In England gehen 19% der Bullenkälber vom Milchbetrieb direkt zur Tierkörperbeseitigung, wie die englische Tageszeitung „The Guardian“ berichtet. Das Blatt beruft sich dabei auf offizielle Zahlen des “Agriculture and Horticulture Development Board (AHDB)”, da die Praxis in England nicht gesetzwidrig ist. Dieser „Entwicklungsausschusses für Landwirtschaft und Gartenbau“ schätzt demnach die Zahl der 2017 in englischen Milchbetrieben getöteten Bullenkälber auf 95.000. Speziell Holstein-Friesen, Jersey Rinder und Jersey-Kreuzungen sind betroffen.
Exakte Zahlen sind jedoch schwer zu ermitteln, da Landwirte Kälber, die innerhalb weniger Tage nach der Geburt getötet werden, nicht registrieren müssen. Ebenso wenig wie das Entsorgungsunternehmen, das häufig auch die Tötung auf dem Betrieb vornimmt.
Der „Guardian“ beziffert die Aufzuchtkosten auf bis zu £ 30 pro Kalb für den Herkunftsbetrieb, während die frühe Entsorgung oder (zu geringem Anteil) Verwertung als Hundefutter nur £9 koste. Der Verkaufserlös für Kälber liegt in England aktuell bei £25 bis £40.
Und auch in der Bio-Haltung werden Bullenkälber kurz nach der Geburt getötet. Die „Soil Association“, nach eigenen Angaben die „führende britische Mitgliedsorganisation, die sich für eine gesunde, humane und nachhaltige Ernährung, Landwirtschaft und Landnutzung einsetzt“, schreibt auf ihrer Website:
„Leider ist das Töten männlicher Milchkühe sowohl auf biologischen als auch auf nicht biologischen Milchviehbetrieben ein Problem, das jedoch ethische Bedenken aufwirft. Die Soil Association hat diese Praxis schon lange abgelehnt, und wir wollen das unnötige Abschlachten von männlichen Milchkälbern beenden.“
Den Hintergrund bilden die seit Jahren niedrigen Erlöse für Milch und der fehlende Markt für Kalbfleisch. Obwohl schon in den 1990er Jahren die Weißmast in England verboten wurde, assoziieren viele Verbraucher „Kalbfleisch“ immer noch mit dieser Art der Kälberhaltung.
Auch wurden von England im vergangenen Jahr überhaupt keine Kälber exportiert, nur 5.000 von Schottland sowie 20.000 von Nord-Irland.
Versuche einen Markt für „Rosé Kalb“ zu schaffen, hatten bisher wenig Erfolg. Immerhin haben jedoch einige der großen Lebensmittelketten, Co-op, Morrisons, Sainsburys und Waitrose, Aufzucht-Programme für Kälber ins Leben gerufen.
Auch zahlreiche Landwirte wenden sich von der Tötungspraxis ab und setzen vermehrt gesextes Sperma ein. Dessen Anteil stieg von 12,2 % im Jahr 2012 auf 17,9 % in 2017.
Weitere Informationen bei “Cattle Health and Welfare Group”
Quelle: The Guardian