Tiere werden nicht selten mehrere Stunden transportiert – aus Kostengründen oder weil es logistisch durch die Zentralisierung der Schlachthöfe nicht anders möglich ist. In dieser Zeit empfinden sie Stress – eine Tatsache, die viele Landwirte für ihre Tiere nicht mehr hinnehmen möchten. Ein Trend, der sich gerade herausbildet, ist daher das mobile, hofnahe Schlachten. Es trägt nicht nur zu mehr Tierwohl bei, sondern auch zu größerer Regionalität, denn immer mehr Verbraucher:innen möchten wissen, woher das von ihnen konsumierte Fleisch stammt.
Prof. Dr. Ahmad Hamedy und Dr. Philipp Rolzhäuser vom Institut für Lebensmittelhygiene der Universität Leipzig leiten die Studie „Hofnahe Schlachtung im Dialog“, in dem sie Tierschutz, Hygiene und Vorgehensweisen bei der mobilen Schlachtung untersuchen. Auch beim Leipziger Tierärztekongress vom 18. bis 20. Januar 2024 wird dieses Thema eine Rolle spielen.
Die Forschenden der Veterinärmedizinischen Fakultät untersuchen in ihrem im Juli 2022 gestarteten Projekt unter anderem die Cortisolkonzentration in Blut, Speichel und Muskulatur der toten Tiere, um deren Stresslevel kurz vor der Schlachtung festzustellen und um die Qualität des Fleisches besser beurteilen zu können. „Unser Ziel ist ein Wissenstransfer in die Praxis. Wir planen beispielsweise einen E-Learning-Kurs für Tierärzte, Fleischer und Landwirte, in dem wir ihnen die rechtlichen Grundlagen und den Ablauf der mobilen Schlachtung erklären“, berichtet Rolzhäuser. Bei dieser Art der Schlachtung wird das Tier auf dem Hof betäubt, entblutet und anschließend zum Schlachthof gebracht. Diesen Prozess muss immer ein amtlicher Tierarzt/in überwachen, was angesichts des zunehmenden Personalnotstandes in den Veterinärämtern und der vergleichsweise geringen Vergütung für diese Tätigkeit immer stärker zum Problem wird. Auch die Kosten für eine mobile Schlachtung seiner Tiere können für den Landwirt höher als bei längeren Transporten zum Schlachthof sein. Hinzu kommt der bürokratische Aufwand für die Zulassung einer mobilen Schlachtung, der je nach Bundesland variiert.
Dennoch, so sagen Hamedy und Rolzhäuser, ist die mobile Schlachtung vor allem bei Rindern auf dem Vormarsch – in erster Linie aus Gründen des Tierschutzes. Ein Großteil der Schweine und Rinder werde aber immer noch zum Schlachthof transportiert und dort geschachtet. In Schweden beispielsweise ist eine vollmobile Schlachtung, bei der alle Schlachtschritte bei den toten Tieren noch auf dem Hof durchgeführt werden, viel stärker verbreitet als in Deutschland. Rolzhäuser und Hamedy arbeiten daran, dass diese Art der Schlachtung auch in Deutschland vorankommt. In Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro in Thüringen entwickeln sie gerade einen mobilen Schlachthof für verschiedene Tierarten, den es so in Deutschland noch nicht gibt. Diese wäre vor allem für Regionen interessant, in denen es wenig Schlachthöfe gibt und die Tiere deswegen lange Transportwege zurücklegen müssen.
Prof. Hamedy macht sich für eine Kennzeichnung des Fleisches im Handel auch nach der Art der Schlachtung stark. „Viele Verbraucher denken, dass Tiere aus Bio-Höfen tierschutzgerechter geschlachtet werden als andere, aber das stimmt nicht“, erklärt er. Auch die Art der Betäubung sei mit Blick auf das Tierwohl von Belang. .
Rolzhäuser und Hamedy werden im Rahmen eines Forschungsprojekt im nächsten Jahr eine App entwickeln, die die mobile Schlachtung erleichtern soll, etwa durch vereinfachte Absprachen zwischen Tierärzten, Landwirten und Fleischern. „Dann muss künftig die Tierärztin oder der Tierarzt bei der Schlachttieruntersuchung gegebenenfalls nicht mehr unbedingt vor Ort sein. “, berichtet Dr. Rolzhäuser. Beide Forscher setzen sich auch für eine tierschutzgerechte Betäubung der Schlachttiere ein, etwa durch Optimierungen am Fangstand oder der Betäubungsbox.
Auf der Fachmesse vetexpo, die den Leipziger Tierärztekongress begleitet, stellt unter anderem eine Firma eine mobile Komplettlösung für eine tierfreundlichere Hofschlachtung vor.
Quelle: Universität Leipzig