Inge Böhne, Fachtierärztin für Schweine, referierte in Hannover über die Isofluran-Betäubung von Ferkeln aus Sicht einer tierärztlichen Praxis. Ferkelerzeuger, die sich für diese Methode entschieden haben oder ihren Einsatz erwägen, sollten sich der Komplexität des Themas bewusst sein. Was im Einzelnen und vor allem zu beachten ist.
§ 2 der „Ferkelbetäubungssachkundeverordnung“ erlaubt es sachkundigen Personen die Betäubung von unter acht Tage alten Ferkeln bei der Kastration vorzunehmen. Anwärter müssen mindestens 18 Jahre alt, zuverlässig (in Niedersachsen ist ein Führungszeugnis erforderlich) und erfahren im Umgang mit Ferkeln sein, um für eine entsprechende Schulung zugelassen zu werden. Frau Böhne hob zusätzlich hervor, dass solide Kenntnisse der deutschen Sprache nötig seien, um den Schulungsinhalt zu verstehen.
Eine anerkannte Schulung besteht aus mindestens 12 Theoriestunden mit praktischer Unterweisung. Danach stehen eine schriftliche Multiple-Choice-Prüfung sowie eine mündliche Prüfung von anderthalb Stunden Dauer an (zwei Prüfer, davon ein Tierarzt).
Auf die bestandene Prüfung folgt eine Praxisphase mit Unterweisung durch einen Tierarzt/eine Tierärztin, die sich über 2 Monate erstreckt oder so lange, bis mindestens 200 Ferkel kastriert wurden. Die Verantwortung für die insgesamt fachgerechte Umsetzung der Kastrationen liegt während dieser Phase beim Tierarzt/der Tierärztin.
Im Anschluss an die Praxisphase steht eine praktische Prüfung (durch einen wirtschaftlich unabhängigen Tierarzt) an: Vorbereitung der Ferkel, Umgang mit den Geräten, Narkoseüberwachung, Reinigung und Desinfektion.
In der betrieblichen Praxis gilt dann im Rahmen der Dokumentationspflicht, die arbeitstägliche Aufzeichnung von Komplikationen bei der Narkose
– Wachzustände
– Störungen von Atmung, Herz-Kreislauf
– allergische Reaktionen
– Tod des Tieres während oder nach der Narkose
– Auslesen das Geräteaufzeichnungen (Anzahl und Datum der Anwendungen)
– Aufbewahrung für 3 Jahre
Im Rahmen der „Tierhalter-Arzneimittel-Anwendungs- und Nachweisverordnung“ müssen im Bestandbuch erfasst werden:
– Anzahl, Art und Identität der behandelten Tiere (Standort, sofern zur Identifikation erforderlich)
– Bezeichnung des angewendeten Arzneimittels
– Nummer des Anwendungs- und Abgabebelegs
– verabreichte Menge
– Datum
– Wartezeit
– Name des Anwenders
Für den eigentlichen Ablauf der Kastration unter Isofluran gilt u. a.:
– beim Aufbau des Inhalationsgerätes auf Umgebungstemperatur, Zu- und Abluft, Staubbelastung, Frischluftzufuhr (auch im Winter) achten
– Schmerzbehandlung mindestens 20 Minuten vor der geplanten Narkoseeinleitung
– Nach vorgegebener Inhalationszeit (70, besser 90 Sekunden) Narkosetiefe kontrollieren (bei festen Einleitungszeiten ggf. Ferkel entnehmen und neu einspannen)
– Reinigung und Desinfektion des Inhalationsgerätes (ebenso der Instrumente)
Die Referentin wies speziell darauf hin, dass Isofluran nur eine schwache analgetische Wirkung habe und deswegen eher die Gefahr zu flacher, als zu tiefer Narkose bestehe. Die Narkosetiefe reiche aus, wenn keine Reflexe und keine oder nur geringe Lautäußerungen und Abwehrbewegungen aufträten. Cornelia Schwennen habe allerdings schon 2015 eine Doktorarbeit an der TiHo vorgelegt, für die bei 1.156 Ferkeln die Narkosetiefe beobachtet wurde: nur 77% der Tiere zeigten hier eine ausreichende Narkosetiefe!
Nicht zuletzt müssen auch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz beachtet werden:
Isofluran reizt die Atemwege, z. B. beim Befüllen des Verdampfers, die Raumluftbelastung ist lüftungsabhängig. Isofluran darf nicht von schwangeren oder stillenden Frauen angewandt werden und Männer, die Kinder zeugen wollen, sollten nicht unbedingt über einen längeren Zeitraum mit Isofluran arbeiten.