Ganzjährige Rinder- und Pferdehaltung auf Naturschutzflächen – #TiHo-Tierschutztagung 2023

Bild von Frank Winkler auf Pixabay

Im Frühjahr 2023 erlangte ein NABU-Weideprojekt mit Heckrindern in Ostfriesland traurige Berühmtheit, als dort Rinder und Kälber verendeten und eklatante Verstöße gegen Haltungsverordnungen und Tierschutz festgestellt wurden. Schon 2020 waren im Speicherkoog Konik-Pferde in NABU-Obhut verhungert. 2018 starben Wasserbüffel an Erschöpfung in einem Wasserloch, wie auch 2013, als bei einem Hochwasser auf den Elsholzwiesen Konikpferde und Taurusrinder ertranken. Wer glaubt Tiere auf großen Flächen aussetzen zu können und dann „der Natur ihren Lauf lässt“, lernt eben höchstens deren grausame Seite kennen.

Gerd Kämmer, Biologe und Vorstandsvorsitzender der Bunde Wischen eG, erläuterte in seinem Vortrag anlässlich der diesjährigen Tierschutztagung in Hannover, dass und wie die „Wilde Weide“ funktionieren kann.

Bunde Wischen hält auf sechs Flächen mit zusammen 1.700 ha insgesamt 1.000 Rinder und 80 Koniks, für deren Betreuung 14 Vollzeit-Arbeitskräfte zuständig sind. Zum Konzept der naturschutz-orientierten Beweidung gehörten Großflächigkeit, ganzjährige Beweidung und – je nach Flächenproduktivität – eine Besatzdichte zwischen 0,2 und 0,5 GV/ha. Die Tiere hätten Zugang zu allen Strukturen, wie Knicks, Wälder und Gewässer, führte Kämmer aus.

Bei der Betreuung sei möglichst stressarmes Handling oberstes Ziel: von der Ohrmarke über Blutproben bis zur Schlachtung. Die Kennzeichnung der flinken Kälber stelle auf großen Flächen eine echte Herausforderung dar – auch wegen aggressiver Mutterkühe. Deswegen würden die Kälber in den ersten Lebenstagen per Blasrohr betäubt und dann relativ problemlos markiert.

Bei der Zufütterung gelte das Prinzip: klotzen nicht kleckern, damit auch rangniedere Tiere genügen Futter abbekommen. Beim Witterungsschutz seien dreiseitig geschlossene Unterstände nicht die Lösung, weil höchstens ranghohe Tiere sie benutzten. Wenn die Fläche keinen natürlichen Windschutz biete, sei sie eben ungeeignet für ein Weideprojekt.

Blutproben werden in einer Fanganlage genommen welche die Tiere gut kennen, weil sich dort frostsichere Tränken und Mineralleckeimer befinden. Das „Einsammeln“ von Pferden sei recht einfach, wenn die Leitstute menschlichen Kontakt gewohnt ist. Da sich Rinder auf großen Flächen aber schnell in kleine Gruppen aufteilen, sei es schon schwieriger diese zusammen zu treiben.

Zum Herdenmanagement gehöre auch, weibliche Tiere rechtzeitig von den männlichen zu trennen, damit es keine Geburten im Winter gibt und auch der Inzucht müsse durch Austausch der männlichen Tiere entgegengewirkt werden. Rinder-Schlachtungen schließlich fänden per Kugelschuss in einer speziell konzipierten Fanganlage statt, die für alle Tiere zur bekannten Umgebung gehöre.

Auch bei Bunde Wischen verenden Tiere. Von 2016 bis 2018 starben 38 ältere Rinder und 19 unmarkierte Kälber bei oder kurz nach der Geburt. Bei rund 1.000 Rindern ergibt sich so eine jährliche Verlustrate von nur 1,9%. Damit diese so niedrig bleibt, wäre dem Projekt für die Zukunft ein geeignetes Wolfsmanagement zu wünschen, da so große Flächen natürlich niemals eingezäunt werden können.

Allen die sich umfassend mit dem Thema befassen wollen, seien die neuen „Leitlinien für die tiergerechte ganzjährige Weidehaltung von Rindern und Pferden auf Naturschutzflächen“ wärmstens empfohlen (hier zum Download).