LeakyCow: Wenn die Hitze den Darm angreift

Wärmebild: Christiane Hansen Die Hitze beeinträchtigt bei den Milchkühen erheblich das Wohlbefinden. Auf Bildern mit der Thermokamera bei 15 und 28 Grad ist zu sehen, welche Körperstellen besonders betroffen sind.

Kühe leiden unter hohen Sommertemperaturen – Am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie wird mit Hochdruck nach Lösungen gesucht

Die Gesundheit des Verdauungstraktes spielt eine Schlüsselrolle für das Wohlbefinden von Milchkühen. Sind sie zu starker Hitze ausgesetzt, kann es zu einer krankhaften Durchlässigkeit der Darmwand kommen, dem sogenannten „leaky gut syndrome“ (Löchriges-Darm-Syndrom). Aber wie können die Tiere in Zeiten des Klimawandels besser geschützt werden? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN) suchen im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes „LeakyCow“ mit Hochdruck nach Lösungen für eine bessere Darmgesundheit bei Milchkühen.

Vor vier Jahren konnten Forschende am FBN erstmalig belegen, dass hohe Umgebungstemperaturen bei Milchkühen direkt zur Beeinflussung der natürlichen Darmbarriere führen können. Eine durch Hitze geschädigte Schutzbarriere des Darms gibt den Weg frei für Bakterien und weitere Krankheitserreger, die vermehrt und möglicherweise auch tiefer in die Schichten des Darms eindringen können. Ähnliche Prozesse einer gestörten Darmbarriere gibt es auch beim Menschen, unter anderem bei den Krankheitsbildern Zöliakie oder Morbus Crohn.

Dr. Franziska Koch sucht nach Lösungen, um den Hitzestress bei Milchkühen zu reduzieren, hier mit der Technischen Mitarbeiterin Tanja Lenke (re.) im Forschungsstall. Leibnitz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN) Foto: Thomas Häntzschel / nordlicht www.fotoagenturnordlicht.de

Negative Auswirkungen schon ab 15 Grad möglich
Hitzewellen und extreme Wetterphänomene werden in den nächsten Jahrzehnten als Folge des Klimawandels weiter zunehmen. Dieser Wandel stellt die Landwirtschaft sowie ihre Tiere gleichermaßen vor gesundheitliche und wirtschaftliche Herausforderungen. Bereits ab einer Umgebungstemperatur von etwa 15 °C und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit und sich dem daraus abzuleitenden Temperatur-Luftfeuchtigkeitsindex (THI) zeigen sich bei Milchkühen die ersten Anzeichen einer Hitzebelastung. Neben verkürzten Liegezeiten und einer geringeren Futteraufnahme kommt es zu einer schnelleren Atmung und höheren Herzfrequenz. Steigt die Umgebungstemperatur noch weiter, erhöht sich die Körpertemperatur und die Tiere fangen an zu hecheln. Infolgedessen verlieren sie große Mengen an Flüssigkeit und Mineralstoffen und produzieren weniger Milch.

Relativ neu und noch nicht ausreichend ergründet sind die möglichen Auswirkungen auf die Darmgesundheit. Um die Wärme von der Körperoberfläche abzuleiten, verringert sich die Durchblutung des Darms von Milchkühen. Die Darmwand wird dann durchlässig, was unterschwellige Entzündungsreaktion im Darm und in den angrenzenden Lymphknoten zur Folge haben kann. Vor allem das Immunsystem der Kühe beansprucht einen Großteil der Energie, um gegen die Auswirkungen des „leaky gut syndrome“, der krankhaften Durchlässigkeit der Darmwand, anzukämpfen.

Erstaunliche Strategien gegen die Hitze
Am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) untersucht ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Dr. Franziska Koch vom Institut für Ernährungsphysiologie „Oskar Keller“ die Auswirkungen des „leaky gut syndrome“ nun näher, um neue Lösungsansätze für Fütterungs- und Haltungsbedingungen bei Auftreten von Hitzeperioden zu entwickeln. Diese sollen vor allem der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Kühe dienen, aber auch den wirtschaftlichen Ausfällen durch die geringere Milchleistung entgegenwirken.

Um den Einfluss von kurzzeitigem und langanhaltendem Hitzestress auf die Immunabwehr, die Durchlässigkeit des Darms und der Besiedlung der Darmschleimhaut zu untersuchen, wurden am FBN Milchkühe verschiedenen Umgebungstemperaturen ausgesetzt. Während es der Kontrollgruppe bei einer Umgebung von 15 °C gut ging, wurde eine andere Gruppe von Tieren im Klimaraum Temperaturen von 28 °C ausgesetzt. „Dabei haben erste Ergebnisse erstaunliches hervorgebracht“, betonte Projektleiterin Dr. Franziska Koch. „Es konnte aufgezeigt werden, dass hitzegestresste Tiere keine Fettreserven nutzen, um den Energiemangel auszugleichen. Dagegen bauen Kühe unter Hitzestress körpereigene Proteine zur Energiegewinnung ab. Das sorgt dafür, dass weniger Wärme beim Abbau von Nährstoffen erzeugt und es der Kuh nicht zusätzlich wärmer wird“, so die Biologin.
Unter Einsatz von Thermokameras konnte in Zusammenarbeit mit Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV zudem nachgewiesen werden, dass das Euter die heißeste Stelle des Körpers ist, von hier aus viel Wärme abgegeben werden kann und das Risiko für eine Euterentzündung steigt.

Ausblick: Konkrete Ergebnisse im kommenden Jahr
„Der Hitzestress beeinträchtigt das Tierwohl erheblich. Es ist deshalb wichtig, die grundlegenden Mechanismen unter Hitzestress zu verstehen, um praxistaugliche Lösungsansätze für die Nutztierhaltung zu entwickeln“, unterstrich Dr. Franziska Koch. „So stellt eine Abkühlung mit der knappen Ressource Wasser nicht überall eine sinnvolle Alternative dar, währenddessen der Einbau von Ventilatoren in den Stallanlagen eine sinnvolle Investition wäre, die aber mit hohen Energie- und Investitionskosten verbunden wäre.“

Mit Abschluss des Forschungsprojektes „LeakyCow“ im kommenden Jahr sollen erste konkrete Vorschläge für ein verbessertes Hitzestressmanagement für Milchkühe vorgelegt werden.

Quelle: Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN)

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