Interview mit ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke Teil 2: Antibiotika

Friedrich Otto Ripke, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft

Herr Ripke: Deutschlands Geflügelhalter haben in den vergangenen Jahren den Einsatz von Antibiotika deutlich vermindert. Aber viele wollen auch in Zukunft Colistin einsetzen dürfen, das aber immer nachdrücklicher als Reserveantibiotikum für die Humanmedizin reklamiert wird. Wie kommen Ihre Mitglieder zukünftig damit zurecht?

Der Druck von Gesellschaft und Bundesregierung hat deutlich zugenommen und deshalb sind wir, nicht erst seit heute, bereit eine Veränderung herbeizuführen. Wir haben im Übrigen auch EU-Verordnungen zu erwarten für Antibiotikaanwendungen, speziell auch für Reserveantibiotika.

Wir werden Mitte 2021 eine Liste der Wirkstoffe bekommen, die nur noch beschränkt angewendet werden dürfen und wir werden zum 1. Januar 2022 eine neue EU-Tierarzneimittelverordnung bekommen. Die ist dann EU-weit verbindlich in nationales Recht umzusetzen. Ich habe Frau Klöckner gesagt: eine nationale Verbotsverordnung lässt sich auch formal-juristisch nur schwer machen, vor allem dann nicht, wenn die EU mit drastischen Beschränkungen arbeiten wird, aber nicht mit Verboten.

Ich glaube, die EU wird deshalb nicht mit Verboten arbeiten, weil es eben auch Rechtsbereiche gibt, in diesem Fall das Tierschutzrecht, welche die Behandlung kranker Tiere vorschreiben. Stellen Sie sich mal vor: ein Tierarzt wird vom Tierhalter beauftragt zu behandeln und er hat nur noch das Colistin als letzten Wirkstoff gegen diese spezielle Erkrankung zur Verfügung. Behandelt er dann nicht, könnte der Tierhalter ihn anzeigen und es würde nicht nur § 17 TSchG greifen, sondern auch § 13 StGB.

Das ist zwar ein wenig formell, ist aber ein Punkt um den sich aktuell viele Tierärzte sorgen. Wir haben das auch mit Herrn Färber vom bpt diskutiert und wir haben auch guten Kontakt zu Herrn Palzer, der ja für den bpt in den Brüsseler Arbeitsgruppen sitzt.

Es gibt in dieser neuen EU-Verordnung Artikel 106 und Artikel 107, die für uns große Bedeutung haben werden. Da steht drin, dass bestimmte Antibiotika nicht routinemäßig angewandt werden dürfen und auch nicht, um unzureichende Betriebsführung auszugleichen.

Wir werden versuchen Regeln daraus zu machen, um ein Antibiotika-Reduzierungsprogramm für die deutsche Geflügelwirtschaft aufzulegen. Daran werden wir alle unsere Tierärzte beteiligen, weil das nur mit Fachleuten gelingen kann. Wir haben sie auch bereits beteiligt, in den zwei Gesprächsrunden die wir kürzlich mit Frau Klöckner hatten.

Wir haben dort zunächst festgestellt: wir brauchen tierarten-spezifische Lösungen, es kann nicht pauschal ums gesamte Geflügel gehen. Schon deshalb nicht, weil wir in der 16 Novelle des TSchG nur die Masttiere erfasst haben, Legehennen sind dort nicht erfasst oder evaluiert worden.

Was dann den Zeitablauf angeht, wird bei Masthähnchen wohl eine frühestmögliche, ziemlich weitgehende Beschränkung – bis zum Totalverzicht- geben kann. Wir sind in die Verhandlungen mit Frau Klöckner gegangen, mit dem Datum 2021 für Masthähnchen, 2023 für Puten und bei Legehennen müssen wir zunächst mal mit einem Antibiotika-Monitoring beginnen. Wir wissen bisher nicht, wieviel von welchem Wirkstoff überhaupt eingesetzt wird.

Uns wird ja immer wieder vorgehalten: warum können andere EU-Länder Reserveantibiotika reduzieren und Deutschland nicht? Da werden z. B. Skandinavien und die Niederlande genannt. Aber in Skandinavien werden Bakteriophagen und „competitive exclusion“ Keime eingesetzt. Die letztgenannten CE-Keime werden einfach dem Futter beigemischt oder – in Holland – auch der Einstreu. Die Tiere nehmen die CE-Keime auf und diese legen sich an die Darmwand, bilden dort einen Schutzfilm und lassen die krankmachenden Keime nicht mehr durch.

In Deutschland gibt es keine Zulassung für solche Anwendungen, aber wenn wir diese Möglichkeiten auch hätten, könnten wir schneller aussteigen. Auch wenn wir einen Gleichstand bei den Arzneimittelzulassungen, z. B. bei Tetrazyklinen hätten, die bei Legehennen häufig eingesetzt werden. Dann haben wir in Deutschland sechs Tage Wartezeit für Eier, in Holland Null. Wenn man uns also die gleichen Rahmenbedingungen schafft sind wir genauso schnell in der Lage auszusteigen, wie die genannten „Vorbildländer“. Darüber verhandeln wir im Moment.

Ich erwarte von der Politik auch Rückgrat. In den Niederlanden werden diese CE-Keime nicht als Arzneimittel, sondern als Biozide angesehen. Das ist ja ein praktikables Verfahren und steht für praktikable Politik

Über die Wirksamkeit dieser beiden Methoden, CE-Keime und Bakteriophagen, hat Herr Prof. Rösler an der FU Berlin im Rahmen der EsRAM-Studie* geforscht und wir wünschen uns eine breite Feldstudie auch für Puten und Legehennen.

Wenn man diese Rahmenbedingungen und gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft, dann kämen wir mit einer gesteuerten Minimierungs-Strategie etwa bei Masthähnchen schon 2021, bei Puten 2023 zu vernünftigen Terminen. Bei Legehennen wissen wir das noch nicht ganz genau.

* EsRAM ist das Akronym für „Entwicklung stufenübergreifender Reduktionsmaßnahmen für Antibiotikaresistente Mikroorganismen bei Masthähnchen“.

Teil 1: Hennen und Puten mit ungekürzten Schnäbeln(am 2.5.20)
Teil 3: Zukunft der Geflügelhaltung in Deutschland im E-Magazin “Geflügel Spezial” (Sofort-Download hier)

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