Wie viel Restmilch darf im Euter bleiben?

Von Dr. Dirk Hömberg, Spezialberater für Melktechnik und Eutergesundheit, Münster

Nach dem Melken kann sich auch in den Eutern heutiger Hochleistungskühe noch kritisch viel Restmilch befinden. Doch bleibt nach dem Melken zu viel Milch im Euter, werden Milchleistung und Eutergesundheit beeinträchtigt. Warum ist das so und wie lässt sich zu viel Restmilch verhindern?

Darüber, wie leer die Euter nach dem Melken sein müssen, scheiden sich die Geister. Während viele Landwirte auf Grund ihrer Erfahrung bestrebt sind, die Euter möglichst vollständig auszumelken, sehen Berufskollegen sowie einige Vertreter von Melktechnikindustrie und Beratung das entspannter. Sie argumentieren, dass es völlig normal sei, wenn sich nach dem Melken noch Milch in den Eutern befindet. Und schädlich sei „das bisschen Rest­milch“ auch nicht, weil es ja beim nächsten Melken heraus käme. Wer hat da nun Recht?

Ehe man diese Frage beantworten kann, muss man erst einmal klären, wo und warum sich nach der Abnahme der Melkzeuge noch Milch im Euter befindet und welche Auswirkungen sie auf das Eutergewebe hat.

Nachgemelke gibt es nach wie vor
Wohl jedermann bekannt sind die klassischen Nachgemelke. Dabei handelt es sich um „lose Restmilch“, die sich gegen Ende des Melkens in den Hohlräumen des Euters (Zisternen) ansammelt. Sie kann nur durch Hinunterdrücken der Melkzeuge gewonnen werden.

Da das zeitraubend und anstrengend ist, glauben es viele Milchviehhalter nur zu gerne, wenn man ihnen sagt, dass die Nachgemelke „moderner Hochleistungskühe“ vernachlässigbar gering seien. Umfangreichen Erhebungen der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden aus dem Jahre 2006 zufolge trifft diese Aussage jedoch nur bei Kühen mit kompakten, gesunden Eutern zu. Hier belaufen sich die Nachgemelkmengen tatsächlich meist nur auf 100 bis 200 g. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn die Euter groß und faltig sind, wie es bei alten Kühen und fleischbetonten Rassen üblich ist. Solche Euter weisen Nachgemelke von bis zu 1 kg und mehr auf. In Einzelfällen, z.B. bei durch Mastitis geschädigtem Eutergewebe muss man sogar mit bis zu über 2 kg loser Restmilch rechnen.

Weiterhin zeigten die sächsischen Studien, dass Verteilung und Höhe der Nachgemelke kaum anders waren als 16 Jahre zuvor. So wurde bei über 4.000 Kühen ein durchschnittliches Nachgemelk von 370 g ermittelt. Dabei enthielten 38 % der Euter mehr als 500 g lose Restmilch. In knapp der Hälfte dieser Fälle lag das Nachgemelk sogar zwischen 1 und 2 kg. Ähnliches geben andere Forscher mit Durchschnittswerten von meist 300 bis 500 g und einer Spannweite von 0 bis 1,5 kg an.


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