Nachhaltige Nutzung lebender Wildfischressourcen ist möglich, dafür müssen aber Einschränkungen eingehalten werden
Viele Fischbestände im Nordostatlantik waren am Ende des 20. Jahrhunderts durch Überkapazitäten in der Fischerei und unregulierten Fang in einem sehr schlechten Zustand. Während der letzten Jahre mehrten sich jedoch positive Meldungen – zahlreiche Fischbestände zeigen wieder Aufwärtstrends. Eine aktuelle Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and the Environment erschienen ist, legt nahe, dass dazu maßgeblich Fortschritte in der Fischereipolitik beigetragen haben, besonders im Zuge der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU.
Dass sich die Politik seit den frühen 2000er-Jahren strikter als zuvor an wissenschaftlichen Vorgaben orientiert hat, war für diese Entwicklung zentral. Fangraten wurden gesenkt und in Folge erholten sich einige Bestände, z.B. jener der Scholle in der Nordsee, überaus schnell. Die Daten zeigen aber auch, dass es immer noch Bestände gibt, die zu stark befischt und damit nicht nachhaltig genutzt werden. Das bedeutet: Die Fischereiverwaltungen müssen noch konsequenter handeln, um die Ziele der GFP mittelfristig zu erreichen. Doch die Politik ist nicht die einzige Stellschraube, so die beiden Autoren Fabian Zimmermann vom Institut für Meeresforschung in Norwegen und Karl-Michael Werner vom Thünen-Institut für Seefischerei in Bremerhaven. Bestände mit einer raschen Erholung würden oft auch von vorteilhaften Umweltbedingungen profitieren. Entsprechend können nachteilige klimatische oder ökologische Effekte den politischen Vorgaben zum Wiederaufbau von Beständen im Wege stehen.
Ein zentrales Thema der Studie war deshalb die Frage: Was übt einen stärkeren Einfluss auf kommerziell genutzte Fischbestände aus, natürliche Produktivitätsschwankungen oder die direkte Belastung durch die Fischerei? Ein seit Jahrzehnten von Meeres- und Fischereibiologen auf der ganzen Welt diskutiertes Thema! Die vorliegende Arbeit zeigt, dass es die Reduktionen der Fischfangraten sind, die fundamental für die Erholung auf großflächiger Ebene waren. Die Daten lassen diese Schlussfolgerung zu, da die umweltgetriebene Nachwuchsproduktion während der letzten 15 Jahre großflächig betrachtet unterdurchschnittlich war, der Bestandsanstieg also aus gesenktem Fischereidruck resultieren musste.
Die Ergebnisse belegen, dass eine nachhaltigere Nutzung der nordostatlantischen Fischbestände durch die verbesserte Fischereipolitik in der EU in Gang gesetzt wurde, namentlich das klare Bekenntnis zum Vorsorgeprinzip und dem Ziel maximaler nachhaltiger Erträge in der Fischereiverwaltung. Die beiden Forscher argumentieren aber, dass diese Verbesserungen nur dann langfristig Früchte tragen, wenn die Bemühungen auch weiterhin nicht nachlassen, Meeresressourcen nachhaltig und mit Weitsicht zu nutzen. Die im Rahmen der GFP gesteckten Ziele sind noch keineswegs vollständig erreicht, und ein Rückfall in alte Muster könne den ökologischen und wirtschaftlichen Fortschritt jederzeit wieder untergraben.
Gerade deshalb ist es langfristig auch die Aufgabe eines nachhaltigen Fischereimanagements, bevorstehende Umweltveränderungen, etwa ausgelöst durch den Klimawandel oder die Ozeanversauerung, zu berücksichtigen. Diese Effekte sind divers und erfordern wissenschaftlich fundierte, fallspezifische Antworten. Karl-Michael Werner: „Man kann zum Beispiel erkennen, dass nördliche Bestände, wie in der Barentssee oder um Island, von der Klimaerwärmung tendenziell profitieren, während Bestände in Nord- und Ostsee mit den steigenden Temperaturen zu kämpfen haben.“ Das gelte etwa für Kabeljau oder Hering, die sich dort an der Obergrenze der für sie verträglichen Temperaturen bewegen und durch wärmeliebendere Arten aus südlicheren Gewässern zunehmend unter Druck geraten könnten. Veränderungen in den Ausbreitungsgebieten verschiedener Arten, wie dem des Europäischen Seehechts, der anderen Grundfischarten in der Nordsee langfristig stark Konkurrenz machen könnte, müssen darum mit großer Sorgfalt berücksichtigt werden.
Die Autoren der Studie betonen, dass bei vorhandenem politischem Willen Fischbestände tatsächlich nachhaltig bewirtschaftet werden können und dies sehr rasch positive Auswirkungen zeitigt. Veränderungen in der Umwelt blieben dabei aber ein Unsicherheitsfaktor. Eine vorbeugende, auf klaren wissenschaftlichen Vorgaben abgestützte Fischereipolitik sei deshalb das Gebot der Zukunft.
Quelle: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei