Von Luisa Watzer, Tierärztin, Praxis am Bergweg in Lohne
In der Politik, den Medien und sozialen Netzwerken stehen heutzutage Tierärzte, die landwirtschaftliche Nutztiere betreuen, durchgehend in der Kritik. Dank sozialer Medien darf nicht nur jeder seine Meinung kundtun, jeder tut es auch. Leider häufig unabhängig davon, wie intensiv sich vorher mit einem Thema auseinandergesetzt wurde. So entstehen nur zu gerne Aussagen wie: „Wenn ich krank bin esse ich Geflügel, da ist so viel Antibiotikum drin, davon werde ich wieder gesund, ohne zum Arzt gehen zu müssen.“ (Tiermedizinstudentin im 5. Semester).
Doch wie viel Antibiotika werden tatsächlich eingesetzt und welche Alternativen stehen den Nutztierpraktikern im Bereich Geflügel zur Verfügung?
Im Jahr 2011 wurden von deutschen Tierärzten bei allen Tierarten, sowohl Nutztiere als auch Klein- und Heimtiere, 1.706 Tonnen Antibiotika eingesetzt. Im Jahr 2018 konnte diese Zahl auf 722 Tonnen reduziert werden. Die Reduktion innerhalb von 7 Jahren beträgt damit 58 %. Allerdings nur, wenn ausschließlich die Antibiotikazahlen in Betracht gezogen werden. Was man nicht vergessen darf: Die Fleischproduktion bei Schwein und Geflügel ist in diesem Zeitraum gestiegen. Alleine der Geflügelbereich hat in diesem Zeitraum ein Wachstum um 8 % erreicht. Zudem hat auch die Anzahl der Haustiere in der Bundesrepublik deutlich zugenommen. Wird die erhöhte Fleischproduktion, sowie die vermehrte Anzahl an Haustieren mit einbezogen, handelt es sich also um eine höhere Reduktion als 58 %.
Durch welche Veränderungen konnte die Reduktion im Bereich der Nutztiere erreicht werden?
Die erste Veränderung, die bei den Tierärzten und den Tierhaltern stattgefunden hat, ist die Entwicklung eines Bewusstseins für das Problem. Nur wenn ich erkenne, dass es ein Problem gibt, mit der Art wie ich handle, kann ich eine Veränderung bewirken. Im Anschluss wurden die Bemühungen intensiviert, Keimeinträge zu verhindern und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Das Management im Stall tritt immer weiter in den Fokus. Wenn hier Fehler gemacht werden, zum Beispiel bei der Reinigung und Desinfektion des Stalls oder der Klimaeinstellung, kann dies zu einer schwerwiegenden Erkrankung führen, die sich nur mit einer antibiotischen Behandlung in den Griff bekommen lässt. In 2015 wurde die „Initiative Tierwohl“ (ITW) gegründet, sie setzt sich für eine tiergerechtere und nachhaltigere Fleischproduktion ein. Mehr als 70 % aller Geflügelmastbetriebe in Deutschland nehmen zurzeit daran teil. Neben der Reduktion der Besatzdichte schreibt die Initiative Tierwohl einen jährlichen Klimacheck, sowie eine Wasserprobe vor. Die Tränkewasserprobe wird im Durchgang genommen, sprich wenn sich Tiere im Stall befinden. Die Probe wird in jedem Fall auf ihren Keimgehalt bei Umgebungstemperatur, sowie Körpertemperatur überprüft und es findet eine mikrobiologische Anzucht statt, bei der spezifische Keime, wie zum Beispiel Campylobacter, nachgewiesen werden können. Wenn sich nun herausstellt, dass die Tiere Wasser trinken, das krankmachende Bakterien enthält, hat sich eine Erklärung gefunden, wieso die Tiere wiederholt erkranken. Natürlich vorausgesetzt, es wurden keine Fehler in der Klimasteuerung begangen. Neben ITW gibt es noch ein holländisches Qualitätssicherungssystem, an dem sich Mäster orientieren müssen, die nach Holland vermarkten. Es heißt „Integrierte Kettenüberwachung“, kurz IKB. Die IKB schreibt eine Tränkewasserprobe im Kalenderjahr sowie eine Erfolgskontrolle der Serviceperiode vor. Die Hygienekontrolle wird innerhalb einer Serviceperiode, also im leeren Stall, durchgeführt, nachdem dieser gereinigt und desinfiziert wurde. Es werden unter anderem der Boden, die Wände, Futter- und Tränkebahn, sowie der Vorraum beprobt. Im Labor wird ausgewertet, wie viele Bakterienkolonien trotz Reinigung und Desinfektion noch im Stall nachgewiesen werden konnten. Wenn ein Stall wiederholt Probleme mit einem Keim hatte und die Hygienekontrolle ergibt, dass die beprobten Flächen eine Vielzahl an Erregern enthalten, könnte die Ursache eine nicht ausreichende Reinigung und Desinfektion sein.
Was bedeutet ein Colistin-Verbot für den Sektor Geflügel?
Das Antibiotikum, das zurzeit die größte Kritik bekommt, ist Colistin. Colistin aus der Gruppe der Polypeptide ist ein Reserveantibiotikum aus der Humanmedizin und wird dort hauptsächlich zur oberflächlichen Anwendung bei Bauchspülungen nach Darmrupturen eingesetzt. Eine systemische Anwendung wird um jeden Preis vermieden, da Colistin eine starke schädigende Wirkung auf die Niere besitzt, die von Dauer ist. Nun mögen sich viele fragen, wieso es überhaupt im Geflügelbereich genutzt wird, wenn es ein solches schädigendes Potential besitzt. Die Antwort ist simpel:
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