Gastkommentar von Franz Straßer, Landwirt und Bauunternehmer aus Bayern zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern

„Wir alle wollen doch in einer halbwegs normalen Welt in gesunder Umgebung mit gesunden Nahrungsmitteln leben. Unseren Kindern wünschen wir, dass diese auch noch in einer gesunden Umwelt leben können, und der Planet Erde eine Zukunft hat. Umso wichtiger erscheint es mir, dass unsere Generation etwas für den Erhalt unserer Umwelt tut. Dies fängt auf regionaler Ebene an! Sie wollen sich gesund und nachhaltig ernähren: Kaufen Sie regional und saisonal ein! So verhindern Sie, dass schwerölbetriebene Containerfrachter große Mengen an Lebensmitteln durch die ganze Welt schippern… Der Bauer vor Ort fährt sein Fleisch, Obst und Gemüse vielleicht nur ein paar Kilometer.

Rettet die Bienen? In Bayern ist das gerade sehr in. Im Werbeflyer fürs Volksbegehren steht z.B. 54 % aller Bienen wären bedroht oder bereits ausgestorben. Welches Insekt, oder welche Tierart ist denn eigentlich nicht bedroht? Sie wollen den Bienen wirklich helfen? Dann tun Sie das doch auch. Aber doch nicht, indem Sie mit dem Auto zu Ihrem Gemeindehaus fahren und dort irgendwas unterschreiben, wovon Sie sich nicht über die schweren Folgen im Klaren sind. Egal, ob Sie in der Wohnung oder im eigenen Haus leben, haben Sie schon mal daran gedacht, wie viele Bauerngärten und Balkone mit hoher Pflanzenvielfalt es vielleicht vor 30 Jahren noch gab in Ihrem Landkreis, und jetzt?

Während in der Landwirtschaft die Artenvielfalt seit Jahren wieder immer mehr zunimmt (durch Blumenwiesen, vielseitige Zwischenfrüchte welche auf abgeerntete Felder gesät werden, neue Nutzpflanzen, Fruchtfolgewechsel, Wildmischungen usw…) kann man von unseren Privatgärten eher nur gegenteiliges behaupten. Keine Balkonpflanzen mehr werden gegossen, Mähroboter verhindern, dass nicht doch noch ein Gänseblümchen in die Höhe kommt. Nur noch pflegeleichte Gewächse als Hecken. Heimische Obstbäume in den vielen Neubausiedlungen sind ebenfalls fehl am Platz. Macht ja alles Arbeit. Lieber ein Steingarten und ein exotisches Gewächs in einem Topf am Eingang. Am besten irgendwas, was mit wenig Wasser auskommt, weil dann auch keiner gießen braucht, wenn wir zweimal im Jahr in Urlaub fliegen. Blüten wollen wir auch nicht, wegen dem Blütenstaub vorm Haus und an den Fenstern. Nicht zu vergessen die Allergien.

Wussten Sie, wie sehr Sie der Umwelt langfristig schaden können, wenn Sie als Bienenretter unterschreiben gehen…? Ganz einfach: Es wird hier mehr Ökolandwirtschaft gefordert, was bedeutet, dass weniger Lebensmittel auf unseren Feldern produziert werden können, weil die Erträge durch weniger Pflanzenschutz und weniger Dünger erheblich geringer ausfallen. Wegen Flächenknappheit z.B. durch Flächenversiegelung und Mindererträgen werden diese ökologisch bewirtschafteten Wiesen und Felder dann vielleicht sogar ganz bis an den Rand gemäht, weil Biosepp (Name ist frei erfunden) ohnehin knapp dran ist mit dem Futter. Aus wirtschaftlichen Gründen kann er aber nicht abstocken, weil viele Unkosten dieselben sind, egal ob er 55 oder 45 Kühe melkt. Auch wenn er ein paar ct. mehr pro Liter Milch bekommt bringt ihm das nichts, weil seine Kühe ohnehin nicht die Milchleistung seiner konventionellen Berufskollegen bringen, welche die Tiere etwas intensiver füttern und somit mehr Milch abliefern können. Trotzdem verzehren die Kühe vom Biosepp dieselbe Futtermenge als die von konventionell wirtschaftenden Betrieben. Auf dem Acker werden vielleicht nur weniger artenreiche Zwischenfrüchte gesät, und am besten welche, die nicht blühen, weil sonst könnten diese absamen und das wäre dann Unkraut in der Folgefrucht. Das kann keiner in der Folgefrucht brauchen, vor allem dann nicht, wenn auf chemischen Pflanzenschutz ganz verzichtet wird. Alternative wäre mechanischer Pflanzenschutz entweder durch zahlreiche Erntehelfer oder durch oftmaliges striegeln, was sicherlich nicht ökologisch sinnvoll ist. Feldränder wo jetzt Blumen wachsen werden dann wie Straßenränder bei Kommunen regelmäßig gemäht oder gemulcht, sonst könnte Unkraut absamen, welche dann wie vorher schon beschrieben eine Konkurrenz zur Kulturpflanze darstellt. Durch die geringeren Erträge in der Ökolandwirtschaft fehlen uns bei steigender Bevölkerungszahl die regionalen Lebensmittel. Diese Lebensmittel die uns fehlen, (weil zu viele uninformierte selbsternannte Naturschützer etwas unterschrieben haben, was der Umwelt mehr Schaden als Nutzen zufügt) müssen dann aus dem Ausland importiert werden, weil wir schon gewohnt sind, jedes Lebensmittel zu jeder Jahreszeit verzehren zu können. Abgepackt in Plastikmüll und am besten vorher noch begast greifen wir ganz unbedacht im Supermarkt zur Gurke aus Italien, zur spanischen Tomate oder zum argentinischen Rindfleisch (aus Feedlots / das ist Massentierhaltung nicht aus Weidehaltung wie viele glauben). Damit dann ein mit Biosiegel versehenes Produkt keinen Kontakt zu konventioneller Ware hat, wird sogar jede Frucht einzeln noch eingeschweißt (in Plastikmüll). Beim Transport erst vom Gewächshaus oder der Plantage zum Handel, von dort zur Abpackfabrik, von dort zum Hafen, dann aufs Schiff usw… Bis es über einen Importeuer und zwei Zwischenhändlern bei uns im Regal landet wird wundersamer Weise auch sehr viel Kraftstoff verbraucht. Es entstehen Emissionen… und es entsteht Feinstaub! Wissen Sie wie oft ihre Produkte aus dem Ausland chemisch behandelt werden? Wissen Sie ob wirklich Bio drin ist, oder nicht einfach umdeklariert wurde? Ein Stempel oder ein Aufkleber vielleicht?

