Immunologie des neugeborenen Kalbes: Stress wirkt negativ #Expertise2021

Die trächtige Kuh programmiert das Kälberimmunsystem schon, wenn das Kalb noch im Uterus ist. Das Immunsystem reagiert allerdings sehr empfindlich auf Stress. Ist die Haltung der Kühe suboptimal, ist der Umgang mit ihnen ruppig, haben sie Verletzungen oder gehen sie lahm, verursacht all das Stress bei der Kuh, was wiederum negativ auf das Immunsystem wirkt. Stress schwächt somit das Immunsystem und in der Folge beeinflusst er auch das Kälberimmunsystem, denn Kuhstressoren ändern die Vorprogrammierung des Kälberimmunsystems und damit die Darmentwicklung des Kalbes. Hierzu referierte Prof. Dr. Hans-Joachim-Schuberth von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover kürzlich bei einer Online-Fortbildung.

Ein Beispiel für die negative Wirkung von Stress auf Kuh und Kalb ist Hitzestress. Die Zellen bilden sogenannte Hitze-Schock-Proteine. Diese verändern die Funktion der Immunzellen, in der Folge führt Hitze durch Veränderungen des Blutflusses zu einem durchlässigen Darm, „leaky gut“ genannt. Durch die Durchlässigkeit gelangen Endotoxine aus dem Darm ins Blut und führen im Körper zu entzündlichen Reaktionen, welche wiederum das Immunsystem dauerhaft belasten. Nicht von ungefähr steigen im Sommer die Mastitisfälle an. Die Folgen von Stress können sich über Monate bis Jahre im Körper halten, selbst das ungeborene Kalb kann schon Folgen vom Stress seiner Mutter erleiden.

Des Weiteren beeinflussen maternale Stressoren die Entstehung des Kolostrums, stören eine adäquate Darmentwicklung und hemmen die Aufnahme von Nährstoffen und bioaktiven Molekülen. Kälber werden mit einem nur teilweise programmierten Immunsystem geboren. Ihr Darmimmunsystem ist kaum ausgebildet, es kann sich erst durch den Schutz der maternalen Antikörper im Kolostrum ausbilden. Wichtig dabei ist, dass der Darm ca. 80 % aller Immunzellen beinhaltet, er ist damit das größte Immunsystem im Körper. Demnach hat auch die Ernährung großen Einfluss auf das Immunsystem. In den letzten Jahren ist das Mikrobiom im Darm, also die Gesamtvielfalt der Darmkeime, verstärkt in den wissenschaftlichen Fokus geraten. Die Darm-Gehirn-Achse wirkt über ungünstige Keime im Darm auf das Gehirn und die Gehirn-Darm-Achse wirkt über Stress auf den Darm. Eine vielfältige Keimzusammensetzung ist gut für das Immunsystem, eine Verschiebung der Keime in eine bestimmte Richtung schwächt das Immunsystem. Die Darm-Gehirn-Achse soll sich rasch entwickeln. Gutes Kolostrum hilft dabei.

Metaboliten des Darmmikrobioms steuern das Immunsystem in der Peripherie und letztlich auch die Impferfolge. Eine Schwächung des Immunsystems könnte ein Grund dafür sein, warum Impfungen manchmal nicht richtig wirken. Nur ein gesundes Immunsystem kann eine Impfantwort produzieren. Hat es bereits mit anderen Infektionen zu tun, kann es auf die Impfung nicht so reagieren wie erwünscht. Impfungen trainieren das angeborene Immunsystem von Neugeborenen. Aber auch die Muttertiervakzination kann zur immunologischen Programmierung der Kälber beitragen.

Quelle: „Expertise 2021 – Konferenz von MSD Tiergesundheit“, Abstract Book

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