Wie sich Probleme in der Kälberaufzucht später auf die Leistung der Milchkuh auswirken, stellte Dr. Anke Römer in ihrem Vortrag anlässlich MSD-Rinder-Symposiums in Münster detailliert dar. Die Wissenschaftlerin vom Institut für Tierproduktion der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern, konnte dabei auf Daten von 30 Betrieben der Rinder-Allianz M-V zurückgreifen. In ihre Untersuchung wurden sage und schreibe 243.402 Kälber einbezogen, die zwischen Oktober 2005 und Juni 2017 in den Testherden geboren wurden.
Ihr Augenmerk richtete Anke Römer zunächst vor allem auf das Geburtsgewicht. Im Mittel wogen die Kälber in Meck-Pomm bei der Geburt 42,6 kg. Die Tiere unterschieden sich, je nach Ausgangsgewicht, deutlich in der Aufnahme an Milchaustauscher. Bis zum 60. Lebenstag soffen leicht geborene Kälber (unter 40 kg) durchschnittlich 375 Liter, mittelschwer geborene (40-45 kg) schon 393 Liter und Kälber mit mehr als 45 kg Geburtsgewicht 418 Liter.
Aber: ist das Geburtsgewicht des Kalbes überhaupt wichtig für die spätere Leistung als Kuh? 10 Betriebe wogen ihre Kälber regelmäßig, 7 weitere taten dies sporadisch. So konnten die Gewichte von insgesamt 27.664 Kälbern zum 80. Lebenstag ermittelt werden. Im Mittel wogen die Tiere dann 99 kg. Bei der Zunahme an Lebendmasse zeigten sich aber erhebliche Unterschiede: Waren es im Schnitt 719 g bis zum 80 LT, lagen die geringsten und höchsten Werte weit auseinander: 400 g im Minimum gegenüber maximal 1.600 g. Die schwergeborenen Kälber zeigten sich auch mit 80 Lebenstagen klar im Vorteil: wogen sie bei der Geburt schon mehr als 50 kg, konnten sie bis zum 80. LT 13 kg mehr zulegen, als Kälber die unter 35 kg Geburtsgewicht gehabt hatten (90 kg zu 103 kg).
Das Geburtsgewicht weiblicher Kälber steigt mit der Trächtigkeitsdauer. Jeder zusätzliche Tag bringt hier auch zusätzliches Körpergewicht. Kälber von Altkühen sind durchschnittlich schwerer, aber auch die Saison hat ihren Einfluss: Sommerkälber sind am leichtesten (42,10 kg), Winterkälber am schwersten (42,65 kg). Auf der Waage zeigte sich, dass leichte Kälber zwar am Anfang (bis 80. LT) mehr zunehmen, die schweren aber später stark aufholten (bis 450. LT).
Ziel des üblichen Fütterungsmanagements ist die möglichst rasche Ausreifung des Vormagensystems und deshalb wird bislang häufig die Milchaufnahme limitiert und früh Festfutter angeboten. Aber, erklärte Dr. Anke Römer, so schöpfe man das Wachstumspotential der Kälber gar nicht aus und verzichte auf spätere Milchleistung. Bei Kühen, die als Kälber unter 600 g Tageszunahme hatten und solchen die 1.000 aufwiesen, lag der Unterschied bei 460 kg Milch in der ersten Laktation!
Was aus einem Kalb wird, liegt – man kann es nicht oft genug sagen – an der Aufzucht. Die ersten Lebenstage sind entscheidend und wirken sich lebenslang auf den Organismus aus. Dazu müsse man wissen, sagte die Referentin, dass bis zum 40. Lebenstag das Körperwachstum auf Zellvermehrung durch Teilung beruhe und später der Massenzuwachs aller Organe hauptsächlich durch Vergrößerung vorhandener Zellen erzielt würde.
Deshalb fordert Anke Römer „Mut zur „ad-lib-Tränke“. Ein Kalb brauche pro Tag folgende Milchmengen: zur Erhaltung 4 l, für 1.000 g Wachstum 5 l, zur Wärmeproduktion (ab 0 Grad C) 1 l und für die Immunabwehr 2 l. Insgesamt also 12 Liter Milch. Aber: trinken Kälber in den ersten beiden Lebenswochen überhaupt so viel? Im Versuch taten sie das durchaus. Um Durchfälle zu vermeiden, sei jedoch gute Tränkequalität wichtig, dass die Tiere mit gestrecktem Hals saufen und dabei intensiv saugen (durch kleine Nuckelöffnungen, die nicht aufgeschnitten, aber regelmäßig ersetzt werden sollten).
Ab dem 6. Lebensmonat sollten die Tageszunahmen dann gebremst werden, um einer Verfettung vorzubeugen. Bis 6. Monat ad lib oder 3×4 l täglich, danach energieärmer) Zur Kontrolle sei regelmäßiges Wiegen wichtig. Die Vollkosten hierfür kalkulierte Frau Römer mit € 30,- je Kuh (Kälberwaage, Jungrinderwaage, Arbeitsaufwand, bei insgesamt 100 Kühen).
Und am Ende liege, dank früher und hoher Gewichtszunahmen, auch noch die Nutzungsdauer um 3 Monate höher.