Kleinkinder können eine Kuhmilchallergie entwickeln, die bis zum Erwachsenenalter zwar meist abklingt, aber das Risiko weiterer Allergieerkrankungen erhöht. Die allergische Reaktion kann jedoch bereits durch das gute Zusammenspiel zweier Milchbestandteile verhindert werden. Das zeigte eine in Scientific Reports veröffentlichte Studie des interuniversitären Messerli Forschungsinstitutes der Vetmeduni Wien, der MedUni Wien und der Universität Wien. Verbinden sich das wichtige Milch-Protein Bos d 5, auch beta-Lactoglobulin, und das Vitamin A Stoffwechselprodukt Retinsäure in der Kuhmilch, wird das Immunsystem nicht gegen das Eiweiß aktiv.
Eine echte Milchallergie kommt bei etwa drei bis fünf Prozent der Kinder in Europa, seltener bei Erwachsenen vor. Im Gegensatz zur mit der Erkrankung häufig verwechselten Laktoseintoleranz, bei der durch das fehlende Enzym Laktat lediglich Milchzucker schlecht verdaut wird, reagiert in diesem Fall das Immunsystem selbst mit einem Abwehrmechanismus gegen Milchproteine. Es kommt zur Bildung von speziellen Immunzellen, die Antikörper gegen die Milcheiweiße produzieren und damit eine potentiell viel gefährlichere allergische Reaktion auslösen.
Dass das die Bestandteile der Kuhmilch selbst unterbinden können, zeigte nun eine Untersuchung des interuniversitären Messerli Forschungsinstitutes der Vetmeduni Vienna, der Meduni Wien und der Universität Wien. Der Schlüssel ist, dass sich das für allergische Reaktionen relevante Milchprotein beta-Lactoglobulin die Retinsäure, ein Stoffwechselprodukt von Vitamin A, quasi in die Tasche steckt. Dafür muss allerdings die ausreichende Versorgung der Kühe mit dem Vitamin, etwa durch viel Grünfutter, gewährleistet sein.
Beladung mit Retinsäure verwandelt potentielles Milchallergen in ein Milch-Tolerogen
Erkranken Kleinkinder an einer Allergie gegen Kuhmilch, so bilden sich in ihrem Körper mit Th2-Lymphozyten spezielle Immunzellen, die Antikörper produzieren, die als körpereigene Abwehr gegen Milchproteine gerichtet sind. Eines der wichtigsten dieser sogenannten Milchallergene ist das Eiweiß Bos d 5 oder beta-Laktoglobulin. Dieses gehört zur Proteinfamilie der Lipokaline. „Diese spezielle Eiweißfamilie besitzt molekulare Taschen die kleine Moleküle, wie eben die Retinsäure, die ein Stoffwechselprodukt von Vitamins A ist, aufnehmen können“, erklärt Erstautorin Dr. Karin Hufnagl.
„Unsere Untersuchungen zeigten, dass das „leere“ Milchprotein die Aktivierung von Th2-Lymphozyten unterstützt und damit eine allergische Reaktionskette in Gang setzt“, so Hufnagl. Steckt es sich jedoch die Retinsäure sozusagen in die Tasche, dann reagieren die Immunzellen moderat, ohne allergische Immunreaktion. „Eine adäquate Beladung des Milchproteins könnte damit verhindern, dass sich Kleinkinder oder auch Erwachsene sensibilisieren und eine Milchallergie ausprägen“, resumiert Studienleiterin Erika Jensen-Jarolim.
Keine künstliche Ergänzung: Ansatz sollte die Milchproduktion sein
Milch und vor allem Kuhmilch ist ein für die meisten Menschen zwar prinzipiell essentielles Nahrungsmittel. Für Allergiker stellt sie jedoch ein Risiko dar, da sie neben Mund- oder Schleimhautschwellungen, Durchfälle oder die Verschlechterung einer Neurodermitis verursachen und in seltenen Fällen sogar einen allergischen Schock hervorrufen kann. Außerdem birgt eine Kuhmilchallergie das Risiko auf weitere allergische Erkrankungen, wie ein atopisches Ekzem oder allergisches Asthma „Eine ausreichende Versorgung der Milchproduzenten, sprich der Kühe, mit Vitamin A könnte diesem Effekt, ein harmloses Nahrungsmittel-Protein womöglich in ein Milch-Allergen umzuwandeln, entgegenwirken“, sagt Hufnagl. Fraglich ist jedoch, ob der in der Studie gezeigte positive Effekt von Vitamin A, auch durch Nahrungsmittelzusätze erwirkt werden kann. „Die Künstliche Ergänzung der Nahrung mit Vitaminen erzielt womöglich nicht die gleiche Wirkung wie natürliche Wirkstoffe und hat wahrscheinlich eine inadäquate Beladung des Milch-Allergens zur Folge. Es gilt daher Vitamin A schon bei der Haltung oder Fütterung den Tieren in einem entsprechenden Ausmaß zuzuführen. Das kann etwa durch vermehrte Gabe von Grünfutter erreicht werden. Entsprechende Folgestudien müssen allerdings noch durchgeführt werden“, so die Forscherin.
Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien