Noch zu viele Verluste bei freier Abferkelung (mit Video)

Von Prof. Steffen Hoy, Universität Gießen

Der Kastenstand und die dauerhafte Fixierung der Sauen soll aufhören. Doch die Freie Abferkelung ist mit der aktuellen Sauengenetik noch nicht zu empfehlen, wie eine Studie der Universität Gießen zeigt.

Neben den drei K (Kastration, Kastenstand, Kupierverzicht), der Düngeverordnung und dem Insektensterben wird aktuell auch über Alternativen zur fixierten Haltung der Sauen im Abferkelstall debattiert. Dabei muss zwischen der Freien Abferkelbucht und der Bewegungsbucht unterschieden werden. Bewegungsbuchten besitzen einen Ferkelschutzstand für die zeitweilige Fixierung der Sau (z.B. während der ersten drei bis fünf Tage nach der Abferkelung). Freie Abferkelbuchten haben dagegen keine Möglichkeit einer Fixation der Sau. In mehreren Freien Abferkelbuchten wurden die Ferkelverluste und eine Vielzahl an weiteren Parametern untersucht (siehe Doktorarbeit von Edina Hickl).

Untersuchungen auf dem Eichhof
Die Untersuchungen fanden im Landwirtschaftszentrum Eichhof (Hessen) statt. Von insgesamt 48 Abferkelplätzen wurden vier als Freie Abferkelbuchten (FAB) umgebaut, die anderen blieben als Buchten mit Ferkelschutzkorb (FSK) bestehen. Insgesamt wurden 350 Sauen mit fast 5.400 gesamt geborenen Ferkeln in 36 Durchgängen untersucht. Die Buchten waren 5,9 bis 6,6 m2 groß und besaßen eine Bewegungsfläche für die Sau von 3,3 bis 4,2 m2 (Abb. 1). Alle Buchten waren mit einem Arretiergitter ausgestattet, um bei Bedarf (z.B. bei Behandlungen von Sau oder Ferkeln) die Sau kurzzeitig zu fixieren. Dieses Gitter ist nicht für eine längere Vereinzelung der Sau geeignet. Sämtliche Ferkelverluste wurden registriert. Die Sauen wurden bei Ein- und Ausstallung gewogen. Außerdem erfolgten Bonituren zu möglichen Aufliegeschäden. Die Ferkel wurden ebenso einzeln gewogen (Geburt, am durchschnittlich 24. Lebenstag). Darüber hinaus wurden alle Einzeltierbehandlungen der Sauen und Ferkel sowie die Verschmutzung der Sauen erfasst. Verhaltensuntersuchungen fanden zu den Ursachen von Erdrückungsverlusten statt. Im Projekt wurden darüber hinaus arbeits- und betriebswirtschaftliche Untersuchungen zur Bewirtschaftung von Freien Abferkelbuchten durchgeführt.

Arbeitsschutz ist wichtig
Die Unfallverhütungsvorschrift Tierhaltung (VSG 4.1) der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau vom 11. Januar 2017 fordert eine kurzzeitige Fixierung der Sau z.B. während der Behandlung von Ferkeln oder der Sau selbst. Diese Vorgabe ist berechtigt, denn insgesamt 6% der Sauen in den Freien Abferkelbuchten griffen zum „Schutz der Ferkel“ den Tierbetreuer an. Kein Tierbetreuer wurde verletzt. Die Sauen wurden fixiert, und die Arbeiten konnten durchgeführt werden. Mehrere Sauen gingen aggressiv gegen die eigenen Ferkel vor, was im Extremfall zum Tod durch Beißen von 11 Ferkeln eines Wurfes führte.

Ferkelverluste in den Freien Abferkelbuchten sind viel zu hoch
In den Freien Abferkelbuchten traten bei den über 900 lebend geborenen Ferkeln mit 21,9% fast doppelt so viele Ferkelverluste auf wie in den Buchten mit Ferkelschutzkorb (11,2%, statistisch gesichert). Der Großteil der Verluste resultierte aus Erdrückungsverlusten. Diese betrugen in den FAB 12,9%, in den Buchten mit FSK nur 5,2% (p < 0,01) (Abb. 2). Derartig hohe Ferkelverluste in den Freien Abferkelbuchten sind ethisch und tierschutzrechtlich nicht hinnehmbar und für Betriebsleiter und Mitarbeiter frustrierend und demotivierend.


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