Welche Rolle spielen Wälder als Lebensraum für Honigbienen? Dieser Frage ist ein Team um den Würzburger Biologen Dr. Benjamin Rutschmann nachgegangen. Dazu nutzten die Forscher Beobachtungsstöcke im Steigerwald.
Bienen verbindet man gemeinhin eher mit blühenden Wiesen als mit dichten Wäldern. Der Wald allerdings gilt als ursprünglicher Lebensraum der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera), da er Nistplätze in Form von Baumhöhlen bietet. Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) haben nun untersucht, inwieweit wirtschaftlich genutzte Laubwälder als Nahrungshabitat für die emsigen Insekten geeignet sind.
Zu diesem Zweck nutzten Benjamin Rutschmann und Patrick Kohl zwölf Beobachtungsstöcke im Steigerwald – der jeweilige Waldanteil variierte dabei für jedes Bienenvolk. Die beiden Wissenschaftler forschen an der JMU am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie (Zoologie III), den Professor Ingolf Steffan-Dewenter leitet. Letzterer war ebenfalls an der Studie beteiligt, die nun im Journal of Applied Ecology erschienen ist.
Die Antworten stecken im Tanz
Honigbienen kommunizieren durch den sogenannten Schwänzeltanz. Insgesamt 2022 dieser Darbietungen filmte und analysierte das Team im Verlauf der Studie. Weil die Bienen ihren Artgenossinnen bei diesen Tänzen auch den ungefähren Standort einer Futterquelle mitteilen, konnten so Rückschlüsse auf Sammeldistanzen und Habitatpräferenzen gezogen werden. Das überraschende Ergebnis: Die Bienen nutzen den Wald weit weniger als erwartet. Völker, die tief im Wald lebten, mussten oft weite Strecken zur Nahrungsbeschaffung zurücklegen.
„Speziell im Spätsommer war die Versorgung mit Pollen im Wald nicht oder nur unzureichend gewährleistet, obwohl gerade dies eine kritische Zeit für die Bienenvölker und ihre Brut ist“, so Rutschmann. Einer der Hauptgründe dafür sei die Buche, die im Steigerwald mehr als 40 Prozent des Baumbestands ausmacht: „Buchenwälder sind dunkel, da wächst nicht viel am Boden. Kaum eine Pflanze kommt nach dem Kronenschluss mit den Lichtverhältnissen in Buchenwäldern klar, also fehlt die so wichtige diverse Krautschicht“, so der Biologe.
Die Bienen brauchen diversere Wälder
Honigtautrachten oder blühenden Baumarten, etwa Linde, Robinie und Kastanie oder auch Sträucher wie Brom- und Himbeere bieten den Bienen zwar während kurzer Zeiträume im Jahr eine wichtige Kohlenhydratquelle und teilweise auch Pollen als Proteinquelle; die Bienen brauchen allerdings über die ganze Saison ein ausgewogenes Futterangebot. „Für ein bienenfreundlicheres Umfeld sollten Waldbestände mit insektenbestäubten Bäumen – Kirsche, Linde, Ahorn, Weide, Ross- oder Edelkastanie – diversifiziert werden“, rät Rutschmann. Sekundäre Sukzessionen, also die natürliche Rückkehr der für einen Standort typischen Flora und Fauna, in Waldlücken zuzulassen, könnten dabei helfen.
Als wäre die mangelnde Nahrung nicht schon Problem genug, kommt für wildlebende Honigbienenvölker in bewirtschafteten Wäldern noch das geringe Angebot an Baumhöhlen erschwerend hinzu.
In einem möglichen nächsten Schritt könnte der Vergleich zu anderen europäischen Waldgebieten mit abweichender Baumartenzusammensetzung und Bewirtschaftung untersucht werden. Mehr natürliche Störungen und weniger Optimierung für wirtschaftliche Zwecke dürften nicht nur die Blütenvielfalt im Wald erhöhen, sondern auch die Überlebenschancen wildlebender Bienenvölker verbessern.
Nicht nur Honigbienen profitieren
Die Honigbiene braucht also einen diverseren Wald als Lebensraum. Einmal etabliert, trägt sie im Gegenzug auch maßgeblich zum Erhalt der Biodiversität bei. Die überwältigende Mehrheit der Pflanzen ist nämlich auf Fremdbestäubung angewiesen. Die Honigbiene wiederum gehört, neben zahlreichen anderen Wildbienenarten, zu den wichtigsten Bestäubern.
Von einem diverseren Wald profitiert nicht nur die Biene, sondern letztlich auch der Wald selbst – ein diverses Ökosystem ist ein gesundes Ökosystem und weniger anfällig für Schädlingsbefall. „Der Umbau der Wälder zu artenreichen Laubmischwäldern fördert nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Anpassung an künftige Klimabedingungen“ betont Ingolf Steffan-Dewenter.
Die Forschung und Ursachensuche zum globalen und regionalen Rückgang der biologischen Vielfalt ist ein Kernbereich des Lehrstuhls Zoologie III. Die Arbeit mit Insekten bildet hierbei einen besonderen Schwerpunkt.
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Zuerst erschienen im E-Magazn „Der Hoftierarzt“ 2-2023