Wieso ist Influenza so schwer in den Griff zu bekommen?

Schweineinfluenzaviren (SIV) sind bereits seit Mitte der 1970iger Jahre in Europa bekannt. Vorher waren sie nur in Nordamerika endemisch, mittlerweile findet man sie weltweit in den Schweinebeständen. Die Atemwegserkrankung wird durch das Influenza-A-Virus verursacht. Die beiden jeweils in verschiedenen Ausprägungen vorkommenden Oberflächenantigene H (Hämagglutinin) und N (Neuraminidase) sind die Basis für verschiedene Subtypen. Bisher sind 18 HA und 11 NA Subtypen bekannt. Bis 2009 zirkulierten vorrangig drei Subtypen (H1avN1, H1huN2 und H3huN2) mit nur wenigen unterschiedlichen Genotypen. Das Kürzel av steht hier für ein Virus aviären Ursprungs, das Kürzel hu für humanen also menschlichen Ursprung. Heute detektiert man in Europa mit dem Eintrag der H1pdmN1pdm-Stämme nun eine Vielzahl von Subtypen, so dass neueste Daten 31 unterschiedliche SIV-Genotypen aufzählen, die in Europa zirkulieren. Das Kürzel pdm steht für ein pandemisches Virus. Generell gelten die pandemischen Stämme als krankmachender als die saisonal auftretenden H1N1-Stämme. Besonders in schweinedichten Regionen können häufig auch mehrere Stämme gleichzeitig auf einem Betrieb zirkulieren. Innerhalb dieser Subtypen, die unterschiedliche Virulenzen aufweisen, sind wechselseitige Infektionen zwischen Mensch, Schwein und Vogel möglich, was das Virus so gefährlich macht.

Durch viele Erreger neben dem Influenzavirus, die ein ähnliches Krankheitsbild verursachen, sowie dadurch, dass gleichzeitig mehrere Stämme auf einem Betrieb zirkulieren können, ist die Diagnose der Influenza schwierig und nur mittels Analysen im Labor möglich. Bei der Beprobung für den direkten Erregernachweis ist zu beachten, dass die erkrankten Tiere das Virus meistens nur über einen Zeitraum von 5 bis 7 Tagen nach Infektion ausscheiden. Nach 9 Tagen ist das Virus zumeist schon nicht mehr in der Lunge nachweisbar. Deswegen ist der Beprobungszeitpunkt wichtig.

Viruszirkulation zwingt zu Mutationen
In den letzten zwanzig Jahren gab es erhebliche Veränderungen in der Schweinehaltung. Vor allem wuchs die Größe der Tierbestände und die Betriebe spezialisierten sich. Das brachte auch eine neue Situation für die Influenzaviren mit sich. In Sauenbetrieben entsteht eine Herde mit sehr unterschiedlicher Immunität: Einige ältere Tiere sind immun, weil sie bereits an Influenza erkrankt waren. Sie übertragen diese Immunität über maternale Antikörper in der Biestmilch an ihre Ferkel. Die Ferkel sind so zuerst geschützt, werden aber spätestens nach dem Verlust dieser maternalen Immunität im Alter von 8 bis 12 Wochen wieder voll empfänglich für Influenzavirusinfektionen. So stehen immer wieder voll empfängliche Tiere im Betrieb für das Virus zur Verfügung, was zur Folge hat, dass das Influenzavirus über viele Monate und auch Jahre im Betrieb zirkuliert. Immer häufiger führt dies nicht zu schweren Erkrankungen, oft gibt es nur bei den Absatzferkeln Atemwegsprobleme oder aber die Sauen zeigen Fruchtbarkeitsstörungen. Problematisch ist diese Situation, da sich so eine Bestandsimmunität aufbaut, die das Virus zwingt zu mutieren, um weiterhin einen Wirt zu finden. Solche „escape“-Varianten bilden die Folgegeneration von Influenzaviren dieses Bestandes, die sich solange verbreitet bis wiederum die variantenspezifische Bestandsimmunität einen ausreichend hohen Selektionsdruck erreicht hat, um neuerlichen „escape“-Mutanten einen Vorteil zu bieten. Diese Situation immer neuer Influenzaviren machte es schwierig, einen gemeinsamen Impfstoff zu finden, der alle diese Varianten abdecken könnte, obwohl allgemein akzeptiert ist, dass die Impfung eine sehr gute Möglichkeit zur Vorbeugung einer schweren Influenzainfektion ist.

Schweine gelten als „Viren-Mischgefäß“
Influenzaviren betreffen nicht nur Schweine, auch das Geflügel ist stark betroffen, wie die mittlerweile fast jährlich im Winter ausbrechende Geflügelpest zeigt. Und die menschliche Influenza ist ebenfalls allseits bekannt. Das Schwein nimmt hierbei eine zentrale Stellung ein, man spricht vom „mixed vessel“. Im Schwein können neue Virusvarianten entstehen, die die Artenbarriere durchbrechen und Infektionen bei Menschen hervorrufen können, wie zuletzt im Jahr 2009 geschehen. Damals infizierten sich weltweit viele Menschen mit einer neuen H1N1-Influenza-Variante, die eine Mischform aus zwei Influenzaviren war, die beide zuvor bereits in Schweinepopulationen zirkuliert waren. Die Erkrankung wurde als Pandemie H1N1 2009/10 oder Schweinegrippe, Neue Grippe, Amerikagrippe oder Mexikanische Grippe bezeichnet. Aber Menschen können auch Schweine infizieren, was zeigt, wie komplex die Situation rund um die Influenza ist.

Quelle: Dr. Heike Engels

Dieser Text ist zuerst erschinen im E-Magazin „Der Hoftierarzt“ 2/2022. Jetzt kostenfrei registrieren und keine Ausgabe mehr verpassen:

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