Wussten Sie, dass wir alle durch unser Verhalten, durch die Industrialisierung und vor allem durch unseren Wohlstand der Umwelt bereits so zugesetzt haben, dass unsere Pflanzenwelt durch Luft, sauren Regen usw. nicht mehr so gesund ist wie früher. Wussten Sie, dass bestimmte Getreidearten bei ungünstigem Wetter gegen Pilzkrankheiten mit Pflanzenschutzmitteln geschützt werden müssen, damit keine Mykotoxine in unsere Lebensmittel gelangen, welche z.B. für Säuglinge und immunschwache Menschen extrem gefährlich sind. Wissen Sie, dass zahlreiche Studien ergeben haben, dass Kinder auf dem Land, die regelmäßig mit Stallluft in Kontakt kommen, weniger anfällig für Allergien und Asthma sind als Kinder, die in der Großstadt aufwachsen? Wissen Sie, wie viel Bayerns Bauern jetzt schon für die Bienen und den Erhalt unserer Kulturlandschaft tun? Wissen Sie wie viele Kontrollen unsere Lebensmittel aus regionaler Produktion durchlaufen und wie viele ernstzunehmende Kontrollen die importierten Waren…? Wissen wir wie hoch die Nitratbelastung in Deutschland wirklich ist und wie viel davon wirklich von der Landwirtschaft kommt? Wissen wir, ob der alte Abwasserkanal in Ihrer Straße und unter Ihrem Haus noch annähernd dicht ist? Wissen wir, warum unsere Landeshauptstadt das Trinkwasser aus dem Mangfalltal und Loisachtal bezieht und nur ausnahmsweise das Wasser vom eigenen Ort? Wissen wir eigentlich, wie stark Industrieabfälle, Autoabgase, Verpackungsmaterialien, Urlaubsflüge, Kosmetikartikel usw… die Umwelt belasten? Wie viele Medikamentenrückstände übers Abwasser nach der Kläranlage in heimische Flüsse gelangen? Wissen Sie das?

Wussten Sie, dass die Rückstände der „Pille“ (über Ausscheidungen ins Abwasser- dann Kläranlage…) zu Fruchtbarkeitsstörungen bei Fischen führt, welche an Flüssen nahe der Kläranlage Ihren Lebensraum haben?

Wissen wir, ob nicht ab und zu jemand Antibiotikarückstände über die Toilettenspülung entsorgt? Wissen Sie, ob nicht öfter als veröffentlicht Unfälle mit Chemikalien aus großen Industriekonzernen geschehen, wo die giftigen Stoffe über Abwasser oder Kühlwasser in Flüsse gelangen. Ob unsere scharfen, chemischen Reinigungsmittel nicht sogar langfristig schädlich für die neue Kunststoffabwasserleitungen sind oder diese sogar die alte Leitung zersetzen?

Schon mal darüber nachgedacht? Ich schon, weil ich auch noch den wichtigsten Beruf auf der Erde haben darf. Ich trage eine enorme Verantwortung, weil ich Menschen mit aufwendig in der und mit der Natur produzierten Nahrungsmitteln versorge!

