
Quelle: „Expertise 2021 – Konferenz von MSD Tiergesundheit“, Abstract Book