Der Krieg ums Fleisch #AfT2019

Von drei Seiten näherte sich Prof. Achim Spiller (Uni Göttingen) dem Thema Fleisch in seinem Vortrag beim diesjährigen Symposium der Akademie für Tiergesundheit in Montabaur:

Fleisch sei traditioneller Bestandteil der Ernährung und das Konsumverhalten ändere sich nur extrem langsam, führte der Agrarökonom aus. Gewohnheit spiele eine wichtige Rolle, träfe doch jeder etwa 200 Ernährungsentscheidungen am Tag und sensorischen Präferenzen seien eben kulturell geprägt. Der Gesamtkonsum von Fleisch verändere sich nur langsam. Bei einer Verschiebung hin zum Geflügel, sei für die nächsten 10-20 Jahre insgesamt ein etwa gleichleibender Pro-Kopf-Verbrauch zu erwarten.

Andererseits eigneten sich Fleisch bestens zur Distinktion, dazu sich demonstrativ von anderen abzuheben. Auf Instagram z. B. gebe es mehr Fotos vom Essen, als von Autos. Heute gehe es um Singularität im Konsum, nicht mehr nur um Individualität.

Fleischkonsum sei eben gut sichtbar, soziale Milieus unterschieden sich deutlich: die einen essen große Mengen, andere weniger doch dafür exklusive Qualitäten. Der „Krieg ums Fleisch“ sei moralisch vielfach aufgeladen, Tierwohl und Tötung schafften das Spannungsfeld. Der Ausgang der Debatte sei zwar noch offen, die gesellschaftlichen Vorstellungen jedoch klar. Verbraucher wünschten sich eine Art „Vertrag“ mit den Tieren, deren Fleisch sie zwar weiterhin konsumieren wollen, aber nur wenn diese zuvor ein „gutes Leben“ hatten.

Dies spiegele sich deutlich in der Akzeptanz verschiedener Haltungssysteme. In den Augen der Konsumenten muss es mindestens ein Außenklimastall sein, über 50% der Befragten wünschen dem Vieh aber Auslauf und zwar am besten auf der Weide. Ganz unabhängig von der Tierart, ob für Kühe, Schweine oder Geflügel.

Prof. Achim Spiller

Das Mensch/Tier-Verhältnis ändere sich, sagte der Göttinger Wissenschaftler. In 61% aller deutschen Haushalte lebten Haustiere und Erfahrungen mit diesen projizierten deren Halter auch auf Rinder, Schweine, Hühner. Zu neuem Wissen über emotionale, kognitive und soziale Fähigkeiten von Tieren, sowie der genetischen Ähnlichkeit mit dem Menschen, gesellten sich intuitive Vorstellungen vom Tierwohl.

Zwar sei Gesundheit ein Megatrend und Nachhaltigkeit würde immer mehr zum gesellschaftlichen Druckfaktor. Der eigentliche Treiber für den Fleischverzicht könne jedoch nur die Politik sein. Im Pariser Klimaschutzabkommen sei eine pro-Kopf-Reduktion der CO2-Emissionen von derzeit 11t auf nur noch 2t jährlich vereinbart worden. Das wären stolze 82 % Einsparung.

Bedenkt man allerdings, dass unser heutiger Ernährungsstil allein schon 2t zur CO2-Emission beiträgt, wird klar wie überaus ehrgeizig die Pariser Ziele tatsächlich sind. Die „EAT-Lancet Commission“ empfiehlt für die Zukunft pro Kopf und Jahr nur noch 5,1 kg Rind-, Schweine- und Lammfleisch, sowie 10,6 kg Geflügel, mit 15,7 kg insgesamt also nur noch ein Viertel des aktuellen Fleischverzehrs. Die Hälfte dieser 75%-Reduktion ließe sich aber, so Spiller, auch langfristig nur politisch durchsetzen.

Denkt man ein solches Szenario zu Ende und das im globalen Maßstab, ergibt sich allerdings die spannende Frage, ob mit den derzeitigen Ackerflächen die Eiweißversorgung auf pflanzlicher Basis zu gewährleisten wäre. Und: ließen sich überhaupt genügend pflanzliche Nahrungsmittel erzeugen, die Menschen verwerten können (und auch essen wollen). Gras und Extraktionsschrote bleiben für alle Zukunft der Kuh vorbehalten und immerhin erlaubt die EAT-Lancet Commission noch 91 Liter Milch und Milcherzeugnisse pro Kopf und Jahr (und damit nur ca. 24 Liter weniger als heute).

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