Dr. Birgit Spindler, Geflügelspezialistin am ITTN der TiHo, hielt auf der Tierschutztagung 2020 einen Vortrag über das Forschungsprojekt „AutoWohl“, zur kameragestützten Erfassung von Fuß-, Bein- und Brustverletzungen beim Geflügel.
Automatisierte Systeme sollen, vor allem am Schlachthof, objektiv bewerten, möglichst alle Tiere einer Herde erfassen und den personellen Aufwand reduzieren. Insbesondere die Standardisierung der Schlachthofbefunde sei wichtig, sagte Frau Dr. Spindler gleich zu Beginn. Zwar sei die Betrachtung am Schlachthof immer retrospektiv, könne aber betriebsindividuelle Probleme aufzeigen, dazu beitragen die Situation dort zu verbessern und ermögliche außerdem den Vergleich mit anderen Betrieben.
Wünschenswert sei, dass visuelle Bewertungen durch Fachleute vergleichbare Ergebnisse zu kamerabasierten Systemen am Schlachthof liefern sowie valide und wiederholbare Ergebnisse produzieren. Eine regelmäßige Überprüfung der Technik (Verschmutzung, Lichtverhältnisse) sei deshalb unerlässlich.
Bei Masthühnern und Puten sei bereits ein kameragestütztes System zur Erfassung und Bewertung der Fußballengesundheit etabliert und seit einiger Zeit gäbe es auch Erfahrungen mit Fersenhöckerveränderungen bei Masthühnern (Hock Burn, HB).
Die sog. „Foot Pad Dermatitis (FPD)“ kommt bei Masthühnern und Puten sehr häufig vor. Viele große Schlachthöfe in Deutschland nutzen bereits ein Kamerasystem zur Bewertung und der QS-Leitfaden fordert dies sogar, ab einer Schlachtkapazität von 500 Tieren pro Stunde. Bei Puten ist GKP als Benchmarking-System etabliert.
Im Prinzip wird immer eine Referenzfläche, die den Fußballen repräsentieren soll, per Kamera erfasst und der prozentuale Anteil der Veränderungen nach verschiedenen Schweregraden bewertet. Von über 90% der Tiere einer Herde wird üblicherweise ein Fuß des Fußpaares bonitiert (erkennt das System den ersten Fuß nicht, weil er etwa schief eingehängt ist, weicht es auf den zweiten Fuß aus).
Das Projekt „AutoWohl“ hatte zum Ziel die vorhandenen Systeme zu validieren und zu optimieren. Dazu wurden die Ergebnisse der automatischen, mit denen der manuellen Beurteilung verglichen. Anschließend wurden Schwere und Tiefe der Läsionen histologisch ermittelt. Bei Puten gab es ca. 40% Abweichungen um eine, bei ca. 6% um mehr als eine Note.
Oft unterschätzte das System die Schweregrade, weil kleine, dunkle Veränderungen nicht erkannt wurden, was sich allerdings per Software-Anpassung minimieren lässt. Schwierig ist die genaue Abgrenzung des Mittelfußballens als Referenzfläche, die häufig als zu groß erfasst wird. Eine regelmäßige Validierung und Wartung des Systems sei deshalb unabdingbar, riet Birgit Spindler.
Die Histologie zeigte, dass bei Masthühnern ab Boniturnote 2 mit 57,5% die höchste Wahrscheinlichkeit eine Ulzeration zu finden vorlag. Ab Note 3 wurden nahezu 100% Ulzerationen gefunden. Bei den Puten hatten über 50% der mit 1 bonitierten Fußballen Geschwürbildungen, ab Note 2 waren es 100% (oftmals hochgradig).
„Hock Burn“ oder Kontaktdermatitis am Fersenhöcker kommt vor allem bei Masthühnern vor, mit Prävalenzen teilweise über 80%. Es gibt aktuell keine rechtlichen Vorgaben für die Erfassung und nur einzelne Schlachthöfe setzen ein automatisiertes Erkennungssystem zur ein. Bei der kameragestützten Bewertung werden auch bei HB veränderte, dunkle Stellen in Relation zu einem Referenzbereich des Fersenhöckers gesetzt. Mit einem 5-stufigen Score können mehr als 90% einer Herde erfasst werden.
Auch beim „Hock Burn“ sollten im Rahmen von „AutoWohl“ kameragestützte Systeme validiert und optimiert werden. Auch hier zeigten sich Unterschiede zwischen manueller und automatischer Erfassung, auch hier wurde der Referenzbereich teilweise sehr groß angesetzt und entsprechend niedrigere Prozentwerte an Läsionen registriert. Die manuell als schwerwiegend beurteilten Läsionen wurden auch histologisch als höhergradig eingestuft, aber auch optisch kleine Läsionen erwiesen sich bereits als Ulzerationen.
Bei Brusthautveränderungen der Pute liegt die Prävalenz in einem breiten Bereich zwischen 1,7% und 15,4 %. Hähne sind dabei öfter als Hennen von „Breast Buttons“ (nekrotischen Veränderungen der Brusthaut) und Brustblasen (flüssigkeitsgefüllte Umfangsvermehrungen) betroffen. „Breast Buttons“ kommen dabei wesentlich häufiger als Brustblasen vor.
Seit Anfang 2020 ist die Erfassung in Betrieben mit QS-Zertifikat Pflicht, allerdings gibt es bisher kein marktfähiges System zur automatischen Erfassung. Ein Prototyp Firma CLK erkannte zwar „Breast Buttons“ gut, lieferte aber bei Brustblasen noch keine befriedigenden Ergebnisse.
Ach zur automatischen Erfassung von Brustbeinschäden bei Legehennen existiert ein kameragestütztes System als Prototyp, dessen Zuverlässigkeit durch Beobachter-Abgleiche bestätigt werde konnte. Allerdings erkennt das System auch in diesem Fall i. d. R. weniger Schäden, als der Mensch.
Dr. Spindlers Fazit lautete, dass so am Schlachthof gewonnene Daten wertvolle Hinweise auf Tiergesundheit, Haltung und Management der jeweiligen Herde gäben, deren Rückmeldung an den Halter dann zu Verbesserungen beim Tierwohl beitrüge.
Beim Einsatz automatisierter Systeme am Schlachthof sollte deren Standort und die dortigen Lichtverhältnisse ein besonderes Augenmerk gelten. Regelmäßige Wartung und Kontrolle sowie ebenso regelmäßige Beurteiler-Abgleiche seien unabdingbar. Das gewählte Bonitur-Schema solle durch geschultes Personal dieselben Ergebnisse liefern.
Bei der Interpretation der Daten schließlich sei zu berücksichtigen, dass die System-Einstellungen betriebsindividuell vorgenommen werden können und so unterschiedliche Befundung zwischen Schlachthöfen vorkommen könnten. Für die Vergleichbarkeit zwischen Schlachthöfen sei eine Standardisierung der automatisierten Systeme daher zwingend erforderlich.