Praxistipp: Hygienekontrolle bei Betrieb einer Milchtankstelle

Dr. Thomas Peters, MBFG

Ab und an ruft ein Milcherzeuger bei der Milchtierherden-Betreuungs- und Forschungsgesellschaft mbH (MBFG) in Wunstorf bei Hannover an, der einen Rohmilchabgabeautomaten („Milchtankstelle“) betreibt und wissen möchte, welche Hygienekontrolle er im Zusammenhang mit dem Betrieb des Automaten machen soll. In manchen Fällen hat das für die behördliche Überwachung des Milchviehbetriebs zuständige Veterinäramt auf eine Hygienekontrolle mittels Laboruntersuchungen gedrängt. Dann ist oftmals nicht klar, welchen Umfang die Kontrolle haben muss und worauf das Labor untersuchen soll. Dr. Thomas Peters, Geschäftsführer und Tierärztlicher Leiter der MBFG, gibt im Gespräch mit dem Hoftierarzt eine Hilfestellung für die Problematik.

Dr. Peters, welche Pflichten bestehen hinsichtlich des Verkaufes von Rohmilch?
Ab Hof verkaufte Rohmilch soll vom Verbraucher vor Verzehr abgekocht werden. An der Abgabestelle der Rohmilch muss bekanntlich ein gut sichtbares Schild mit dem Text „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen“ vorhanden sein. Das gilt selbstverständlich auch wenn ein Abgabeautomat, also eine „Milchtankstelle“, genutzt wird.

Reicht so ein Schild rechtlich aus, wenn es zu Beanstandungen kommt?
Juristisch mag man sich auf ein existierendes Hinweisschild berufen, wenn ein Kunde nach dem Verzehr nicht abgekochter Rohmilch erkrankt, weil die Milch krankmachende Keime enthielt. Nach dem Motto „Selbst schuld!“ Aber andererseits ist ein Lebensmittelunternehmen grundsätzlich dafür verantwortlich, dass es Lebensmittel so produziert, dass sie für den Verbraucher sicher sind. Das heißt auch, dass eine gute Lebensmittelhygiene zu gewährleisten ist. Wie aber soll man wissen, ob nicht nur die Melkhygiene und die Reinigung und Desinfektion der Melkanlage in Ordnung sind, sondern auch die Kühlung der Milch in der Milchtankstelle und die regelmäßige Reinigung und Desinfektion des Abgabeautomaten korrekt erfolgen? Bei dieser Unsicherheit gibt eine Laboruntersuchung einer aus dem Abgabeautomaten gezapften Milchprobe Gewissheit.

Wie oft sollten solche Milchproben gezogen werden?
Wir empfehlen, zwecks Eigenkontrolle mindestens einmal jährlich eine solche Untersuchung vornehmen zu lassen. Wir empfehlen außerdem eine Untersuchung VOR dem Beginn des Rohmilchverkaufs über einen Automaten. Denn bevor man die Vermarktung von Rohmilch mittels eines Automaten beginnt ist es ratsam, einmal die Rohmilch des Betriebs untersuchen zu lassen, um Problemen vorzubeugen. Unseres Erachtens sollte bei der jährlichen Untersuchung vornehmlich auf Enterobacteriaceae und auf den Gesamtkeimgehalt sowie auf koagulasepositive Staphylokokken untersucht werden. Der Gehalt an Enterobacteriaceae und der Gesamtkeimgehalt lassen erkennen, ob die Milchgewinnungshygiene, die Kühlung der Milch und die Reinigung und Desinfektion des Abgabeautomaten in Ordnung sind. Der Gehalt an koagulasepositiven Staphylokokken liefert eine Information darüber, ob Staphylococcus aureus in der Tankmilch in nennenswerter Konzentration enthalten ist. Das ist von Bedeutung, weil die als Mastitiserreger bekannten Staphylococcus aureus über ein von ihnen abgegebenes Gift Enterotoxin auch Durchfall verursachen können.

Was ist, wenn Verbraucher die Rohmilch doch nicht abkochen?
Wer den Verdacht hegt, dass ein Teil der Kundschaft die Milch vor dem Verzehr nicht abkocht, mag mit Untersuchungen auf Escherichia coli und unter Umständen auf EHEC, auf Listeria monocytogenes, auf Salmonellen und auf Campylobacter sicher gehen. Bei einer solchen Kontrolle kann man durchaus nicht nur an die Gesundheit der Kunden, sondern auch an den Eigennutz des Betreibers der Milchtankstelle denken. Denn eine Häufung von Durchfallerkrankungen, die mit dem Konsum von aus der Milchtankstelle stammender Rohmilch in Zusammenhang gebracht wird, führt sicherlich nicht zu guter Presse. Negativmeldungen verbreiten sich bekanntlich besonders gut und können das Geschäft gefährden. Das Labor der MBFG kann alle obengenannten Untersuchungen durchführen. Geeignete Probenbehältnisse und Verpackungen, die einen Kühltransport der Proben ermöglichen, werden zur Verfügung gestellt.

