Lahmheit bei Milchkühen – Thüringer Tierärztetag 2018 (1)

Bericht vom Thüringer Tierärztetag 2018 (1)

„Lahmheit bei Milchkühen – Normalität oder tierschutzrelevanter Tatbestand?“ fragte    Prof. Dr. Kerstin E. Müller (FU Berlin) in ihrem Vortrag anlässlich des 13. Thüringer Tierärztetages in Weimar. 

Lege man den Maßstab des Animal-Welfare-Konzepts für die Milchkuh an, nach dem es ihr möglich sein soll, mit ihren Lebensbedingungen zurechtkommen, keine Schmerzen zu erleiden und ihr angeborenes Verhalten auszuleben, seien bei Lahmheit im Grunde alle  „Fünf Freiheiten“ eingeschränkt.

1) Freisein von Hunger und Durst
Magere Kühe werden häufiger lahm, lahme Kühe sind häufiger mager
Lahme Kühe gehen seltener zum Futterplatz

2) Freisein von Unbehagen
Zeitbudget einer lahmen Kuh ist verändert
Aufstehen und Abliegen wird erschwert

3) Freisein von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten
Erhöhtes Schmerzempfinden lahmer Kühe
Beteiligung tiefer gelegener Strukturen an der Klaue und sekundäre Krankheiten (Festliegen)

4) Freisein zum Ausleben der normalen Verhaltensweisen
Lahme Kühe sinken in der Rangordnung

5) Freisein von Angst und Leiden
Behandlung durch Mitarbeiter (Nachtreiben, Klauenstand, Ausrutschen)

Lahmheit sei Symptom, nicht Krankheit und in der Regel eine Schmerzäußerung. Wie weit die funktionsgerechte Benutzung einer oder mehrerer Gliedmaßen eingeschränkt ist, kann (nach Sprecher) mithilfe von fünf Scores beurteilt werden.

Kürzlich wurde die Lahmheitsprävalenz von zigtausend Kühen in Sachsen und anderen Teilen Deutschlands  untersucht und dabei festgestellt, dass Landwirte selbst das Wort „lahm“ eher nicht benutzen. Sie sprächen häufig davon, dass die Kuh „irgendwie komisch läuft“ und offenbarten damit, dass ihnen das rechte Problembewusstsein eher fehle.

Vom Grad der Schmerzhaftigkeit schienen viele falsche Vorstellungen zu haben, so die Professorin. Wird Score 4 oder 5 festgestellt, sei dies aber immer tierschutzrelevant! Das Klauenproblem muss bereits längere Zeit vorliegen und bei den beiden höchsten Werten sind immer tiefergelegene Strukturen betroffen. In solchen Fällen seien Tierarzt und Anästhesie gefragt und nicht mehr nur der Klauenpfleger. Die Verantwortung dafür hier die richtigen Schlüsse zu ziehen, liege aber immer bei Tierhalter und Klauenpfleger. „Wo das Leben beginnt, hört die Arbeit des Klauenpflegers auf“, sagte die Professorin.

Bei Score 5 liege der Richtwert bei 1%, eigentlich sollte er aber bei null liegen. Als geeignete Zielvorgaben nannte Prof. Müller für Score 1 = 65%, Score 2 = 20%, Score 3 = 11%, Score 4 = ≤ 5% und Score 5 = 0%.

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