Wir Landwirte brauchen die Natur samt den Bienen und tun darum unser Bestes, nach besten Wissen und Gewissen, um nachhaltig zu wirtschaften. Dafür sind wir ausgebildet worden, und das länger als in den meisten Lehrberufen. Kaum ein junger Landwirt hat nicht mindestens eine Lehre mit Berufsgrundschuljahr anschließend 3- Semester Landwirtschaftsschule und eine Meisterprüfung hinter sich. Diese jungen Leute lernen da unter anderem wie man mit der Natur umzugehen hat, damit wir länger davon profitieren. Wir Landwirte tun, was wir tun, um Sie zu ernähren. Wir tun das, damit Sie hochwertige gesunde Nahrungsmittel auf dem Tisch haben und zumindest bei uns keiner hungern muss! Es ist der Arbeit der Bauern zu verdanken, dass wir alle gedeckte Tische haben.

Weil Landwirte Blühstreifen anlegen, Zwischenfrüchte säen, unsere Gärten nicht so extrem und penibel pflegen wie manch einer haben Bienen einen Lebensraum. Weil wir noch Bauerngärten mit Obstbäumen und Balkonblumen haben und weniger Urlaubsflieger und Kreuzfahrtschiffe nutzen ist unser biologischer Fußabdruck oftmals kleiner als der vom selbsternannten Bienenretter, der glaubt mit einer Unterschrift der Umwelt zu helfen.

Kaufen Sie regional und saisonal ein! Sprechen Sie mal mit Bauern selbst und nicht nur über sie. Würden sie wollen, dass Ihnen vom Gesetz vorgeschrieben wird, was Sie auf Ihrem Grundstück anzubauen haben und wann Sie exakt mähen müssen? Wie würden Sie reagieren, wenn z.B. Ihr Nachbar an Ihrer Arbeitsstelle erscheint und Ihnen sagt, was Sie alles anderes machen müssen? Hinterfragen Sie auch mal, was Sie in den Medien aufnehmen und glauben Sie nicht alles. Vielleicht ist ja doch das eine oder andere von den mächtigen Konzernen in Verbindung mit der Politik gesteuert. Vielleicht ist das ein oder andere Thema gestreut um von anderen Themen abzulenken? Seien Sie dankbar, dass Sie nicht hungern müssen und beobachten Sie sich selbst mal einen Tag lang, ob das alles richtig ist was sie tun. Blicken Sie mal über den Tellerrand hinaus. Glauben Sie doch nicht immer alles was Ihnen serviert wird, oder haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, wie viel Energie für die Produktion eines neuen Pkws verbraucht wird, und ob das gut für die Umwelt ist, oder ob man nicht vielleicht doch einen alten Diesel ein bisschen länger fahren sollte….?

Ich bin 37 Jahre, verheiratet und habe zwei Kinder. Ich kenne noch die Zeit wo es keine vakuumverpackten Lebensmittel gab, sondern eingewecktes von den eigenen Obstbäumen, geselchtes, sämtliche Salate vom eigenen Garten gedüngt mit Kuhmist. Ich bin Landwirt und Bauunternehmer. Ich bin wünsche mir, dass unsere Kinder eine Zukunft haben, und versuche für die Natur dazu sein, damit diese uns was zurückgeben kann.

Willst Du das auch?
Dann:
Tu was!“

Hintergrund: Am 31. Januar startete offiziell das Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern „Rettet die Bienen!“. Zwei Wochen lang bis zum 13. Februar hat jeder Wahlberechtigte die Gelegenheit, per Unterschrift das Volksbegehren zu unterstützen. Nicht nur die Bienen steht im Fokus, sondern insgesamt mehr ökologisch bewirtschaftete Flächen in Bayern. Die ökologische Landwirtschaft soll stark steigen – auf mindestens 20 Prozent bis 2025 und mindestens 30 Prozent bis 2030. Heute sind es unter zehn Prozent. Ziel ist es, dafür das Bayerische Naturschutzgesetz in vielen Punkten zu ändern. Zahlreiche Änderungsvorschläge betreffen die Landwirtschaft.
Hauptkritikpunkt ist, dass das Begehren auf Veränderungen in der Landwirtschaft ziele, obwohl der Schutz der Natur alle angehe.

Um einen Volksentscheid für mehr Naturschutz zu erzwingen, müssen die Initiatoren (u.a. ÖDP und Grüne) in zwei Wochen rund eine Million Stimmen sammeln. Das Volksbegehren gilt als angenommen, wenn zehn Prozent der Wahlberechtigten unterschrieben haben. Das sind rund 950.000 Bürger. Schon nach 5 Tagen hat die Initiative laut Meldung der Süddeutschen Zeitung die Hälfte der Stimmen gesammelt.

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