Ist mit dieser jährlichen Untersuchung der Dokumentation genüge getan?
Es existiert keine rechtliche Vorschrift, die dem Betreiber des Abgabeautomaten eine regelmäßige mikrobiologische Kontrolle der am Rohmilchabgabeautomaten zu zapfenden Rohmilch auferlegt. Eine jährliche Kontrolle gibt jedoch nur eine grobe Orientierung. Die MBFG empfiehlt daher zwecks der Kontrolle der Kühlung der Milchtankstelle und zwecks der Kontrolle von Reinigung und Desinfektion des Abgabeautomaten mindestens alle zwei Monate eine Untersuchung von aus dem Automaten gezapfter Milch. Bei einer solchen regelmäßigen Untersuchung sollte es jeweils in erster Linie um den Gesamtkeimgehalt gehen. Wer Milch an eine Molkerei liefert kennt diesen Hygieneparameter. Denn gemäß Milch-Güteverordnung wird die Tankmilch des Betriebs mindestens zweimal im Monat auf den Gesamtkeimgehalt geprüft. Ist der Gesamtkeimgehalt zu hoch, ist vornehmlich an eine mangelnde Reinigung und Desinfektion der Melkanlage bzw. des Milchtanks sowie an eine unzureichende Kühlung zu denken. Die Untersuchungsergebnisse zu der an die Molkerei gelieferten Milch lassen aber nicht erkennen, ob mit der Kühlung der Milch im Rohmilchabgabeautomaten und mit der Reinigung und Desinfektion des Automaten alles in Ordnung ist. Daher sollte mindestens alle zwei Monate aus dem Automaten eine Milchprobe gezapft werden. Vornehmlich kurz bevor die im Automaten verbliebene Restmenge ausgeleert wird.

Wird das nicht ganz schön teuer?
Nein. Die regelmäßige Untersuchung der aus dem Abgabeautomaten stammenden Milch auf deren Gesamtkeimgehalt kann auch mit demselben preisgünstigen durchflusszytometrischen Verfahren erfolgen wie die Untersuchung der an die Molkerei gelieferten Milch. Bei dem sogenannten Bactoscanverfahren werden alle in der Milch enthaltenen lebenden und toten Keime angefärbt und die angefärbten Partikel elektronisch gezählt. Die Zahl dieser Partikel ist nur ein grober Hygienemaßstab, aber die Bactoscan-Methode ist für eine preisgünstige regelmäßige Kontrolle gut geeignet. Die Untersuchungskosten liegen in einer Größenordnung von 2 bis 3 Euro pro Probe.
Die Bactoscan-Methode wird in jenen Laboren angewandt, die für die gemäß Milch-Güteverordnung durchgeführten Untersuchungen der an die Molkerei gelieferten Milch zuständig sind, also Milchkontrollverband (MKV) bzw. Landeskontrollverband (LKV) bzw. Milchprüfring (MPR). Will man die regelmäßige Kontrolle der aus dem Abgabeautomaten zu zapfenden Rohmilch auf deren Gesamtkeimgehalt mit dem Bactoscanverfahren machen lassen, sollte man bei dem Milch-Güte-Labor geeignete Probengefäße, mit dem Konservierungsmittel Borsäure versehene kleine Kunststoffflaschen, und zugehörige Auftragsformulare erbitten. Möglicherweise kann der Transport solchen Leerguts zum Milcherzeuger und der Transport der „Sonderproben“ ins Milch-Güte-Labor durch den Milchsammelwagen erfolgen.

Können mit den Untersuchungsergebnissen auch Rückschlüsse auf den Eutergesundheitszustand der Milchviehherde gezogen werden?
Der regelmäßig bestimmte Gesamtkeimgehalt der Rohmilch lässt keine Rückschlüsse auf die Eutergesundheit der Herde zu. Der Gesamtkeimgehalt wird in erster Linie von der Reinigung und Desinfektion der Milchleitungen und des Milchtanks sowie von der Kühlung der Milch beeinflusst. Auch der Gehalt an Enterobacteriaceae ist ein Hygieneindikator, kein Eutergesundheitsindikator. Wenn die Milch aber sogenannte koagulasepositive Staphylokokken in hoher Konzentration aufweist, ist es wahrscheinlich, dass es ein Problem mit durch Staphylococcus aureus infizierten Eutern gibt.

Dr. Peters, vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Thomas Peters und sein tierärztliches Team der MBFG stehen gerne für Fragen zu diesem Thema zur Verfügung: Tel: 0 50 31 – 96 90 94. Auch vorliegende Untersuchungsergebnisse können erörtert werden.

Das Interview führte Dr. Heike Engels

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